Reemtsma: »Falsche Bilder in einer Ausstellung«

Die Enthüllungen über falsche Bilduntertitelungen in der Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944« reißen nicht mehr ab. Nachdem bereits Anfang des Jahres ein polnischer Forscher auf Falschuntertitelungen aufmerksam gemacht hatte (vgl. VffG 2/99, S. 240), widmete nun die polnische Zeitschrift Życia am 9.5.1999 dem Thema einen zweiseitigen Beitrag von Piotr Gontarczyk, in dem mehrere falsch untertitelte und sogar manipulierte Bilder aus Heers und Reemtsmas Fälscher-Ausstellung bloßgestellt wurden. Hier Auszüge (zitiert nach UN 6/99):

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»In der Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" werden Bilder gezeigt, die Verbrechen des NKWD dokumentieren. Autoren der Ausstellung wollen nicht zugeben, daß sie die Geschichte fälschen. […]

Mit Sympathie und Wohlwollen äußern sich die Politiker der traditionellen Linken (SPD), geradezu enthusiastisch ist die postkommunistische PDS. Kein Wunder: Negierung der deutschen Geschichte war das ideologische Fundament der DDR, auch heute noch ist sie ein wichtiges Element des politischen Programms der PDS. Das ganze Unternehmen zerstört nach Auffassung sowohl der einen als auch der anderen die Legende der "sauberen Wehrmacht" und zwinge zu einem weiteren Bruch im Geschichtsbewußtsein der Deutschen. […]

Bei der Ausstellung handelt es sich weniger um eine "geschichtliche Zäsur", sondern eher um einen "historischen Schwindel". […] Einen besonderen Platz in der Ausstellung nehmen erschütternde Bilder ein, die Leichenberge zeigen, vor denen deutsche Soldaten abgebildet sind. Aus den Begleittexten geht hervor, daß diese Fotos aus Rußland, Serbien und Polen stammen. Scheinbar zeigen diese Bilder die Opfer und die Täter. Es ist schwer, sich dem dramatischen Eindruck zu entziehen, den diese Bilder hervorrufen. Jedoch stellt das geübte Auge eines Historikers schnell fest, daß die am Boden liegenden Leichen mehrere Tage und sogar Wochen alt sind. In vielen Fällen weisen unnatürliche Positionen der Leichen und anatomische Veränderungen darauf hin, daß sie exhumiert worden sind. Etwas stimmt hier nicht: Haben die Soldaten der Wehrmacht Dutzende von Personen ermordet, vergraben und nach Wochen ausgegraben, um Fotos zu schießen?

Die Antwort ist sehr einfach: Die wichtigsten Bilder in der Heer-Ausstellung dokumentieren keine Verbrechen der Wehrmacht, sondern zeigen Opfer von NKWD-Massenverbrechen, die in Ostpolen begangen worden sind. […]

Weil das Beweismaterial wirklich bescheiden war, entschlossen sich die Ausstellungsmacher, es entsprechend beweiskräftiger zu machen. Die Methoden, mit denen man dies in der Ausstellung und in den begleitenden Veröffentlichungen getan hat, sind vielfältig. Eine dieser Methoden sind die sogenannten Bildgeschichten. Die Kunst besteht darin, die Bilder so zusammenzusetzen, daß sie dem Betrachter den Eindruck vermitteln, es handele sich um eine zusammenhängende Dokumentation eines Verbrechens. So finden wir in der Ausstellung eine Reihe von Aufnahmen, die angeblich die Pazifizierung eines russischen Dorfes durch die Wehrmacht dokumentieren. Die Aufnahmen zeigen der Reihe nach die Vertreibung der Zivilbevölkerung, vor allem Frauen und Kinder, aus ihren Häusern. Die letzte Aufnahme zeigt auf dem Boden liegende Leichen. Das Problem besteht aber darin, daß dieses Bild anstatt der Leichen der vertriebenen Bauern getötete Soldaten oder Partisanen zeigt. Darüber hinaus wurde dieses Bild an einem anderen Ort und zu einem anderen Zeitpunkt gemacht als die übrigen.

Ein anderes Histörchen "dokumentiert", wie deutsche Soldaten einer undefinierbaren Formation ein russisches Dorf niederbrennen. Erst das letzte Bild, das die bisher maskierten Täter entlarven soll, zeigt einen lächelnden Wehrmachtssoldaten wie einen Täter am Tatort. Das Problem besteht darin, daß die ersten sechs Aufnahmen in einer winterlichen Landschaft mit einer dicken Schneedecke gemacht wurden, und das letzte im Hochsommer. […]

Selbstverständlich könnte man meinen, daß die Probleme mit der Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" ausschließlich Probleme der Deutschen sind. Die Angelegenheit hat aber einen breiteren Kontext, denn die umstrittenen Bilder zeigen Polen - aber auch Ukrainer und Juden - , die während der sowjetischen Besatzung vom NKWD ermordet worden sind. Fälschung der Umstände, unter denen sie ums Leben gekommen sind, und noch dazu durch einen Kommunisten, bedeutet Verspottung der Geschichte. Heute, am Ende des Jahrhunderts, wenn Bücher wie das "Schwarzbuch des Kommunismus" entstehen können, geht es auch darum, beim Vergleich der deutschen und sowjetischen Verbrechen ehrliche Maßstäbe einzuhalten. […]

Kopien der selben Aufnahmen, die Hannes Heer in seine Ausstellung brachte, um Verbrechen der Wehrmacht zu dokumentieren, befinden sich in privaten Beständen in Polen sowie im Archiv der Charta und im Archiv der Hauptkommission zur Untersuchung der Verbrechen am polnischen Volk. Diese Bilder sind genau beschriftet - sie dokumentieren NKWD-Verbrechen.«


Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 3(3) (1999), S. 337f.


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