Viertes Kapital
Der Auschwitz-Prozeß
I. GERICHTSVERFAHREN ALS GESCHICHTSQUELLE? --
ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT
Als die Beweisaufnahme im sog. Auschwitz-Prozeß abgeschlossen war und das Verfahren sich mit den Plädoyers der Anklagebehörde, der Vertreter der Nebenklage und der Verteidigung seinem Ende zuneigte, erhielt das bis dahin vor der Offentlichkeit nur mühsam gewahrte Bild von einem "ganz normalen Strafprozeß" [1] einen sicherlich unbeabsichtigten, aber bezeichnenden Schönheitsfehler. Mit nur schlecht verhehlter Genugtuung erklärte nämlich der Nebenklagevertreter, Rechtsanwalt Henry Ormond, am Ende seines Plädoyers folgendes [2]:
"Wenn die letzten Überlebenden der Hölle von Auschwitz nicht mehr Zeugnis ablegen könnten -- und darauf warte man in gewissen Kreisen-, dann werde Auschwitz in nicht zu ferner Zukunft nur noch eine Legende sein,... Ohne den jetzigen Prozeß, bei dem aus dem Munde der Überlebenden die Wahrheit bekundet worden sei, hätten die Unbelehrbaren ihre Bagatellisierungsversuche fortgesetzt. Daß dies nun nicht mehr möglich sei, werde man neben der Bestrafung der Schuldigen als das große, das bleibende Verdienst dieses mustergültig geführten Prozesses ansehen können."
Das war entlarvend genug, wenn auch der nüchterne Beobachter jenes Prozesses von vornherein den Eindruck gewinnen mußte, daß dieser in erster Linie -- wenn nicht gar ausschließlich -- dem Ziel diente, einen damals in weitesten Kreisen immer noch als durchaus zweifelhaft angesehenen zeitgeschichtlichen Sachverhalt als "gerichtsnotorisch" festzustellen, um ihm damit eine historisch tragfähige Grundlage zu geben. Nun aber war dieser Hauptzweck des Verfahrens von einem Vertreter jener Kreise offen ausgesprochen worden, die hinter dem ganzen Justizschauspiel standen. Kein Wunder also, daß der bekannte Strafverteidiger Dr. Laternser in seinem Plädoyer für den Angeklagten Dr. Capesius diese und ähnliche Äußerungen anderer Prozeßbeteiligter eindeutig als rechtsfremd rügte [3] und in seinem Schlußplädoyer vom 6. August 1965 sogar von einem "Schauprozeß" sprach, ein Vorwurf, der offenbar von anderen Verteidigern schon vorher erhoben worden war [4]. Wir werden noch sehen, daß dieser Vorwurf durchaus nicht so abwegig war, wie es im Rahmen deutscher Gerichtsbarkeit zunächst scheinen mag.
Der Nebenklagevertreter Ormond blieb übrigens mit seiner Öffentlich bekundeten Meinung über den Zweck des Auschwitz-Prozesses nicht lange allein. Auch der Generalsekretär des Internationalen Auschwitz-Komitees Hermann Langbein, der trotz seiner Inanspruchnahme als Zeuge ständiger Beobachter des Prozesses und an dessen Zustandekommen maßgebend beteiligt gewesen war, gab in der Schlußbetrachtung seiner zweibändigen Prozeßdokumentation ähnlichen Gedanken Raums [5].
Er sieht in dem Gerichtsverfahren eine "Dokumentation über das größte Vernichtungslager Hitlers, gegen die keine sachlichen Einwendungen bestehen können", die "künftigen Historikern, vor allem aber der jungen Generation in Deutschland Möglichkeit zur Orientierung und Stoff zum Nachdenken bieten" solle. Und wörtlich schließt er diesen Gedanken mit dem für einen der Hintermänner des Auschwitz-Prozesses bemerkenswerten Eingeständnis ab:
"Um diesem Zweck uneingeschränkt dienen zu können, war das Bild über das Vernichtungslager Auschwitz unter der Leitung deutscher Richter zusammenzustellen. "
Dementsprechend hat sich in letzter Zeit Robert M. W. Kempner, der ehemalige Ankläger des Militärtribunals von Nürnberg, für seine Behauptung, die "Vernichtung der Juden" sei durch ein "plan -- und verwaltungsmäßiges Zusammenarbeiten sämtlicher Reichs -- und Parteibehörden" erfolgt, nicht etwa auf inzwischen bekannt gewordene Forschungsergebnisse unabhängiger Historiker, sondern auf "Dokumente und Zeugenaussagen vor deutschen Gerichten" berufen, wobei er ausdrücklich den "Auschwitzprozeß in Frankfurt" erwähnt [6].
Doch mag auch die Absicht, mit diesem Prozeß ein Stück Zeitgeschichte festzuschreiben, für den Ablauf des gesamten Verfahrens beherrschend gewesen sein und in der Gegenwart sogar weitgehend zu dem gewünschten Erfolg geführt haben, so wird sich -- auf die Dauer gesehen -- dieses Vorhaben gleichwohl als ein untauglicher Versuch erweisen. Denn letztlich ist und bleibt das Urteil der Historiker maßgebend für das, was einmal als historisch gesicherte Erkenntnis in die Geschichtswerke eingehen wird. Mythen werden kaum jemals zu historischen Tatsachen, und an dem im wesentlichen auf Legenden aufgebauten Auschwitzbild des Frankfurter Gerichtsverfahrens, mit dessen wichtigsten Grundlagen wir uns bereits in den vorhergehenden Kapiteln beschäftigten, wird sich eine um die historische Wahrheit bemühte Geschichtswissenschaft mit Sicherheit nicht orientieren. Unvoreingenommene Historiker, die jener Zeit nicht mehr unmittelbar verhaftet und daher frei von Emotionen sein werden, werden wahrscheinlich nur noch den Kopf schütteln oder entsetzt sein, wenn sie die Haltlosigkeit der im Auschwitz-Prozeß verwendeten Dokumente feststellen sowie den ganzen Unsinn und die Widersprüchlichkeit der Zeugenaussagen erkennen werden. Nicht einmal Langbein ist es gelungen, seinen doch sicherlich sehr sorgfältig redigierten Prozeßbericht von solchen Widersprüchen und Ungereimtheiten freizuhalten.
Die eben angedeutete kritische Distanz, die eine seriöse Geschichtswissenschaft den Ergebnissen und Grundlagen des Auschwitz-Prozesses und ähnlicher Gerichtsverfahren sicherlich einmal entgegenbringen wird, ist freilich von beamteten Historikern der Gegenwart noch nicht zu erwarten. Andernfalls würden sie ihre berufliche Stellung aufs Spiel setzen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist insoweit -- jedenfalls für Beamte -- eingeschränkt. Das gilt für deutsche Historiker diesseits und selbstverständlich auch jenseits der innerdeutschen Grenze. Doch ist die Außerachtlassung jenes Tabus auch für ausländische Historiker nicht risikofrei, wie der französische Historiker Professor Paul Rassinier und letzthin auch der US-amerikanische Professor Arthur R. Butz erfahren mußten [7]. Der britische Historiker der Universität London, der die Schrift "Did Six Million Really Die? " verfaßte, zog es vor, sich das Pseudonym Harwood zuzulegen. Und sehr treffend zeichnete jener amerikanische Historiker die Lage, der eine Studie mit dem Titel "The Myth of the Six Million" im Jahre 1969 als "Anonymous" herausgab. Er schrieb in der Einführung, daß die Notwendigkeit der Anonymität durch seine Stellung als "college professor" gegeben sei, was er auch zu bleiben beabsichtige, ebenso wie er auch eines Tages seine wohlverdiente Pension erhalten wolle [8].
So schweigen denn heute Historiker, die noch ernst genommen werden wollen, zum Thema Judenvernichtung im Dritten Reich. Oder sie halten sich in dem durch die Nürnberger Prozesse und die vorhergehende Kriegspropaganda vorgezeichneten Rahmen und versuchen dem Klischeebild durch den Hinweis auf Prozesse wie den Auschwitz-Prozeß einen größeren Anschein von Glaubwürdigkeit zu verleihen. Hierfür ist die in Heft 2 der "Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte" des Jahrgangs 1976 veröffentlichte Abhandlung von Arndt/Scheffler "Organisierter Isfassenmord an Juden in Nationalsozialistischen Vernichtungslagern" ein vortreffliches Beispiel [9]. Daran ändert auch nichts die grundsätzlich richtige Feststellung der Verfasser (aaO. Seite 115, Fußnote 20), daß "verantwortliche Geschichtsschreibung allein aufgrund von Gerichtsurteilen" nicht möglich sei. Denn sie haben sich selbst nicht daran gehalten, da sie sich z. B. hinsichtlich des Auschwitz-Komplexes im wesentlichen auf das Frankfurter Schwurgerichtsurteil und -- was auf dasselbe hinausläuft -- die durch dieses Urteil gewissermaßen sanktionierten Krakauer Höß-Aufzeichnungen berufen, die neben den fragwürdigsten Zeugenaussagen vom Gericht vorbehaltlos als Beweis akzeptiert wurden, obwohl den Richtern nur Fotokopien davon vorlagen.
Daß die soeben zitierte Feststellung von Arndt/Scheffler kaum mehr als ein Lippenbekenntnis ist, zeigen im übrigen schon die Vorbemerkungen Broszats zu ihrer Abhandlung. Er weist nämlich darauf hin, daß "die Justiz der Bundesrepublik gerade im Bereich der Vernichtungslager mit ihrem umfangreichen, viele Jahre lang tätigen Ermittlungsapparat zur Aufklärung dieses nationalsozialistischen Verbrechenskomplexes vielfach mehr geleistet" habe, als es "den Historikern möglich gewesen wäre". Und es ist erst recht bezeichnend, daß Broszat -- wie seine weiteren Ausführungen ergeben -- eine Widerlegung der revisionistischen Literatur zur Frage der Judenvernichtung von der bevorstehenden Veröffentlichung der wesentlichsten Ergebnisse jener Gerichtsverfahren aus dem "Bereich der Vernichtungslager" erwartet [10].
Damit wird freilich dem Institut für Zeitgeschichte, dessen Spezialgebiet ja gerade die Geschichte des Dritten Reiches ist und das unter der Leitung von Prof. Broszat steht, ein Armutszeugnis ausgestellt. Denn damit wird zugegeben, daß sich jene Historiker, die um den Nachweis der angeblichen Judenvernichtungen bemüht sind, mehr oder weniger auf die Ergebnisse der Strafprozesse gegen sog. NS-Gewaltverbrecher (NSG-Verfahren) angewiesen fühlen. Das ist um so bemerkenswerter. weil es zu den Binsenweisheiten gehören dürfte, daß die Feststellung historischer Sachverhalte nicht die Sache von Richtern ist, sondern ausschließlich in die Kompetenz der historischen Wissenschaft fällt. Die in den NSG-Verfahren tätigen Richter pflegen das auch meist zu betonen und ziehen deshalb zur Beurteilung des historischen Hintergrunds der Verfahren regelmäßig Sachverständige heran, auf deren Darlegungen sie sich mangels besseren Wissens bisher stets ohne weiteres verlassen haben. Bei den Sachverständigen aber handelt es sich, wie auch Broszat nicht unbekannt sein dürfte, gewöhnlich um Mitarbeiter jenes Instituts für Zeitgeschichte, dessen Direktor er zur Zeit ist. Es fällt schwer, hierüber keine Satire zu schreiben [11].--
Da es jedoch nun einmal eine Tatsache ist, daß heutzutage die Justiz sozusagen zum Eidhelfer für das gemacht wird, was man als "wissenschaftliche Erkenntnisse" über die angebliche Judenvernichtung auszugeben pflegt, erscheint es erforderlich, hier kurz die Erkenntnismethoden zu beleuchten, die für die Arbeit des Historikers einerseits und für die Feststellungen in einem gerichtlichen Strafverfahren andererseits maßgebend sind. Beide Arbeitsweisen sind durchaus verschieden, und so wird auch kein vernünftiger Mensch erwarten, daß Richter im Rahmen eines Strafprozesses historische Sachverhalte endgültig und verbindlich aufzuklären in der Lage sind, ganz abgesehen davon, daß der Strafprozeß einem anderen Zweck zu dienen hat.
Die Methodik der Geschichtswissenschaft besteht im wesentlichen aus Quellenforschung, vergleichender Quellenkritik, Quellenbewertung und schließlich zusammenfassender Darstellung des sich aus den Quellen ergebenden Geschehens. Die wirklichkeitsgetreue Zusammenschau und Darstellung geschichtlicher Ereignisse ist erst möglich, wenn alle verfügbaren Quellen -- wie z. B. schriftliche Dokumente, zeitgenössische Berichte, gegenständliche Relikte usw. -- gesammelt, nach ihrer Bedeutung gesichtet, miteinander verglichen und schließlich unter Berücksichtigung aller wesentlichen bekannten Tatsachen und Umstände bewertet worden sind. Das alles erfordert viel Zeit und mitunter auch besondere Spezialkenntnisse, kann also niemals von einem Gericht im Rahmen eines Strafprozesses geleistet werden.
Quellenforschung ist selbstverständlich eine unabdingbare Grundlage für die Geschichtswissenschaft. Sie war -- wie schon früher erwähnt wurde (vgl. oben S. 19-20) -- bisher kaum möglich, weil die beim Zusammenbruch des Reiches von den Alliierten geraubten deutschen Archivmaterialien bis zum heutigen Tage nicht vollständig zurückgegeben wurden und in der Regel nicht einmal der Aufbewahrungsort jener Dokumente bekannt ist, auf denen die alliierten Sieger in ihren gegen Deutsche durchgeführten Schauprozessen ihre Beschuldigungen aufbauten. Kein verantwortungsbewußter Historiker wird aber bei einem so schwerwiegenden Tatbestand wie der angeblichen Judenvernichtung darauf verzichten können, die diesem Vorwurf zugrunde liegenden Dokumente auch im Original zu prüfen, soweit sie ihm wesentlich erscheinen. Insbesondere aber wird sich die Quellenforschung noch auf solche Dokumente zu erstrecken haben, die bis heute zurückgehalten wurden. Denn das deutsche Archivmaterial wurde bisher nur unter dem Gesichtspunkt der Belastung Deutschlands gesichtet. Entlastende Dokunlente kamen nur durch Zufall an die Offentlichkeit.
Liegen alle wesentlichen Quellen offen, so ist im weiteren ihr kritischer Vergleich und ihre Bewertung unerläßlich. Den heutigen Historikern ist der Vorwurf zu machen, daß sie den ihnen bekannt gewordenen Quellen gegenüber diese kritische Distanz so gut wie überhaupt nicht gewahrt haben. Gerade auf dem Gebiet der Geschichte ist es nicht selten, daß dem Forscher gefälschtes Material untergeschoben wird. Deshalb kann auf eine Prüfung sowohl der formalen als auch der inhaltlichen Echtheit einer Quelle niemals verzichtet werden. Nimmt man jedoch zeitgeschichtliche Werke über die Judenvernichtung zur Hand, so ist davon nichts zu spüren, wenn auch mitunter -- wie z. B. bei den Höß-Niederschriften -- so getan wird, als habe man sich über die Echtheit der Quelle Gedanken gemacht. Darüber hinaus lassen die wichtigsten der bekannten Quellen zur Judenvernichtung unterschiedliche Interpretationen zu. Hinsichtlich der Auschwitz-Legende hat Butz überzeugend nachgewiesen, daß fast jede Einzeltatsache eine doppelte Bedeutung hat, d. h. sowohl einen völlig normalen Vorgang bezeichnete, aber auch wenn man dies wollte -- im Sinne der Legende gedeutet werden konnte [12].
Bei jeder Quelle ist also nicht nur zu fragen, ob sie auch wirklich das ist, wofür sie sich ausgibt; es ist sehr oft auch noch die Frage zu stellen, ob sie wirklich das aussagt, was man glaubt oder in sie hineinlegen möchte. Die Beantwortung beider Fragen erfordert umfassende Untersuchungen, Vergleiche und manchmal komplizierte Gedankenoperationen. Bei Verneinung dieser Fragen, deren jede auch auf einen Teil der Quelle bezogen werden kann, liegt im ersten Falle Fälschung, im zweiten Irrtum vor.
Die zusammenfassende Darstellung schließlich kann nur das Ergebnis dieser methodischen Forschungen sein, die hier nur sehr vereinfacht angedeutet werden konnten [13]. Erst dabei darf der persönlichen Auffassung in gewissen Grenzen Raum gegeben werden. Neudeutsche Historiker freilich -- das sei am Rande vermerkt -- pflegen umgekehrt vorzugehen, sobald das Dritte Reich in ihr Blickfeld gerät. Sie haben eine vorgefaßte, von der alliierten Umerziehung bestimmte Meinung, der sie Auswahl und Interpretation der Quellen unterordnen. Mit Geschichtswissenschaft hat das nichts zu tun.
Daß der Strafrichter weder von seiner Ausbildung her noch aus zeitlichen Gründen in der Lage ist, einen auch nur begrenzten zeitgeschichtlichen Sachverhalt in Anwendung der eben geschilderten historischen Methode zu klären und darzustellen, dürfte auf der Hand liegen. Seine Aufgabe ist grundsätzlich anderer Art als die des Historikers. Er hat einen zumeist eng begrenzten, strafrechtlich relevanten Tatbestand zu ermitteln und gegebenenfalls dem Gesetz entsprechend zu ahnden. Dabei gilt bekanntlich der Grundsatz "in dubio pro reo", der bedeutet, daß im Zweifelsfalle zugunsten des Angeklagten entschieden werden muß. Anders ausgedrückt: der Richter braucht einen mit den gerichtllchen Beweismitteln nicht auflklärbaren Tatbestand nicht in bestimmter Weise festzustellen, während der Historiker sich nicht der Aufgabe entziehen kann, so lange zu forschen, bis er das vollständige und nach seiner Überzeugung wirkliche Bild eines historischen Zeitabschnitts vor sich liegen hat. Es ist daher barer Unsinn, zu behaupten, die Ergebnisse irgendeines gerichtlichen Verfahrens hätten "gesicherte Erkenntnisse der Zeitgeschichte" zu Tage gefördert, wie das z.B. hinsichtlich des AuschwitzProzesses immer wieder geschieht. Völlig unverständlich ist es aber, wenn sogar Historiker, wie die erwähnten Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte, die Bestätigung ihrer Thesen in erster Linie in bestimmten Schwurgerichtsurteilen sehen. Das kann man nur mit Befremden zur Kenntnis nehmen.
Zur Aufklärung des Sachverhalts in einem Strafprozeß dient die Beweisaufnahme, die nach den Regeln der Strafprozeßordnung (StPO) erfolgt [14]. Dabei hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und ist nicht einmal an ein Geständnis des Angeklagten gebunden. Es hat die Beweisaufnahme auch grundsätzlich nur auf die Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung des ihm vorliegenden Falles von Bedeutung sind (§ 244 Abs. 2 StPO). Natürlich kann hierbei unter Umständen eine Aufklärung des Tathintergrundes erforderlich werden, um z. B. die eventuell für die Strafzumessung bedeutsamen Motive des Täters kennen zu lernen. Immer hat aber die einzelne Tat und nicht etwa ein zeitgeschichtlicher Sachverhalt im Vordergrund zu stehen, was in den NSG-Verfahren häufig -- besonders bei der Anhörung von Zeugen oder Sachverständigen -- nicht beachtet wird. Werden in einem Strafverfahren einmal zeitgeschichtliche Feststellungen getroffen, so können diese aber jedenfalls nicht als endgültige Erkenntnisse im Sinne der historischen Wissenschaft gelten. Schon die in einem Strafverfahren zur Verfügung stehende Zeit reicht regelmäßig nicht aus, um einen zeitgeschichtlichen Sachverhalt mit der erforderlichen Gründlichkeit nach den oben kurz erörterten historischen Methoden zu klären, abgesehen davon, daß den Richtern die hierzu erforderliche Ausbildung fehlt [15].
Nun ziehen allerdings die Gerichte gewöhnlich Sachverständige hinzu, soweit es nach Ansicht der Richter auf die Feststellung eines bestimmten zeitgeschichtlichen Sachverhalts ankommt. Auch der Sachverständige ist ein Beweismittel im Sinne der StPO. Gerade hieran wird aber erkennbar, daß die Gerichte keineswegs den Historikern ihre Arbeit abnehmen. Unsere neudeutschen "Historiker" hindert das freilich nicht, sich in ihren Arbeiten weitgehend auf die Urteile von Schwurgerichten in NSG-Prozessen zu berufen, in denen sie selbst zuvor als "Sachverständige" aufgetreten waren. Die Ansicht, deutsche Gerichte hätten "gesicherte Erkenntnisse" über Durchführung und Umfang der angeblichen Judenvernichtung im Dritten Reich zu Tage gefördert, mag zu einem nicht unwesentlichen Teil darauf beruhen.
Und noch ein Hinweis erscheint in diesem Zusammenhang angebracht. Den Gerichten wie den Historikern stehen -- wie neuerdings aus der Arbeit von Arndt/Scheffler "Organisierter Massenmord an Juden in nationalsozialistischen Vernichtungslagern" (vgl. oben Seite 283) wieder einmal deutlich wird -- keinerlei gegenständliche Anhaltspunkte für die angebliche Judenvernichtung zur Verfügung [16]. Wenn in den NSGProzessen zumeist trotzdem -- so auch im Auschwitz-Prozeß -- eine Ortsbesichtigung vorgenommen wird, so hat das also mit sachlicher Aufklärung kaum noch etwas zu tun. Eine bessere Fundierung des (wirklichen oder angeblichen) zeitgeschichtlichen Sachverhalts wird damit in keinem Fall erreicht.
Die Entdeckung der historischen Wahrheit in Strafprozessen wie den NSG-Verfahren muß aber nicht nur daran scheitern, daß der Zweck des Strafprozesses ein anderer ist und die darauf abgestellten richterlichen Erkenntnismethoden ungeeignet zur Aufklärung zeitgeschichtlicher Sachverhalte sind. Sie ist auch in der Regel unmöglich wegen der verschiedenen Interessenrichtungen der Prozeßbeteiligten, also des oder der Angeklagten, der Verteidiger, der Staatsanwälte und nicht zuletzt der Richter. Sie alle fördern durch ihr Zusammenwirken auf keinen Fall die Erkenntnis der historischen Wahrheit, sondern eher deren Verzerrung. So wird als Ergebnis des Verfahrens allenfalls eine Art von Prozeßwahrheit in bezug auf den historischen Hintergrund der dem einzelnen Angeklagten vorgeworfenen Handlung erreicht. Der Historiker mag Einzelheiten daraus nach sorgfältiger Überprüfung und nach gewissenhaftem Vergleich mit anderen Quellen brauchbar finden. Er würde jedoch seinen Ruf als Wissenschaftler aufs Spiel setzen, wenn er das in NSG-Verfahren gezeichnete historische Gesamtbild ohne weiteres als "gesicherte Erkenntnis" übernehmen würde. Denn keinem der Prozeßbeteiligten kommt es auf die Feststellung der historischen Wahrheit an. Sie verfolgen alle nur ihre höchstpersönlichen Interessen oder Aufgaben, die der historischen Wahrheitsfindung durchaus nicht dienlich sind.
Der Angeklagte eines jeden Strafprozesses ist natürlicherweise bestrebt, freigesprochen zu werden oder doch wenigstens mit einer möglichst geringen Strafe davonzukommen. Der schuldige Angeklagte versucht das durch Leugnen oder falsche Angaben zu erreichen. Reuige und geständige Übeltäter gehören zu den Seltenheiten der Kriminalgeschichte. Die Wahrheit spielt bei den Aussagen schuldiger Verbrecher meist überhaupt keine oder nur eine untergeordnete Rolle.
Doch auch der unschuldige Angeklagte bleibt durchaus nicht immer bei der Wahrheit, so z. B. wenn gewisse Indizien gegen ihn sprechen, die er durch ein falsches Alibi oder andere Unwahrheiten entkräften zu müssen glaubt.
Andererseits gibt es aber auch -- wie jeder Strafrechtspraktiker weiß zahlreiche Fälle in der Kriminalgeschichte, wo nachweisbar Unschuldige sich selbst eines Verbrechens bezichtigten, und zwar aus den verschiedensten Gründen [17]. Schon das erste deutsche Strafgesetzbuch, die Constitutio Criminalis Carolina von 1532, bestimmte deshalb in Artikel 54, daß der Richter den Angeschuldigten nach solchen Umständen fragen solle, die kein Unschuldiger wissen könne [18]. Mag dieser Bestimmung auch die Tatsache zugrunde gelegen haben, daß damals Geständnisse noch vielfach durch die Folter erpreßt wurden, so ist doch gleichwohl ihre Aufnahme in ein kaiserliches Strafgesetzbuch bemerkenswert. Ausschließlich psychologische Erkenntnisse werden jedoch vor rund 150 Jahren den damals berühmten Strafrechtslehrer Carl Joseph Anton Mittermaier zu der Forderung bewogen haben, daß auch Geständnisse auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden müßten. Er führte hierzu in seinem Buch "Die Lehre vom Beweise im deutschen Strafprozeß" u. a. aus [19]:
"Vorzüglich aber sucht der prüfende Verstand, der die höchste Wahrheit ausmitteln vill, noch einen Überzeugungsgrund von der Wahrheit des Geständnisses darin, daß die eingestandenen Tatsachen auf andere Art sich ergeben und daß der Gestehende Umstände angibt, die außer dem Verbrecher niemand wissen kann, von denen man daher auch nicht begreifen könnte, wie sie ein Unschuldiger wissen sollte."
Heute ist in der forensischen Psychologie unbestritten, daß Geständnisse nicht immer, zumindest aber nicht in allen Punkten der Wahrheit entsprechen müssen. Die in NSG-Verfahren tätigen Richter kümmern sich allerdings kaum darum. Sie nehmen in der Regel jede Äußerung der Angeklagtenn die in den vorgezeichneten Rahmen paßt, geradezu mit Erleichterung entgegen, ohne sich über deren Wahrheitsgehalt auch nur die geringsten Gedanken zu machen.
In den NSG-Verfahren ist der geschichtliche Hintergrund aus der Sicht des Angeklagten, sei er nun schuldig oder nichtschuldig, im allgemeinen unwichtig. Er wird daher gerade insoweit um so leichter geneigt sein, es mit der Wahrheit -- falls er sie überhaupt kennt -- nicht besonders genau zu nehmen und das zu bestätigen, was man von ihm hören will. Das ist menschlich verständlich und wurde -- wie wir wissen -- auch in den Nachkriegsprozessen der Alliierten schon so gehandhabt [20]. Hinzu kommt, daß die Angeklagten der NSG-Verfahren angesichts aller Umstände von vornherein den Eindruck gewinnen müssen, daß es völlig zwecklos ist, die zumeist schon lange vor Prozeßbeginn in der Öffentlichkeit verbreiteten Darstellungen über Massenmorde an Juden, an denen sie beteiligt gewesen sein sollen, als solche zu bestreiten oder auch nur abzuschwächen. So muß es ihnen am zweckmäßigsten erscheinen, die behaupteten Morde nicht in Frage zu stellen, wohl aber ihre eigene Beteiligung daran. Ist ihr eigenes Alibi dann auch nur einigermaßen brauchbar, so dürfen sie des Wohlwollens der Richter sicher sein. Darin und in dem sich daraus ergebenden Freispruch liegt im allgemeinen das ausschließliche Interesse des Angeklagten.
Es kann nicht zweifelhaft sein, daß dieses Prozeßverhalten wohl der meisten Angeklagten in nicht wenigen Fällen sogar auf den Rat ihrer Verteidiger zurückzuführen ist. Bei diesen besteht naturgemäß die gleiche Interessenrichtung. Jeder Verteidiger ist selbstverständlich bestrebt für seinen Schützling mit allen Mitteln einen Freispruch oder doch wenigstens eine möglichst niedrige Strafe herauszuholen. Hierbei kommt es -- neben der Herausstellung aller entlastenden Tatsachen -- darauf an, das Gericht und vielleicht sogar die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten günstig zu stimmen, auf jeden Fall aber eine Verärgerung dieser für die Entscheidung maßgebenden Justizorgane zu vermeiden. Laternser zufolge soll es im Auschwitz-Prozeß zumindest in einem Fall sogar vorgekommen sein, daß ein Verteidiger dem von ihm vertretenen Angeklagten geraten hatte, wider besseres Wissen ein Teilschuldgeständnis abzugeben, um dem Gericht "goldene Brücken" zu bauen [21]. Das muß nun allerdings geradezu als ungeheuerlich angesehen werden und ist mit den Standespflichten eines Rechtsanwalts auch wohl kaum zu vereinbaren. Es kann eigentlich nur damit erklärt werden, daß der betreffende Rechtsanwalt insgeheim selbst von der Schuld dieses Angeklagten überzeugt war. Daß aber wohl jeder Verteidiger in einem NSG-Verfahren aus den erwähnten Gründen den zeitgeschichtlichen Rahmen des Prozesses nicht in Frage stellen wird, dürfte selbstverständlich sein, zumal da die meisten von ihnen selbst von der Judenmordlegende überzeugt sein werden. Schon deshalb werden sie auf die Angeklagten entsprechend einzuwirken versuchen. Ausnahmen bestätigen hier wie immer die Regel.
So hat also auch der Verteidiger in NSG-Prozessen im allgemeinen nicht das geringste Interesse an der Feststellung irgendeiner historischen Wahrheit. Er ist nicht einmal dazu verpflichtet, einen Beitrag zur Aufklärung jenes begrenzten Sachverhalts zu leisten, der dem von ihm vertretenen Angeklagten zum Vorwurf gemacht wird. Er kann und wird sich daher in seinem Vorbringen auf das beschränken, was seinem Mandanten günstig ist, diesem aber zumindest nicht schadet. Er wird auch die erhobenen Beweise ausschließlich zugunsten des Angeklagten würdigen. Auf jeden Fall kann es ihm völlig gleichgültig sein, wie es sich mit dem historischen Hintergrund der angeklagten Taten in Wirklichkeit verhält, sofern er nur nachweisen oder doch wenigstens Zweifel daran erwecken kann, daß der Angeklagte persönlich nicht daran beteiligt war. Denn dann müßte dieser jedenfalls nach dem prozeßrechtlichen Grundsatz "in dubio pro reo" freigesprochen werden. Diese die zeitgeschichtliche Wahrheit eher verdunkelnde Prozeßtaktik dürfte die Regel sein, da sie auch die wenigsten Schwierigkeiten bietet.
Umgekehrt liegt die Interessenrichtung bei der Staatsanwaltschaft. Ihr sollte allerdings -- wie dem Gericht -- in erster Linie die Wahrheitsfindung am Herzen liegen, wie es das geltende deutsche Strafprozeßrecht sogar fordert. Auch hören es deutsche Staatsanwälte nicht ungern, wenn man ihre Behörde als die "objektivste Behörde der Welt" bezeichnet. Nach § 160 Abs. 2 StPO ist die Staatsanwaltschaft nämlich verpflichtet, nicht nur die zur Belastung, sondern auch die der Entlastung des Beschuldigten dienenden Umstände zu ermitteln. Im Volk ist allerdings, wenn man sich umhört, eher der Glaube zu finden, daß der Staatsanwalt nur darauf ausgehe, die Verurteilung des Beschuldigten zu erreichen. Das ist nun freilich in dieser Allgemeinheit sicher nicht richtig. Doch gelten in den NSG-Verfahren ganz offensichtlich besondere Grundsätze, wie jeder, der einmal einem solchen Verfahren selbst beigewohnt hat, zugeben wird.
Diese Tatsache hat verschiedene Gründe. Selbstverständlich sind auch Staatsanwälte nicht von den zeitgeschichtlichen Vorurteilen frei, die der deutschen Öffentlichkeit durch jahrzehntelange Propaganda eingeimpft wurden. Damit aber ist bereits die Grundlage für eine höchst einseitige Beurteilung des einzelnen Beschuldigten gelegt. Auch darf nicht übersehen werden, daß der Staatsanwalt ein weisungsgebundener Beamters also von den in diesem Staat wirksamen politischen Kräften abhängig ist. Deren Einstellung aber bedarf keiner Erläuterung. Sie leben gewissermaßen von einer permanenten Verteufelung jenes Regimes, das sie nach dem Zusammenbruch des Reichs auf Anordnung der Besatzungsmächte ablösen durften. Daran hat sich im Verlauf der nachfolgenden Jahrzehnte nichts geändert. So meint sicherlich mancher in NSG-Verfahren tätige Staatsanwalt nicht ganz zu Unrecht, daß möglicherweise seine Beförderung mit davon abhängig sein könnte, ob es ihm gelingt, möglichst zahlreiche "NS-Verbrecher" zu "überführen". Es ist also in diesen Prozessen das vom Gesetz geforderte Bemühen, auch den Beschuldigten entlastende Umstände ausfindig zu machen und zur Geltung zu bringen, auf Seiten der Staatsanwaltschaft erkennbar kaum vorhanden. In jedem Fall aber wird von den Staatsanwälten der zeitgeschichtliche Hintergrund der Verfahren widerspruchslos so akzeptiert, wie er von den Hintermännern dieser ausschließlich politisch inspirierten Prozesse festgelegt worden ist. Und damit kommen wir zu einer Besonderheit im Bereich der Staatsanwaltschaft, wie sie nur auf dem Gebiet der NSG-Verfahren zu finden ist.
Gemeint ist die Einrichtung der "Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Auflklärung nationalsozialistischer Verbrechen" kurz "Zentrale Stelle" genannt -- in Ludwigsburg, die im Herbst 1958 auf Grund eines entsprechenden Beschlusses der Konferenz der Landesjustizminister und -senatoren der deutschen Bundesländer eingerichtet wurde und am 1. Dezember 1958 ihre Tätigkeit aufnahm. Nach den Angaben des derzeitigen Leiters dieser im föderativen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland nicht recht einzuordnenden Dienststelle, des Oberstaatsanwalts Dr. Adalbert Rückerl, ist ihre Aufgabe die umfassende und systematische Auflklärung der sogenannten NS-Gewaltverbrechen, d. h. der angeblich von den Einsatzgruppen des SD oder in den Konzentrationslagern begangenen Gewalttaten und Tötungsaktionen [22]. Der Charakter dieser unter starkem politischem Druck entstandenen Sonderstaatsanwaltschaft, die institutionell und funktionell auf rechtlich schwankendem Boden steht [23], bedingt geradezu eine völlig einseitige "Auflklärung" der genannten Tatbestände, wie sich unschwer dem von Rückerl herausgegebenen Buch "NS-Prozesse" entnehmen läßt.
Da ist zunächst die Tatsache zu erwähnen, daß das "Dokumentenmaterial", aus dem die Staatsanwälte der Zentralen Stelle die sachlichen Grundlagen für die Anklageerhebung zusammenbasteln, vor allem aus den "Archiven" -- richtiger wäre wohl "Fälscherwerkstätten" -- des Ostblocks stammt [24]. Aber auch mit -- wie Rückerl es ausdrückt -- "zuständigen Stellen" westlicher Länder und "nichtzuletzt mit Israel" entwickelte sich eine "rege Zusammenarbeit". Von Mitarbeitern der Zentralen Stelle wurden zahlreiche Reisen in diese Länder unternommen, um belastende Dokumente aufzuspüren [25]. Bezeichnend ist auch, daß ein Sachbearbeiter der Zentralen Stelle mit sichtlicher Zufriedenheit vermerkt, er habe "wichtige Beweismittel" in der Stadt Ludwigsburg selbst entdeckt: das 42 Bände umfassende Werk "Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher", das die Besatzungsmächte seinerzeit "großzügig an die deutsche Justiz bis hinab zu den Amtsgerichten" verteilt hätten [26]. Es handelt sich um die Nürnberger IMT-Protokolle, mit denen wir uns schon an verschiedenen Stellen dieser Arbeit auseinandersetzten.
So machte man sich also auf der Suche nach Belastungsmaterial vollständig von jenen Kräften abhängig, die ideologisch und finanziell daran interessiert waren und sind, dem deutschen Volk möglichst zahlreiche Verbrechen an anderen Völkern -- besonders den Juden -- anzuhängen. Eine große Hilfe sieht die Zentrale Stelle dabei in den Veröffentlichungen des jüdischen historischen Instituts in Warschau und des Instituts Yad Washem in Jerusalem [27]. Es ist unter diesen Umständen beinahe selbstverständlich, daß in Rückerls Buch auch die Nürnberger IMT-Prozesse gerechtfertigt werden [28]. Im Grunde arbeitet die Zentrale Stelle ja auch nach den damals von den alliierten Anklagebehörden entwickelten Methoden weiter. Wie zu jener Zeit auf der Grundlage der durch die Greuelpropaganda vorgegebenen Tatkomplexe die größte Menschenjagd der Weltgeschichte [29] durchgeführt wurde, so suchten die Staatsanwälte der Zentralen Stelle zu Beginn ihrer Arbeit zunächst in der entsprechenden Literatur nach Ansatzpunkten für ihre Ermittlungen und überprüften sodann systematisch alle Angehörigen der ehemaligen deutschen Dienststellen, die für die in der Literatur behaupteten Verbrechenin Betracht kamen [30]. Für ihre Menschenjagd standen ihnen z. B. im Jahre 1965 rund 200 Kriminalbeamte zur Verfügung, die in Sonderkommissionen zusammengefaßt hauptamtlich und ausschließlich dieser Tätigkeit oblagen [31]. Inzwischen wird sich die Zahl noch erhöht haben, so daß es kein Wunder ist, wenn die Aufldärungsquote bei den gegenwärtig begangenen Verbrechen beständig sinkt. Erst nach "Klärung des wesentlichen Sachverhalts" erfolgt die Abgabe der Sache an die eigentlich zuständigc Staatsanwaltschaft, die sich natürlich an das Ergebnis des Vorermittlungsverfahrens gebunden fühlen muß. Die Frage der Zuständigkeit steht also nicht am Anfang, sondern am Ende der Ermittlungen [32]. Die Zugehörigkeit zu der in irgendeinem Teil der Greuelliteratur belasteten Organisation oder Dienststelle reicht als Tatverdacht zunächst vollkommen aus. Und sind erst einmal Namen bekannt, so finden sich selbstverständlich auch genügend Zeugen, die die betreffenden Namensträger "einwandfrei" als Mörder an mindestens einigen Tausend Juden wiedererkennen und das sogar auf ihren Eid nehmen. Die von den Ermittlungsbeamten aufgenommenen Fotografien der "Mörder" unterstützen erforderlichenfalls das Gedächtnis der "Zeugen", das regelmäßig durch den Zeitablauf kaum getrübt ist [33].
Wiederholt kommt in Rückerls Buch auch zum Ausdruck, daß die Aneignung entsprechender zeitgeschichtlicher Kenntnisse für die Staatsanwälte der Zentralen Stelle ganz wesentlich war, weil -- so Rückerl -- "gerade bei der Beurteilung eines NS-Verbrechens... die Tat... in ihrem historischen Zusammenhang zu sehen" sei [34]. Was dabei dann herauskommt, wird besonders in dem Beitrag von Oberstaatsanwalt Manfred Blank deutlich. Er gibt unter anderem aus einem Urteil des Schwurgerichts Düsseldorf die Darstellung der "Gaskammern" von Treblinka wieder, die ihrerseits vermutlich auf entsprechende "Feststellungen" der Zentralen Stelle zurückgeht. Danach gab es dort "6 oder 10 Räume" dieser Art mit dem "ungefähren Maß von 8 x 4 x 2 Metern", die "je 400 bis 700 Menschen faßten" [35]. Abgesehen von der bemerkenswerten "Genauigkeit" dieser Feststellungen kann man, wenn man das liest, den Mitarbeitern der Zentralen Stelle ebenso wie den abschreibenden Richtern nur empfehlen, zunächst einmal den offenbar in der Schule versäumten Rechenunterricht nachzuholen, bevor sie noch einmal solche "Erkenntnisse" niederlegen. Denn wenn man in einen Raum von rund 32 m2 Grundfläche und 2 m Höhe, der den angegebenen Maßen entsprechen würde, auch nur 400 Menschen pressen will, so kämen fast 13 Menschen auf den Quadratmeter: eine glatte Unmöglichkeit. Weitere ähnliche Beispiele für die Abwegigkeit und Unsinnigkeit der Arbeitsergebnisse der Zentralen Stelle könnten angeführt werden, doch mag es hierbei bewenden.
Bei der vorstehend skizzierten Arbeitsweise und Einstellung der Zentralen Stelle, die den Anklagevertretern in den einzelnen NSG-Prozessen die Unterlagen für ihre Anklage liefert, wäre es wirklichkeitsfremd, anzunehmen, daß auch nur ein einziger Staatsanwalt in einem solchen Prozeß einen sachdienlichen und historisch verwertbaren Beitrag zum zeitgeschichtlichen Hintergrund des Verfahrens leisten kann. Wegen ihrer bereits erwähnten Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit werden diese Staatsanwälte auch kaum ein Verlangen danach verspüren und sich daher um so lieber ausschließlich auf das Material verlassen, das ihnen die Zentrale Stelle zur Verfügung gestellt hat.
Die Aufgabe der in NSG-Verfahren tätigen Richter schließlich besteht allein darin oder sollte doch ausschließlich darin bestehen, festzu stellen, ob der einzelne Angeklagte durch das ihm vorgeworfene Verhalten die Merkmale eines strafgesetzlichen Tatbestandes erfüllt hat und deshalb zu bestrafen ist. Auf eine Feststellung des gesamten zeitgeschichtlichen Hintergrundes kommt es dabei grundsätzlich überhaupt nicht an. Daß die Richter sich nicht immer daran halten, werden wir am Beispiel des Auschwitz-Prozesses noch sehen. Es wäre jedoch wiederum wirkdichkeitsfremd, zu erwarten, daß sie sich trotz ihrer verfassungsmäßig garantierten Unabhängigkeit der "verordneten historischen Wahrheit", wie sie auch ihnen von der Zentralen Stelle -- unterstützt von einseitig festgelegten Zeugen und "Sachverständigen" -- geliefert wird, entziehen könnten. Auch Richter sind Menschen, die weder ihr Amt noch ihr berufliches Fortkommen aufs Spiel setzen wollen. Sehr oft tragen sie aber auch geistige Scheuklappen, da eine jahrzehntelange gezielte Diffamierung einer ganzen Epoche der deutschen Geschichte bei ihnen ebenfalls nicht ohne Wirkung geblieben ist.
Die vorstehenden Überlegungen zeigen, daß Strafprozesse zur Feststellung zeitgeschichtlicher Vorgänge und Zusammenhänge schon aus allgemeinen, in der Natur der Sache liegenden Gründen nicht geeignet sind. Bei weitgehend politisch bestimmten Strafprozessen wie den NSG-Verfahren gilt das natürlich erst recht. Denn es liegt auf der Hand, daß hier von den weisungsgebundenen Anklagebehörden nicht die historische Wahrheit, sondern eine "politische Wahrheit" angestrebt wird, der Angeklagte und Verteidiger aus Selbsterhaltungsgründen kaum zu widersprechen wagen. Da ferner die Richter aus den verschiedensten Gründen zeitgeschichtlich sozusagen "vorprogrammiert" sind, ist mithin von solchen Prozessen -- selbst bei strengster und sorgfältigster Wahrung eines justizförmigen Ablaufs, worauf man in der Regel selbstverständlich Bedacht nimmt -- die Feststellung von für die historische Wissenschaft maßgebenden Sachverhalten nicht im geringsten zu erwarten. Im Gegenteil ist der zeitgeschichtliche Hintergrund dieser Strafprozesse schon lange vor Prozeßbeginn -- nicht zuletzt durch die Massenmedien vollkommen fixiert und beinhaltet bereits eine weitgehende Wahrscheinlichkeit der den Angeklagten gemachten Vorwürfe [36]. Mindestens aber dient er dazu, die besondere Verwerflichkeit der den Angeklagten zur Last gelegten Handlungen zu unterstreichen. Werden solche politisch bestimmten Strafprozesse wie die NSG-Verfahren aber ausschließllch oder doch überwiegend gerade wegen des zeitgeschichtlichen Hintergrunds durchgeführt, um diesen einer noch zweifelnden Öffentlichkeit als unumstößliche Wahrheit zu präsentieren und vielleicht sogar den blsher insoweit erfolglosen Historikern "Beweisunterlagen" zuzuspielen, so geraten sie zweifellos in die Nähe eines Schauprozesses, bei dem der Angeklagte nur noch Mittel zum Zweck ist.
Unter einem Schauprozeß ist ein Gerichtsverfahren mit politischem Demonstrationseffekt vor einer breiten Öffentlichkeit zu verstehen. Gewöhnlich verbindet man den Begriff mit den politischen Säuberungen in der Sowjetunion während der 20er und 30er Jahre. Es ist jedoch falsch, ihn nur in diesem Sinne zu verstehen und allein auf kommunistische Herrschaftssysteme zu beziehen, wie das häufig geschieht. Ein Schauprozeß braucht nicht nur der Ausschaltung mißliebiger Personen zu dienen, er kann auch daneben oder ausschließlich den Zweck haben die Bevölkerung einzuschüchtern oder in einem bestimmten Sinn zu beeinflussen. Wesentlich an solchen Verfahren ist eben, daß mit ihnen an sich rechts -- und justizfremde, in der Regel politische Zwecke in der Form eines vor breitester Öffentlichkeit durchgeführten äußerlich justizmäßigen Verfahrens verfolgt werden. Solche Prozesse haben zu allen Zeiten und unter den verschiedensten Regierungssystemen stattgefunden. Sehr häufig, doch keineswegs immer, sind sie durch im Wege der Folter oder Gehirnwäsche erpreßte Schuldgeständnisse der Angeklagten gekennzeichnet. Daß auch sogenannte demokratische Regierungen Schauprozesse zu inszenieren verstehen, haben die westlichen Alliierten nach dem 2. Weltkrieg auf deutschem Boden zur Genüge unter Beweis gestellt [37].
Die zu Beginn dieses Kapitels angeführten Zitate legen schon den Verdacht nahe, daß auch mit dem Frankfurter Auschwitz-Prozeß nichts anderes als ein Schauprozeß beabsichtigt war. Ob die beteiligten Richter und Staatsanwälte sich dessen bewußt waren, ist dabei nicht entscheidend. Es soll hier nicht angezweifelt werden, daß sie alle subjektiv durchaus der Meinung gewesen sein mögen, an einem "ganz normalen Strafprozeß" mitzuwirken. Möglicherweise sind sie unbewußt zu rechtsfremden Zwecken mißbraucht worden. Das alles mag sein, wie es will. Die Frage jedoch, ob der Auschwitz-Prozeß zumindest den Charakter eines Schauprozesses hatte und einem solchen auch in seinen Wirkungen gleichkam, ist nicht unwichtig. Ihre Bejahung könnte der schon gewonnenen Erkenntnis, daß Strafprozesse wie die NSG-Verfahren als zeitgeschichtliche Erkenntnisquelle bedeutungslos sind, speziell für den Auschwitz-Prozeß weiteres Gewicht verleihen.
Wir wollen daher im folgenden Abschnitt noch im einzelnen untersuchen, wie dieser Prozeß durchgeführt wurde und welche Folgerungen daraus zu ziehen sind.