Der Mythos von Gebrauchsobjekten aus Menschenhaut
Von Jean Plantin
Der Mythos von den Lampenschirmen, Handschuhen und Handtaschen aus Menschenhaut, von den Nationalsozialisten angeblich aus den Häuten ermordeter Häftlinge angefertigt, sowie das Bild von der Judenseife: sie wollen nicht mehr verschwinden. Um unseren Lesern eine Vorstellung von der Entstehung und Verbreitung dieses Mythos zu geben, haben wir nachfolgend einige Quellen zusammengestellt, die diesen Mythos begründet bzw. verbreitet haben. Den üblichen Quellen, die über den Zweiten Weltkrieg und hier besonders über die NS-Konzentrationslager berichten, wurden weitere aus anderen Epochen und Gegenden hinzugefügt, die den Eindruck geben, als sei es üblich gewesen, Handtaschen und Bucheinbände aus Menschenhaut anzufertigen. Selbstverständlich müßten all diese Behauptungen zuerst verifiziert werden. Dank sei hier den Lesern ausgesprochen, die zu dieser Liste beigetrugen.
Das Nürnberger Militärtribunal
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In der Pathologie des Krankenbaus des KL Sachsenhausen stellt die BRD-Regierung immer noch Fotos aus, die vorgeben, daß es Lampenschirme aus Menschenhaut gegeben habe. Die Beschriftung des mittleren Bildes lautet: » Tätowierungen und Lampenschirme aus Menschenhaut.« |
Während des Internationalen Militärtribunals in Nürnberg las der Ankläger der USA, Thomas J. Dott, am 13. Dezember 1945 folgende schriftliche Zeugenaussage eines ehemaligen Insassen von Buchenwald vor:[1]
»Der Gerichtshof wird sich daran erinnern, daß wir in dem Film aus einem der Konzentrationslager zeigten, wie im Konzentrationslager Buchenwald Hautstücke von menschlichen Körpern geschnitten und als Dekorationsstücke aufbewahrt wurden. Für diesen Zweck wurden besonders unglückliche Opfer wegen ihrer Tätowierungen ausgesucht. Das Beweisstück trägt die Nummer US-252. Ein Auszug aus einem offiziellen amerikanischen Armeebericht ist angefügt, in welchem angegeben wird, wie dieses Beweisstück gefunden wurde. Dieser Auszug erscheint in dem Dokument 3420-PS, das ich teilweise verlesen werde, [...].
Vorbemerkung: Der Verfasser des Berichts ist der Kriegsgefangene Andreas Pfaffenberger, 1. Kompanie des 9. Landesschützen-Btl., 43 Jahre alt, von begrenzter Bildung, von Beruf Metzger. [...]
"Im Jahre 1939 wurde allen Gefangenen mit Tätowierungen befohlen, sich im Krankenrevier zu melden" [...]
"Niemand wußte, warum das geschah, aber nachdem die tätowierten Gefangenen untersucht waren, wurden diejenigen mit den schönsten und künstlerischsten Mustern in dem Krankenrevier zurückbehalten und dann durch Einspritzung getötet, die durch Karl Beigs, einen kriminellen Gefangenen, ausgeführt wurden. Die Leichen wurden dann in die Pathologische Abteilung gebracht, wo die gewünschten Stücke der tätowierten Haut von den Leichen abgetrennt und behandelt wurden. Die fertiggestellten Stücke wurden der Frau des SS-Standartenführers Koch übergeben, die sie in Lampenschirme und andere Ziergegenstände für den Haushalt verarbeiten ließ. Ich selbst sah solche tätowierten Häute mit verschiedenen Zeichnungen und Inschriften, wie zum Beispiel ‚Hänsel und Gretel', die ein Gefangener an seinem Knie hatte, und Schiffen von der Brust von Gefangenen. Diese Arbeiten wurden von einem Gefangenen namens Wernerbach ausgeführt."«
US-Ankläger Dodd verlas darüber hinaus am 11. Januar 1946 die eidesstattliche Erklärung des ehemaligen tschechischen Gefangenen des KL Dachau Franz Blaha:[2]
»9. Es war allgemein üblich, die Häute der Leichen toter Gefangener zu entfernen. Es wurde mir öfters befohlen, dies zu tun. Dr. Rascher und Dr. Volter im besonderen verlangte diese menschliche Haut von Menschen-Rücken und -Brüsten. Sie wurde chemisch behandelt und in die Sonne zum Trocknen gelegt. Nachher wurde sie in verschiedenen Größen zugeschnitten für Benützung von Sättel, Reithosen, Handschuhe, Hausschuhe und Damenhandtaschen. Tätowierte Haut wurde besonders von den SS-Männern geschätzt. Russen, Polen und andere Häftlinge sind auf diese Art benutzt worden, aber es war verboten, die Haut eines Deutschen auszuschneiden. Diese Haut mußte von gesunden Personen kommen und durfte keine Fehler haben. Manchmal hatten wir nicht genügend Körper mit guter Haut, und dann würde Rascher gewöhnlich sagen: "Gut, Ihr werdet die Körper bekommen". Den nächsten Tag erhielten wir dann 20 bis 30 Körper junger Menschen. Sie sind gewöhnlich in den Hals geschossen worden oder auf den Kopf geschlagen worden, so daß die Haut unbeschädigt blieb. Wir bekamen auch häufig Verlangen für die Schädel und Skelette von Gefangenen. In diesen Fällen kochten wir den Schädel oder den Körper in einem Kessel. Dann wurden die weichen Teile entfernt, die Knochen gebleicht und getrocknet und dann wieder zusammengesetzt. Bei den Schädeln war es wichtig, gute Zähne zu haben. Als wir eine Anfrage für Schädel von Oranienburg bekamen, würden die SS-Männer sagen: "Wir werden versuchen, Euch einige mit guten Zähnen zu verschaffen." Deswegen war es gefährlich, eine gute Haut oder gute Zähne zu haben. [...]«
Am 29. Januar 1946 ergab sich der folgende Wortwechsel zwischen dem stellvertretenden Hauptankläger Frankreichs, Charles Dubost, und dem Zeugen den Anklage Alfred Balachowsky:[3]
»M. DUBOST: Ich glaube, daß die Erklärung des zweiten Zeugen den Gerichtshof endgültig aufklären wird, was immer die Verteidigung zu unserer Irreführung unternehmen mag.
[Zum Zeugen gewandt:] Wissen Sie etwas über tätowierte Menschen?
BALACHOWSKY: Jawohl
M. DUBOST: Wollen Sie uns sagen, was Sie darüber wissen?
BALACHOWSKY: Die tätowierten Menschenhäute wurden in Block 2 in Buchenwald, im sogenannten "Pathologischen Block" aufbewahrt.
M. DUBOST: Gab es viele tätowierte Menschenhäute in Block 2?
BALACHOWSKY: Es gab stets tätowierte Menschenhäute in Block 2. Ich weiß nicht, ob es viele waren, weil ständig Häute hereinkamen und wieder weitergegeben wurden; es gab nicht nur tätowierte, sondern auch einfache gegerbte Häute, die nicht tätowiert waren.
M. DUBOST: Man hat also Menschen gehäutet?
BALACHOWSKY: Man hat die Haut abgezogen und dann gegerbt.
M. DUBOST: Wollen Sie bitte Ihre Aussage über diesen Punkt fortsetzen.
BALACHOWSKY: Ich sah SS-Männer aus Block 2, dem "Pathologischen Block", mit gegerbten Häuten unter dem Arm herauskommen. Ich weiß von Kameraden, die in Block 2 arbeiteten; daß dort Bestellungen auf Häute eingegangen sind und daß diese gegerbten Häute einigen Wachposten und Besuchern geschenkt wurden, die sie zum Einbinden von Büchern benutzten.
M. DUBOST: Man hat gesagt, daß der damalige Kommandant Koch wegen dieser Gepflogenheiten bestraft worden ist.
BALACHOWSKY: Ich war nicht Zeuge des Falles Koch, der sich vor meiner Lagerzeit abgespielt hat.
M. DUBOST: Also gab es auch nach seinem Weggang noch tätowierte und gegerbte Häute?
BALACHOWSKY: Es hat immer gegerbte und tätowierte Häute gegeben, denn als die Amerikaner das Lager befreiten, haben sie am 11. April 1945 im Block 2 noch tätowierte und gegerbte Häute gefunden.
M. DUBOST: Wo wurden diese Häute gegerbt?
BALACHOWSKY: Diese Häute wurden in Block 2 und vielleicht auch in den Baulichkeiten des Krematoriums gegerbt, die nicht weit von Block 2 entfernt waren.
M. DUBOST: Nach Ihrer Aussage war es also ein ständiger Brauch, der sogar nach der Hinrichtung Kochs fortgesetzt wurde?
BALACHOWSKY: Jawohl, es geschah während der ganzen Zeit, aber ich weiß nicht in welchem Ausmaß.
M. DUBOST: Sind Sie Zeuge von Besuchen deutscher Persönlichkeiten im Lager gewesen, und wer waren diese Persönlichkeiten?
BALACHOWSKY: Ich kann Ihnen einiges über die Besuche in Dora wiederholen.
M. DUBOST: Ich bitte um Entschuldigung, aber ich möchte bezüglich der Häute noch eine Frage stellen.
Sind Sie über die Verurteilung Kochs unterrichtet?
BALACHOWSKY: Jawohl, ich bin durch Gerüchte und Aussagen meiner alten Kameraden unterrichtet, die im Lager waren; ich selbst bin jedoch nicht Zeuge dieser Angelegenheit gewesen.
M. DUBOST: Das macht nichts. Es genügt mir, zu wissen, daß selbst nach der Verurteilung Kochs immer noch gegerbte und tätowierte Häute da waren.
BALACHOWSKY: Jawohl.
M. DUBOST: Sind Sie sicher?
BALACHOWSKY: Jawohl. Auch nach seiner Verurteilung gab es weiterhin gegerbte und tätowierte Häute.«
Berichte über NS-Menschenhäute aus der Nachkriegszeit
1. Robert Antelme, L'Espèce humaine, Gallimard, Paris 1978 (Erstausgabe 1957), S. 195:
»Die kleinen Zigeuner von Buchenwald werden wie Ratten erstickt. [...] Die ganze Asche auf dem Boden von Auschwitz. [...]
Aus ihren Leichen macht man Seife. Oder auch Handtaschen für die weiblichen SSler aus ihrer Haut. Auf den Lampenschirmen weist keine Spur darauf hin, nur die Tätowierungen. [...]«
2. Joseph Drexel, Voyage à Mauthausen. Le cercle de la résistance de Nuremberg, France-Empire, Paris 1981 (Erstauflage Stuttgart 1978), S. 139f.:
»Handtaschen oder andere Luxusobjekte für "Damen" [aus ausgeschnittenen Hauttätowierungen] «
Und im Anhang des gleichen Buches, S. 280:
»Stücke tätowierter Haut, mit der man Bücher einband, Lampenschirme und Taschen herstellte.«
3. Jorge Semprun, Quel beau dimanche!, Editions Grasset, Paris 1991 (Erstausgabe 1980), S. 22:
» [...] unter dem Kommando des SS-Obersturmbannführers Koch, dessen Frau, wie man sich erinnert, später Lampenschirme mit der Haut von Gefangenen herstellte, deren Tätowierungen ihre Aufmerksamkeit erregt hatten.«
4. Jean Edward Smith, Lucius D. Clay; An American Life, Henry Holt, New York 1990, S. 301:
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Beweisstück PS-3420 im Militärtribunal Nürnberg: |
»Ein Reporter hatte sie die "Hündin von Buchenwald" genannt und hatte geschrieben, daß sie Lampenschirme besaß, die zum Teil aus Menschenhaut gefertigt worden waren. Dies wurde dem Gericht dargelegt, wo definitiv nachgewiesen wurde, daß die Lampenschirme aus Ziegenleder waren.«
5. Luc Virgis, »Quand le Troisème Reich surgit des archives argentines« (Wenn sich das Dritte Reich aus den argentinischen Archiven erhebt), L'Événement du jeudi, Nr. 382, 24.2.-4.3.1992, S. 34f. Am Anfang des Artikels ist die Rede von einer Bibel aus dem 19. Jahrhundert, deren zarter und leichter Einband Neugierde geweckt hatte:
»Das ist von dem Juden, sagte seine Gastgeberin mit sanftem Blick aus ihren blauen Augen und ohne mit den Wimpern zu zucken. Mein Ehemann hat in einem Lager gedient, in Polen.«
6. Gustave Corçao, Le Siècle de l'enfer, Èditions Sainte-Madeleine, Le Barroux 1994, S. 443:
»Die Juden machen sich kriegsbereit, weil sie Millionen von Eltern und Freunden haben, die in Lampenschirmhäute und Seifen verwandelt werden [...].«
7. Denise Holstein, »Je ne vous oublierai jamias, mes enfants d'Auschwitz...« (Ich werde euch nie vergessen, meine Kinder von Auschwitz), Éditions Nr. 1, Paris, Januar 1995, S. 106:
»Bei der Ankunft traten die Menschen, die aus den Lastwagen stiegen, in einen Raum ein, um sich auszuziehen. Dort gab es große Aufschriften, die die Leute aufforderten, ihre Sachen gut zu ordnen, damit sie sie nachher wieder finden. Sie [die Opfer] stiegen in einen Duschraum hinunter, wo sie mit Zyklon B erstickt wurden. Der Fußboden öffnete sich, und die Leichen fielen auf ein Fließband; etwas später schnitt man ihnen die Haare, um Seidenstrümpfe daraus herzustellen. Man schlug ihnen mit Hämmern die Goldzähne aus und entfernte Tätowierungen, denn die Frau des Kommandanten hatte die Manie, aus der tätowierten Haut der Hingerichteten Lampenschirme herzustellen. Anschließend wurden die Leichen gekocht und man fing das Menschenfett auf, um daraus Seife zu machen.«
»Ja, in den Vernichtungslagern wurde das Schlimmste wahr, Gaskammern und Krematorien, verschiedene Folterungen und Hinrichtungen, Seife aus Menschenfett und Lampenschirme aus tätowierter Menschenhaut.«
8. Michel Tatu, »Le nazism jusqu'à la nausée« (Nazismus bis zum Erbrechen), Le Monde, 29.-30. September 1996:
»Nur Goebbels blieb zuversichtlich. Goebbels, der Mann des Hasses, der Fanatischste der sechs. Im Unterschied zu Himmler, der sich Möbel aus Knochen und einen Lampenschirm aus menschlicher Haut machen ließ, mordet der Propagandachef "mit Worten".«
9. In der Ausgabe Nr. 36 (Oktober 1996, S. 6f.) seines Smith Report berichte Bradley Smith von Codoh über einen Artikel in der Outlaw Biker Tattoo Revue Nr. 52, 1996, des Titels »The Tattoo Skins of Buchenwald: Hidden Horror of the Holocaust« (Die tätowierten Häute von Buchenwald: verborgener Schrecken des Holocaust)., verfaßt von Kenneth Kipperman (»geboren in Lodz, Polen, Sohn zweier Holocaust-Überlebenden«). Darin wird die Legende von den Buchenwalder Lampenschirmen aus Menschenhaut (und mit Ilse Koch) wiederholt, und der Autor mißt ihr Glaubhaftigkeit zu.
Eine Quelle zur Französischen Revolution
Reynard Secher, »La Vendée, mémoire et génocide«, im Sammelband L'Envers des droits de l'homme, Renaissance Catholique, Issy-les-Moulineaux, Dezember 1993, S. 178:
»Saint-Just machte tatsächlich die Aussage, daß es Frankreich an Rohstoffen zur Einkleidung seiner Soldaten und Offiziere mangele. Er hatte daher die Idee, den Rohstoff von dort zu nehmen, wo er ist. Man baute daher in der Vendée militärische Gerbereien für Menschenhäute. So gab es eine, die in Ponts-de-Cé gewütet hat und die von einem Zeitgenossen in einem Bericht, den ich gefunden habe, ausführlich beschrieben wurde. Ich kann ihnen daher berichten, wie man die Leute aus der Vendée enthäutet und skalpiert hat und wie man die Sexualorgane der Männer abschnitt um sie wie Medaillen zu tragen um zu zeigen, wie viele Menschen man im Laufe des Tages getötet habe. Dies sind wahrhaftig Litaneien des Schreckens.«
Mehr zu angeblichen Vorfällen während der Französischen Revolution wird im anschließenden Beitrag in diesem Heft berichtet.
Verschiedene andere Quellen
1. Martin Mittasch, »Bucheinbände aus Menschenhaut«, Buchbinderlehrling Nr. 12 , 1931 (www.unternehmen.com/ Buchbinder/M-haut.html):
»Bei aufmerksamen Wanderungen durch Museen, Sammlungen und Archive stößt man öfter auf Raritäten, um die sich mehr oder weniger ein geheimnisvoller Schleier des Romantischen, Absonderlichen, und Abenteuerlichen webt.
Zu diesen gehören auch die Gegenstände aus Menschenhaut.
Es ist zu verstehen, daß gerade aus Gründen einer gewissen Scheu und Abneigung in der breiten Öffentlichkeit relativ wenig davon bekannt ist; jedoch vom Standpunkt des allgemeinwissenschaftlichen Interesses sollte man daran nicht unbeachtet vorübergehen.
Das Deutsche Buchkunstmuseum in Leipzig birgt eine Anzahl prachtvoll verarbeiteter Buchdecken, die mit Menschenhaut überzogen sind. Die Feinheit der Struktur und die Farbe des Leders erregen Bewunderung und überragen die schönsten Exemplare tierischer Herkunft. Ebenso verwahrt die medizinische Fakultät der Universität Göttingen sechs Originalbände des überragenden Mediziners der griechischen Blütezeit im 4. Jahrhundert, Hippokrates, die, als eine wahrhaft aparte Idee, in Menschenhaut gebunden sind. Über die näheren Umstände dieser Bände wie überhaupt um die Arbeiten über die erwähnten Luxuseinbände in Leipzig hat man bis jetzt noch nichts Zuverlässiges erfahren können.
Dagegen existieren über zwei Bücher, die im französischen Nationalmuseum, im Louvre in Paris, aufbewahrt werden, genaue Unterlagen. Deren Entstehung entbehrt nicht des Hauches seltener Romantik. Man weiß über das Werk "Les mondes imaginaires et les mondes réales", die wertvollste Geistesarbeit des erst vor einigen Jahren verstorbenen französischen Gelehrten Camille Flammarion, folgendes: Marquise Trouville, als begeisterte Anhängerin der astronomischen Forschungen Flammarions, hatte ihn nach damals französischer Gönnersitte zu einem längeren Aufenthalt auf ihre Besitzungen eingeladen. Am Tage des Abschieds empfing ihn die Gräfin in einem tief ausgeschnittenen Kleid, worüber der schwärmerische Gast, von der Schönheit ihrer Schultern und Büste hingerissen, die Schloßherrin in ehrlicher Begeisterung feierte. Nach geraumer Zeit, als Flammarion dieses Erlebnis nur noch schwach bewegte, erhielt er eines Tages vom Arzt der inzwischen verschiedenen Marquise die Mitteilung, daß der letzte und innigste Wunsch der Toten, die den Philosophen allzu tief liebte, gewesen sei, das von ihr so geschätzte Werk, welches er in ihrem Hause geschrieben hatte, in die von ihm bewunderte Haut binden zu lassen. Diese zwei Bände des phantastischen Grüblers Camille Flammarion, die er als sein wertvollstes Vermächtnis dem Louvre überließ, dürften als Attribut feinsinniger Regung stiller Liebe bis übers Grab hinaus zu den größten Seltenheiten aller Zeiten gehören. Von Kennern wird behauptet, die Struktur des Leders dieser Bucheinbände sei unendlich fein und die Farbe von schöner Elfenbeintönung.
Diese schöngeistige Schwärmerei findet eine grundsätzliche Umkehrung ins Gegenteil durch die in der sächsischen Kreisstadt Zittau zur Schau gestellte Haut des berüchtigten Raubmörders Nierlein. Hier zog menschliche Rachsucht dem Verbrecher wörtlich und bildlich das Fell über die Ohren. Auch diese Haut hat, trotz 300jährigen Alters, obgleich von grobem Korn und kräftiger Porung, eine schöngelbe Färbung. Im sächsischen Museum zu Dresden befindet sich eine Janitscharentrommel, die als Kuriosum mit Troddeln von Menschenohren behangen ist, die von den Türken aus der Schlacht bei Liegnitz im 17. Jahrhundert stammen. Aus diesem Anlaß feiert Liegnitz noch heute das "Sieben-Sack-voll-Ohren-Fest".
Die ehemaligen Besitzer dieser Trommeltroddeln dürften recht robuste Kerle gewesen sein, denn bei näherer Inaugenscheinnahme gemahnen die noch daran haftende Härchen eher an Borsten.
Menschenhaut, zu anderen Zwecken verwendet, findet man in den Kolonialmuseen öfters, wo sie als Gebrauchs-, Zier-, und Fetischgegenstände Verwendung fanden. Bei diesen wilden und kulturlosen Völkerstämmen - auch bei den primitiven Menschen unseres Kontinents aus der Zeit des Mittelalters bis in das graue Altertum zurück, wo sittliche Scheu ein fremder Begriff war - ist eine solche Verwendung nicht wunderlich. Im Gegenteil ist es zu verstehen, daß man die Verbrecher als Schädlinge, nachdem sie ihr Leben auf dem Rad oder Galgen gelassen hatten, auch noch ihrer Haut entledigte, um sie als abschreckendes Beispiel zu Taschen, Köchern, Knuten, Riemen, Schuhen usw. zu verarbeiten.
In den Zeiten der Französischen Revolution, als man vor dem Menschenleben keinen Respekt hatte, wurde die Menschenhaut sogar industriell ausgenutzt. Nach Akten des Nationalkonvents aus dem Jahre 1791 wurden sogar diesem abscheulichen Gewerbe Konzessionen und Subventionen erteilt. Französische Revolutionsannalen besagen weiter, daß der Herzog Joseph Philipp von Orleans, der Enkel Louis XIII., als er in jenen turbulenten Jahren gegen den damaligen König Ludwig XVI. agitierend, auf den Thron zu gelangen suchte, Barett, Hosen, und Schuhen aus Menschenhaut gefertigt getragen haben soll.
Leider besteht noch heute bei den Französischen Kolonialtruppen die von der Regierung stillschweigend geduldete abscheuliche Unsitte, Tabaksbeutel aus der Brusthaut eingeborener Frauen zu benutzen, was auf den moralischen Tiefstand dieser Menschen ein bezeichnendes Schlaglicht wirft. Einzelne während des Krieges über die Schützengräben zu uns gelangte Exemplare sind glücklicherweise schon längst in der Versenkung verschwunden.
Ein in seiner Art sinniges Beispiel, die eigene Haut schon bei Lebzeiten zu verschreiben, lieferte nach böhmischen Urkunden der Hussitenführer Ziska. Im schlesischen Landesmuseum zu Görlitz zeigt man eine mit der Haut Ziskas bespannte Schlachttrommel. Sein ermutigender Geist sollte, wenn auch seine Zunge schon längst verstummt sei, die Kampfgenossen durch die dröhnende Stimme seiner Haut zu weiterem ungestümem Vorwärtsdrängen anfeuern. Die vom starken Gebrauch arg mitgenommene Trommel tönt heute recht unheimlich, wenn man leise darauf tippt.
Der König Kambyses von Persien, ein gewalttätiger Epileptiker und Trinker, bestrafte einst einen bestechlichen Richter damit, daß er ihm die Haut abziehen ließ. Diese Haut ließ er gerben und damit einen Stuhl beziehen. Der Sohn des Verurteilten mußte sein Nachfolger im Richteramt werden und von diesem furchtbaren Stuhle aus Rechtsprechen.
Dieser wenig erfreulichen aber immerhin wissenswerten Abhandlung möchte ich zum Schluß eine kleine heitere Episode anhängen. Vor langen Jahren fand ich in einem Hamburger Lederwarengeschäft ein hellfarbiges Zigarrenetui mit einem Blinddruckstempel: "Zigarrenetui aus echtem Menschenleder."
Nachdem ich mir über diese Scheußlichkeit einige Male den Kopf zerbrochen hatte, ließ ich mir in dem Geschäft ein solches Exemplar zeigen. Da fand ich auf der Rückseite einen zweiten Stempel: "Dürfen nicht angefertigt werden." Ein "geistreicher" Scherz!«
2. Joe Nickel, Entities. Angels, Spirits, Demons, and Other Alien Beings, Prometheus Books, Amherst 1995, S. 64: Nickel berichtet eine Anekdote aus der US-Stadt Morristown, die er Arthur Meyers Ghostly Register entnommen hat (Contemporary Books, Chicago 1986, S. 227ff.) Danach wurde der Mörder Antoine LeBlanc aufgehängt. Um die Prozeßkosten zu begleichen und zur Feier dieses frohen Anlasses hat man angeblich die Haut von seiner Leiche abgezogen und daraus Hand- und Brieftaschen hergestellt. Einige Bewohner von Morristown sollen diese noch heute besitzen.
3. Tattootime, Band 4, 1988, Life & Death Tattoos: Eine Zusammenfassung dieses Bandes wird im 1994er Katalog von Loompanics Unlimited auf S. 274 gegeben. Ein Artikel bzw. Kapitel darin ist übertitelt mit:
»Muß noch besucht werden (Museum der gegerbten Menschenhäute in Tokio)«
Demnach soll es in Tokio ein Museum mit gegerbten Menschenhäuten geben, was zu bestätigen wäre.
4. Fortean Times, Nr. 76, August-September 1994, S. 7: Wiedergabe eines Artikels der Nachrichtenagentur Reuters vom 5. April 1994:
»Der Dichter Donal Eugene Russell aus dem US-Bundesstaat Oregon ist am 3. Februar im Alter von 62 Jahren gestorben. Sein letzter Wille wird aber nicht vollstreckt. Er hatte verlangt, daß seine Haut dazu verwendet werden solle, einen Band seiner Gedichte einzufassen. Am 4. April akzeptierte seine Witwe Rachel Barton-Russel, daß er eingeäschert wird, nachdem der Bundesstaat ein Verfahren eröffnet hatte.«
5. Fortean Times, Nr. 84, Dezember 1995-Januar 1996, S. 8:
»Andan Kazir aus Dhaka (Bangladesh), verrückt vor Schmerz über den Tod seiner Frau, hat dieselbe enthäutet, um sich aus ihrer Haut ein Gewand zu machen. Seine Gattin wog 170 kg, so daß der Schneider genug Material zu verarbeiten haben wird.«
In der gleichen Nummer wird auf derselben Seite eine Pressemeldung von Associated Press vom 6. Juli 1995 wiedergegeben:
»Ein 21-jähriger Ukrainer, der angeklagt ist, eine Frau ermordet und sich ihrer Haut bedient zu haben, um daraus einen Büstenhalter und einen Slip zu machen, hat während seines Prozesses erklärt, er habe dies getan, um seine Nerven zu beruhigen.«
6. Christian Galanteris, Manuel de bibliophilie, Éditions des Cendres, Paris, Oktober 1997, Band 1, S. 107f.:
»Ein Kritiker, amüsiert über die manchmal krankhaften Gewohnheiten der Bücherliebhaber auf ihrer Suche nach außergewöhnlichen Materialien zum Einbinden ihrer Lieblingstücke, machte einst folgenden wunderbaren Vorschlag: Eine mit der nackten Haut des Autors gebundene Ausgabe.
[...] Aber die Bücherliebhaber kennen die wahrhaftige, makabre Geschichte eines Autors, dessen Werk wirklich mit seiner Haut eingebunden war! Delille, den seine Zeitgenossen als neuen Virgile ansahen, starb 1813. In den erleuchteten Katafalk, wo sein Leichnam aufgebahrt war, drang ein Fanatiker ein und, welch Sakrileg (oder welcher Eifer), entnahm seinem Idol ein Stück Haut. Später erfuhr man, daß dieses Stück dem Zentrum des Einbandes aufgepfropft worden war, die eine Luxusausgabe der Werke des ruhmreichen Dichters einband. (Anm. 57: Dieses Buch, das in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts immer noch in einer Privatsammlung aufbewahrt wurde, war das Objekt einer detaillierten Studie in Le Livre et ses amis, Nr. 15, Januar 1947)«
Im 2. Band des gleichen Werkes heißt es auf den Seiten 220 und 222:
»Gegerbt und hergerichtet kann Menschenhaut genauso als Einband dienen wie Tierhäute und ist unter normalen klimatischen Bedingungen lange beständig. Sie ähnelt dem feinsten Schweinsleder. Die Beispiele derartiger Einbände sind zahlreich, bleiben aber ein Geheimnis, da weder der Binder noch der Liebhaber sich dieser Tat bzw. dieses Besitzes rühmen. - Literatur: Roger Devauchelle, "Un chapitre inédit de La Reliure en France: Reliures bizzares" [Ein ungeschriebenes Kapitel der Binder in Frankreich: Bizarre Einbände], in: Le Livre et l'Estampe, XXII, Brüssel 1960, S. 144-153.«
7. Berliner Kurier, 20.12.1997 (www.berlinonline.de/wissen/ berliner_kurier/archiv/1997/1220/tv/0053/index.html):
»Thriller. "Buffalo Bill" wird jener unbekannte Wahnsinnige genannt, der schon fünf Frauen ermordet hat. Denn wie einst die Büffeljäger häutet der Psychopath seine Opfer, um sich aus der Menschenhaut ein Kleid zu nähen.«
Anmerkungen
Entnommen der Zeitschrift Akribeia, Nr. 6, März 2000, S. 61-68. Übersetzt und mit weiteren Funden angereichert von Germar Rudolf.
[1] | Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher, 14.11.1945-1.10.1946, Bd. III, S. 574f. |
[2] | Ebenda, Bd. V, S. 173f. |
[3] | Französischer Chemiker, Laborchef des Institut Pasteur in Paris; geboren am 15.8.1909 in Rußland, seit 1932 französischer Staatsbürger, inhaftiert in Dora und Buchenwald; er nannte Eugen Kogon »meinen Freund«, Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher, Bd. VI, S. 347f. Danke gebührt Prof. R. Faurisson für diese Informationen. |
Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 5(4) (2001), S. 397-401.
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