II. DER AUSCHWITZ-PROZESS -- EIN SCHAUPROZESS?
A. Die Vorgeschichte
Der in seiner Bedeutung wohl einmalige Auschwitz-Prozeß entwickelte sich aus einer fast banal zu nennenden Episode. Am 1. März 1958 erstattete ein ehemaliger Auschwitz-Häftling namens Adolf Rögner, der damals in der Strafanstalt Bruchsal einsaß, Strafanzeige gegen den früheren SS-Oberscharführer Wilhelm Boger wegen angeblich im KL Auschwitz begangener Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Darstellung von Bernd Naumann zufolge befand sich Rögner zur Zeit seiner Strafanzeige in Untersuchungshaft und war über die Beschlagnahme für ihn bestimmter Medikamente verärgert; seiner diesbezüglichen Beschwerde an die Staatsanwaltschaft Stuttgart soll er die Anzeige gegen Boger beigefügt haben [38]. Langbein dagegen bezeichnet den Anzeigeerstatter in seiner Dokumentation "Der Auschwitz-Prozeß" als Strafgefangenen. Er nennt einen unmittelbaren Anlaß für die Strafanzeige nicht und bemerkt lediglich, der Auschwitz-Prozeß sei also nur "durch einen Zufall ausgelöst" worden [39].
Beide Erklärungen sind ziemlich unwahrscheinlich. Tatsächlich dürfte die Strafanzeige Rögners, die letztlich sehr weitreichende und noch über den Auschwitz-Prozeß hinausgehende Folgen haben sollte, weder auf einer Verärgerung Rögners noch auf einem reinen Zufall beruhen. Denn es gibt Anhaltspunkte dafür, daß gewisse Mächte im Hintergrund, die aus verschiedenen Gründen ein erhebliches Interesse an einer andauernden und möglichst sogar noch erweiterten Verfolgung sog. NS-Gewaltverbrechen hatten Rögner als ehemaligen Auschwitz-Häftling zu seiner Anzeige veranlaßten.
Schon der von Langbein mitgeteilte Inhalt der Strafanzeige Rögners läßt erkennen, daß dahinter eine interessierte Organisation stand. Denn sie enthält Tatsachen, die zu ermitteln die Möglichkeiten eines Einzelnen und noch dazu eiries Gefängnisinsassen überschreiten mußte. So teilte Rögner darin u. a. mit, daß der von ihm angezeigte Boger im Jahre 1946 aus einem im "War Crimes Camp 29 Dachau" zusammengestellten "Auslieferungstransport nach Polen" geflüchtet sei und sich danach bis zum Jahre 1948 in Unterrath bei Schwäbisch Hall versteckt gehalten habe Auch den augenblicklichen Wohnort und Arbeitsplatz Bogers NVußte Rögner,anzugeben Und wahrscheinlich zur Erklärung des Umstandes, daß die Anzeige erst jetzt erfolgte, leitete er seine Angaben mit dem Satz ein: "Ich habe nunmehr folgendes in Erfahrung gebracht."
Insbesondere dieser Satz bestätigt, daß Rögner Hintermänner hatte, die ihn zu seiner Anzeige bestimmt hatten. Denn ein Untersuchungsoder Strafgefangener kann nicht auf eigene Faust Ermittlungen über den Aufenthaltsort einer anderen Person und deren früheres Schicksal anstellen, ganz abgesehen davon, daß er in seiner Lage wohl andere Sorgen hat.
Aus der Anzeige wird aber zugleich auch ihre Quelle deutlich, weil Rögner hinsichtlich des Beweismaterials für seine Behauptungen auf drei Institutionen verweist: auf das Internationale Auschwitz-Komitee in Wien, auf den Zentralrat der Juden in Düsseldorf-Benrath und schließlich noch auf das Archiv des polnischen Auschwitz-Museums. Der kleine Kriminelle Rögner würde von diesen Institutionen sicher nichts gewußt haben, wenn nicht diese oder jedenfalls eine von ihnen selbst an ihn herangetreten wären. Vermutlich war das Internationale Auschwitz-Komitee mit seinem in der Anzeige namentlich erwähnten "Generalsekretär" Hermann Langbein insoweit federführend. Denn Langbein sollte von nun ab ohnehin einer der maßgebenden "Dirigenten" bei der Vorbereitung und Durchführung des Auschwitz-Prozesses werden. Jedenfalls erhielt das Internationale Auschwitz-Komitee durch Rögner eine Abschrift der Anzeige [40]. Es ist übrigens wahrscheinlich, daß diese drei Institutionen ihrerseits wieder von einer übergeordneten jüdischen Zentrale gesteuert wurden. Das Internationale Judentum hat viele Arme [41].--
Zweifellos wurde Rögner also von diesen Hintergrundkräften nur vorgeschoben, um die in den 50er Jahren beständig zurückgehende Verfolgung ehemaliger Nationalsozialisten [42] wieder in Schwung zu bringen. Er kann nicht aus eigener Initiative gehandelt haben, zumal da er nach dem sonstigen Inhalt seiner Anzeige offensichtlich selbst keine Kenntnis von bestimmten Verbrechen in Auschwitz hatte, wo er nach eigenen Angaben vom 6.Mai 1941 bis 16. Januar 1945 -- vermutlich als krimineller Gewohnheitsverbrecher -- festgehalten worden war. Seine gegen Boger erhobenen Beschuldigungen sind völlig vage und gänzlich unsubstantiiert. Dem entspricht es, daß dieser Adolf Rögner, den Langbein übrigens in seiner Prozeßdokumentation bemerkenswerterweise nur mit den Initialen A.R. bezeichnet, in keinem der Bücher über Auschwitz oder den Auschwitz-Prozeß als Zeuge für irgendein bestimmtes Verbrechen erwähnt wird.
Die Gründe, aus denen heraus die an einer weiteren NS-Verfolgung interessierten Kreise damals in dieser Weise aktiv wurden, sind rasch aufgezählt. Bald nach Beendigung der von den Besatzungsmächten mit zum Teil unmenschlichsten Methoden durchgeführten "Kriegsverbrecher"-prozesse waren die angeblichen NS-Untaten im deutschen Volk schnell in Vergessenheit geraten. Die Mehrheit der Deutschen hatte ohnehin nicht recht daran geglaubt; zumindest bestanden hinsichtlich des behaupteten Umfangs der Judenvernichtung erhebliche Zweifel. Die nicht unbekannt gebliebenen Grausamkeiten der Alliierten gegenüber inhaftierten deutschen "Kriegsverbrechern", die barbarischen Strafen für niemals bewiesene Taten [43] und nicht zuletzt die von "Deutschen" gegen Deutsche durchgeführten Spruchkammerverfahren (sog. Entnazifizierung), die in fast jede deutsche Familie eingriffen, hatten zudem in weiten Bevölkerungskreisen einen hohen Grad von Erbitterung, ja sogar Sympathie mit den Opfern dieser Rachejustiz ausgelöst. Man wollte von diesen Dingen einfach nichts mehr hören und sehen. So wurde die NS-Verfolgung von Tag zu Tag unpopulärer, und zwar um so mehr, weil auch die Zweifel an den Judenmorden wuchsen, als in der zweiten Hälfte der 50er Jahre nicht mehr bestritten werden konnte, daß die nach dem Zusammenbruch des Reichs vor allem in Dachau, aber auch in anderen ehemaligen KL vorgezeigten "Gaskammern" während der Zeit des Dritten Reiches niemals existiert hatten. Angesichts dieser Tatsache war es kein Wunder, daß sich sogar Stimmen meldeten, die auch die von Kanzler Adenauer eingeleitete finanzielle "Wiedergutmachung" an Israel beendet sehen wollten [44].
Vor allem dieser zuletzt genannte Umstand war es wohl, der alle diejenigen unruhig werden ließ, die von der deutschen Niederlage und der Sechs-Millionen-Lüge profitierten und auch weiterhin profitieren wollten. Die politische und finanzielle Erpreßbarkeit des deutschen Volkes drohte in Gefahr zu geraten. Man mußte deshalb nach Wegen suchen, beides zu erhalten. Alle Feinde Deutschlands, insbesondere aber das Weltjudentum, mußten sich hierzu aufgerufen fühlen.
Bei der fast sprichwörtlichen Autoritätsgläubigkeit der Deutschen lag es nahe, zu diesem Zweck nunmehr die deutsche Justiz massiv einzuschalten und ihre Gerichte zur neuerlichen Begründung eines Schuldkomplexes zu mißbrauchen. Die Justizbehörden hatten bislang keinen Anlaß gesehen, von sich aus angebliche NS-Untaten zu verfolgen. Sie Wurden allenfalls auf Grund von Anzeigen gegen bestimmte Einzelpersonen tätig. Solche Prozesse hatten in der Regel nicht mehr und nicht weniger Publizität als normale Strafprozesse [45]. Außerdem war die Zuständigkeit deutscher Gerichte auf Vorkommnisse im ehemaligen Reichsgebiet beschränkt, solange die Alliierten selbst "Kriegsverbrecherprozesse" durchführten [46]. Da sich aber inzwischen herausgestellt hatte, daß hier von nennenswerten Verbrechen kaum die Rede sein konnte, kam es nun darauf an, die angeblichen deutschen Greueltaten in den ehemals besetzten Ostgebieten um so mehr in das allgemeine Bewußtsein zu rücken, wenn man sich die deutsche Unterwürfigkeit erhalten wollte. Mit gewöhnlicher Greuelpropaganda allein, die sich schon weitgehend als trügerisch erwiesen hatte. war das aber nicht zu erreichen, was die maßgebenden Kreise offenbar sehr bald erkannten. Entsprechende Feststellungen deutscher Gerichte, die bei der Masse des Volks unbedingte Autorität genießen, mußten aber -- so kalkulierte man sicher nicht ganz zu Unrecht -- besonders tief ins Bewußtsein der Deutschen eindringen und immer noch bestehende Zweifel über Judenvergasungen und andere Unmenschlichkeiten endgültig ausräumen.
Sicherlich war es auch kein Zufall, daß die Ingangsetzung der deutschen Justizmaschinerie in ihrem ganzen Umfang zielstrebig erst im Jahre 1958 in Angriff genommen wurde. Zu jener Zeit war nämlich gerade das ehemalige KL Auschwitz besichtigungsreif geworden, jenes KL also, das nunmehr zum Zentrum der Judenvernichtungslegende werden sollte. Auch war es in diesem Jahr soweit. daß die angeblichen Krakauer Höß-Aufzeichnungen in einer "wissenschaftlichen Edition" des Münchener Instituts für Zeitgeschichte der Öffentlichkeit präsentiert werden konnten. Besonders hiermit ließen sich bei den zeitgeschichtlich unbedarften deutschen Justizbehörden "brauchbare" Vorurteile erzeugen. da naturgemäß kein Staatsanwalt und kein Richter die wissenschaftlicht Glaubwürdigkeit der teilweise im Professorenrang stehenden Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte anzuzweifeln wagte. Damit aber waren alle Grundlagen für den Beginn einer neuen Verfolgungswelle geschaffen.
Eine wichtige Frage bleibt noch zu beantworten, nämlich die, warum sich die Hintermänner der NS-Verfolgung zur Verwirklichung ihres Vorhabens ausgerechnet eines wiederholt vorbestraften Mannes bedienten, bei dem von vornherein damit gerechnet werden mußte, daß el mit seinen Beschuldigungen bei den Behörden wenig Glauben finden würde. Man hätte für seine Ziele sicherlich auch einen "seriöseren" Anzeigeerstatter einspannen oder die Anzeige sogar selbst erstatten können. So aber wurde die Angelegenheit -- wie zu erwarten war -- durch die zuständige Staatsanwaltschaft zunächst recht zurückhaltend behandelt und kaum etwas veranlaßt.
Indessen scheint gerade das zum Plan gehört zu haben. Um das zu erkennen, muß man sich nur vergegenwärtigen, was geschehen wäre, wenn die Staatsanwaltschaft die Anzeige Rögners sogleich ernst genommen hätte. Es wäre dann nämlich zu einem gewöhnlichen Strafverfahren gegen Boger vor dem für ihn zuständigen Gericht gekommen7 sofern sich die Beschuldigungen Rögners bei näherer Nachprüfung überhaupt als stichhaltig erwiesen hätten. Boger wäre dann vielleicht wegen einiger Mißhandlungen oder gar Tötungen von Häftlingen in Auschwitz verurteilt worden. und zwar in einem Prozeß, der auch wieder kaum mehr als Örtliche Publizität erlangt haben würde. Der große weltweite Wirkungen ausstrahlende Auschwitz-Prozeß mit all seinen Folgewirkungen aber, auf den man hinarbeitete, wäre zweifellos ebenso ausgeblieben, wie die ganze sich daran anschließende Prozeßkette über die sog. "Vernichtungslager". die man mit diesem Prozeß überhaupt erst in Gang setzen wollte. Nur an einer umfassenden und zentral gelenkten Verfolgung der angeblichen NS-Gewaltverbrechen bei allergrößter Publizität konnten die Hintermänner der neuerlichen NS-Verfolgung ein Interesse haben. Denn allein damit konnten die erwünschten Wirkungen und Vorstellungen von der Unermeßlichkeit und Einmaligkeit deutscher Greueltaten im Bewußtsein breiterer Schichten des deutschen Volkes erzeugt und damit wiederum im Endergebnis die politische und finanzielle Erpreßbarkeit der Deutschen erhalten und womöglich noch gesteigert werden. Die übliche Behandlung der Strafanzeige, die man durch Benutzung eines von vornherein glaubwürdigen Anzeigeerstatters wohl ohne w eiteres erreicht hätte, konnte also gar nicht im Sinne jener Mächte liegen. die sehr viel weitergehende Ziele hatten.
Die Erstattung einer umfassenderen und den gesamten AuschwitzKomplex erfassenden Anzeige etwa durch das Wiener Auschwitz-Komitee oder eine vergleichbare Institution kam aus ahnlichen Gründen nicht in Betracht. Sie hätte zwar möglicherweise zu dem erwünschten größeren Prozeß geführt. zugleich aber auch die Drahtzieher bloßgestellt und damit vermutlich eine Abwehrreaktion im Volk heraufbeschworen Außerdem hätte die Glaubwürdigkeit des gesamten Verfahrens darunter leiden konnen. Diese war nämlich ohne Frage nur dann gewährleistet, wenn die Strafverfolgung in den Augen der Öffentlichkeit von den deutschen Justizbehörden selbst ausging.
Um dieses Ziel zu erreichen, mußte man also einen etwas verschlungenen Weg einschlagen. Die beabsichtigte Aktivierung der deutschen Justiz in größerem Rahmen und eine möglichst einheitlich gesteuerte Verfolgung der sog. NS-Gewaltverbrechen war selbstverstandlich ohne die Einschaltung entsprechender Organisationen nicht denkbar. Das aber ließ sich durch das anfängliche Vorschieben eines von vornherein unglaubwürdigen Strohmannes in der Gestalt des Häftlings Rogner ohne größeres Aufsehen in der Öffentlichkeit verwirklichen. Denn das dadurch provozierte lasche und zögernde Vorgehen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsbehörden gab vor allem dem Internationalen Auschwitz-Komitee und danach auch noch anderen Kräften außerhalb Deutschlands den erwünschten Anlaß, sich von der Öffentlichkeit unbemerkt und wie zufällig in die Ermittlungen einzuschalten und diese so auszuweiten, daß die Grundlage für einen Mammutprozeß gewährleistet war. Wie geschickt dabei das Auschwitz-Komitee durch seinen Generalsekretär Hermann Langbein vorging, offenbart uns Langbein selbst in seiner Prozeßdokumentation [47]. Seine selbstgefällige Geschwätzigkeit zeigt gewiß nicht alle Aspekte dieses Vorgehens und des dabei aufgewendeten politischen Drucks auf, spricht aber auch so schon für sich. Langbein trug gewiß maßgebend auch dazu bei, daß im Herbst 1958 die "Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen" in Ludwigsburg eingerichtet wurde, indem er bei seinen im Zusammenhang mit der schleppenden Behandlung von Rögners Anzeige eingeleiteten Kontakten zu den Justizbehörden bis hinauf zum Bundesjustizministerium die "Unfähigkeit" der zuständigen Ermittlungsorgane und die "unzulänglichen Voraussetzungen" für die ihnen zugemutete "Aufklärungsarbeit" eindringlich herausstellte. Diese Zentralisierung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsarbeiten und ihre ständige Abstimmung mit den -- justizfremden -- "Zentralstellen" der ausländischen Drahtzieher dürfte überhaupt der wesentlichste Erfolg der durch Rögners Strafanzeige ausgelösten Aktion gewesen sein. Nun hatte man erreicht, was man erreichen wollte, und Langbein jubelt denn auch im Hinblick auf die gewandelte Atmosphäre im Bereich der deutschen Justiz: "Ein anderer Ton, ein neuer Geist!" [48]
Sein Internationales Auschwitz-Komitee in Wien und dessen Hintermänner waren damit zum eigentlichen Herrn des Ermittlungsverfahrens geworden, ein Erfolg, der nicht auf den Auschwitz-Prozeß beschränkt bleiben sollte.
Die Ermittlungen werden nun auch, wie es im Sinne der hintergründigen Drahtzieher der wiederaufgenommenen NS-Verfolgung liegt, auf das gesamte frühere NS-Personal des KL Auschwitz ausgedehnt. Nachdem Boger schon am 8. Oktober 1958 verhaftet worden war -- er sollte die Gefängniszelle nicht wieder verlassen! --, erfolgten im Zuge der vom Leiter der Zentralen Stelle Ludwigsburg beschworenen "vertrauensvollen Zusammenarbeit" mit dem Auschwitz-Komitee vom April 1959 ab laufend weitere Verhaftungen [49]. Rögner hatte seine Schuldigkeit getan und trat nicht weiter in Erscheinung.
Ein Problem besonderer Art war allerdings noch zu lösen: die Zusammenfassung des gesamten Auschwitz-Komplexes bei einem einzigen Gericht. Denn der erwünschte Eindruck auf die Öffentlichkeit konnte nicht erzielt werden, wenn nur Einzeldelikte mehr oder weniger bedeutender SS-Angehöriger vor verschiedenen, jeweils im Einzelfall gesetzlich zuständigen Gerichten verhandelt wurden. Um Auschwitz als ein Symbol für die Vernichtung von Millionen Juden fest im Bewußtsein der Menschen zu verankern, bedurfte es -- wie gesagt -- eines Mammutverfahrens vor einem besonderen Gericht, in dem das gesamte angebliche Geschehen in dem sog. "Vernichtungslager" umfassend "aufgedeckt" und in einer zusammenfassenden Darstellung des das Verfahren abschließenden Urteils niedergelegt wurde. Nur so war auch eine breite und einheitliche Publizität des in den Giftküchen der Greuelpropaganda längst vorbereiteten Auschwitz-Bildes erreichbar, das nur noch gerichtliche Absegnung benötigte, um weiteren Kreisen als unumstößliche "Wahrheit" zu erscheinen. Das aber stand vorläufig noch auf dem Spiel, da -- je nach dem Wohnsitz der einzelnen Beschuldigten -- verschiedene Staatsanwaltschaften und demzufolge auch verschiedene Gerichte zuständig waren. Denn die Zentrale Stelle Ludwigsburg hatte ja -- wie bereits gezeigt wurde (oben Seite 292) -- nur die Vorermittlungen zu führen. Eine einheitliche gerichtliche Zuständigkeit konnte durch sie nicht begründet werden.
Doch auch insoweit kam den Initiatoren des Auschwitz-Prozesses der "Zufall" zu Hilfe; jedenfalls behauptet das Langbein. Es ergab sich nämlich, daß dem Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, einem nach dem Kriege aus der Emigration zurückgekehrten Juden, eines Tages ein "Päckchen angekohlter Dokumente" über angebliche Häftlingsermordungen in Auschwitz zugespielt wurde. Er soll diese Papiere dem Bundesgerichtshof vorgelegt haben, dc. daraufhin Frankfurt als zuständigen Gerichtsstand für den gesamten Auschwitz-Komplex bestimmt haben soll. Die erwähnten "Dokumente" waren von einem Journalisten in der Frankfurter Wohnung eines gewissen Emil Wulkan "zufällig entdeckt" worden, was schon recht eigenartig erscheint. Noch seltsamer mutet die Geschichte an, die Wulkan später den Justizbehörden über die Herkunft dieser "Dokumente" auftischte. Er erklärte nämlich, daß diese Papiere -- es handelte sich angeblich um Teile von Auschwitz-Akten, die die Namen von dort angeblich getöteten Häftlingen und von den an diesen "Morden" beteiligten SS-Angehörigen enthielten -- aus der Lessing-Loge in Breslau stammten, wo sie ein guter Freund von ihm in den ersten Maitagen des Jahres 1945 gefunden habe [50].
Das alles ist wenig glaubwürdig. Jedenfalls sucht man vergeblich nach einer Erklärung dafür, wie diese "Dokumente" aus dem Bereich des KL Auschwitz ausgerechnet in die Breslauer Lessing-Loge gekommen sein könnten -- wenn sie überhaupt echt sind. Doch lassen wir diese Frage auf sich beruhen. Viel wichtiger erscheint die weitere Frage, ob es wirklich nur die in Frankfurt plötzlich aufgetauchten Auschwitz-Akten waren, die für die angeblich vom Bundesgerichtshof angeordnete einheitliche Zuständigkeit der Frankfurter Justiz maßgebend sein konnten. Auch diese Frage läßt sich indessen ohne Kenntnis der Akten nicht eindeutig klären. Zwar ist nach der Strafprozeßordnung die Möglichkeit gegeben, zusammenhängende Straftaten schon im Ermittlungsstadium in einem bestimmten Gerichtsbezirk zusammenzufassen, wobei Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte ausschlaggebend sein sollen [51]. Es ließe sich jedoch von der Frage der Zweckmäßigkeit eines solchen Monsterprozesses, wie es der Auschwitz-Prozeß schließlich wurde, einmal abgesehen [52] -- schon darüber streiten, ob die verschiedenen angeklagten Taten (Einzelmorde unterschiedlichster Ausführung, standrechtliche Exekutionen, medizinische Tötungen durch "Abspritzen" und die verschiedenen Teilnahmeformen bei den angeblichen Gaskammermorden) überhaupt als "zusammenhängende Straftaten" im Sinne der Strafprozeßordnung gelten konnten. Denn ein solcher Zusammenhang liegt nach § 3 aaO. nur vor. wenn entweder eine Person mehrerer strafbarer Handlungen beschuldigt wird (Tatmehrheit) oder wenn bei einer strafbaren Handlung mehrere Personen als Täter oder sonstige Tatbeteiligte in Betracht kommen (Tätermehrheit). Die Tatsache allein, daß "Dokumente" über Auschwitz in Frankfurt aufgefunden worden waren, konnte mithin für die Zuständigkeitsbestimmung gewiß nicht maßgebend sein.
So erscheint es den ganzen Umständen nach nicht abwegig, daß auch die Regelung der Zuständigkeitsfrage weniger auf rechtlichen Erwägungen als auf den in nicht erkennbarer Weise wirksam gewordenen Wünschen der Drahtzieher des Auschwitz-Verfahrens nach einem politischen Prozeß größten Umfanges beruhte. Mit der "zufälligen" Entdeckung mehr oder weniger obskurer "Dokumentea in Frankfurt wurde allerdings eine recht fragwürdige Grundlage hierfür geschaffen, wenn nicht diese wenig glaubwürdige Geschichte überhaupt nur zur Täuschung der Öffentlichkeit erfunden wurde.
Nachdem auf diesen nicht ganz durchsichtigen Wegen die Zusammenfassung der Auschwitzermittlungen bei einem schon bewährten "Nazi-Verfolger" in Gestalt des Frankfurter Generalstaatsanwalts Bauer gelungen war, wurden die weiteren Ermittlungen "in engem Kontakt mit dem Internationalen Auschwitz-Komitee" mit Hochdruck betrieben [53]. Zwei Staatsanwälte wurden ausschließlich zu diesem Zweck bereitgestellt. Immer mehr Namen von ehemaligen SS-Angehörigen wurden in das Verfahren einbezogen, so daß der Auschwitz-Komplex einen immer größeren Umfang annahm. Das "Belastungsmaterial", das vom Auschwitz-Komitee und anderen interessierten Organisationen und Institutionen zur Verfügung gestellt wurde, floß reichlich und immer reichlicher. An die Frage, ob dieses Material echt war, scheinen die damit befaßten Staatsanwälte freilich kaum einen Gedanken verschwendet zu haben. Jedenfalls vermittelt Rückerls "Tätigkeitsbericht" über die Arbeit der Zentralen Stelle Ludwigsburg -- nämlich sein Buch "NS-Prozesse" -- diesen Eindruck für den Bereich dieser staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsstelle. Es ist kaum anzunehmen, daß die Frankfurter Staatsanwälte etwa "gründlicher" vorgegangen sein könnten als ihre Kollegen von der Zentralen Stelle, die ja ohnehin auch die größere Kompetenz für sich in Anspruch nahmen. Übrigens stellte das Auschwitz-Komitee -- wie Langbein voller Stolz berichtet -- den Justizbehörden nicht nur "Dokumente" zur Verfügung, es vermittelte auch Verbindungen zu "Zeugen" in den Ländern, mit denen die Bundesrepublik damals noch keine diplomatischen Beziehungen unterhielt. Außerdem arrangierte Langbein Reisen für die Staatsanwälte und den Untersuchungsrichter nach Auschwitz, damit sie sich dort "Lokalkenntnisse" erwerben und "dokumentarische Unterlagen" studieren konnten.
Über die Intensität und Wirksamkeit der Unterstützung, die das Auschwitz-Komitee mit seinem Generalsekretär Hermann Langbein den deutschen Justizbehörden gewährte, gibt ein Schreiben des Oberstaatsanwalts Wolf an Hermann Langbein vom 12. Dezember 1959 Auskunft [54]. Darin wird diesem "Dank und Anerkennung... für die tatkräftige und wertvolle Unterstützung" ausgesprochen. Wörtlich heißt es in dem Brief dann weiter:
"Bei der Vorbereitung des umfangreichen Verfahrens, das die noch unaufgeklärten Verbrechen von Auschwitz zum Gegenstand hat, haben Sie uns durch die verdienstvolle Sammlung und Bereitstellung wichtigen Urkundenmaterials und durch die Ermittlung zahlreicher Tatzeugen aus dem In- und Ausland unsere schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe wesentlich erleichtert.
Wir verstehen die Sorge und Unruhe der Überlebenden und hören die mahnende Stimme der Millionen stummer Opfer, für die Sie stellvertretend sprechen, alle noch auffindbaren Mörder von Auschwitz schnell und ausnahmslos in ihrer Anonymität aufzuspüren und der gerechten Bestrafung zuzuführen."
Für diese "Diener des Rechts" stand also -- und das ist vielleicht das Bemerkenswerteste an diesem unterwürfig-schwülstigen Schreiben -- von vornherein fest, daß Auschwitz "Millionen stummer Opfer" gefordert hatte. Dieses Schreiben ist ein bezeichnendes Beispiel für die Voreingenommenheit der Ermittlungsbehörden, zumal da darin anfänglich mit Recht die angeblichen Verbrechen von Auschwitz als noch "unaufgeklärt" bezeichnet werden, was wohl als Freud'sche Fehlleistung erklärbar ist. Daneben zeigt das Schreiben mit unüberbietbarer Deutlichkeit, wer der eigentliche Herr des Auschwitz-Verfahrens war.
Bei der Darstellung der Vorgeschichte des Auschwitz-Prozesses darf schließlich noch ein weiterer Punkt nicht vergessen werden: Die Behandlung der Beschuldigten im Ermittlungsverfahren. Fast jeder von ihnen wurde nach seiner Aufspürung in Untersuchungshaft genommen, obwohl die gesetzlichen Haftgründe -- Fluchtverdacht oder Verdunkelungsgefahr -- offensichtlich in keinem Fall gegeben waren. Denn wodurch hätte bei diesen um mehr als ein Jahrzehnt zurückliegenden Tatvorwürfen wohl die Aufklärung der angeblichen "Verbrechen" durch die Beschuldigten noch "verdunkelt" -- d.h. gefährdet -- werden können? Es handelte sich ohnehin bei den meisten von ihnen um ehemalige SS-Leute, die in der Lagerhierarchie nur untergeordnete Stellungen eingenommen hatten. Fluchtgefahr kam noch weniger in Betracht, da alle Beschuldigten in der Bundesrepublik ihre wirtschaftliche Existenz hatten und überdies in einem Alter standen, in dem man die körperlichen und seelischen Strapazen einer Flucht nicht mehr auf sich nimmt, zumal dann nicht, wenn man sich so phantastischen Vorwürfen ausgesetzt sieht, daß man sie zunächst wohl kaum ernst nehmen kann.
Die Inhaftnahme fast aller Beschuldigten kann daher nur damit erklärt werden, daß man sie "mürbe" machen wollte. Es bestand sicherlich vor allem ein Interesse daran, sie zu dem Eingeständnis zu bewegen, daß es in Auschwitz ein Vernichtungsprogramm gegeben hatte, das mit Hilfe von "Gaskammern" durchgeführt worden war. Es läßt sich auch insoweit ohne Kenntnis der Akten nicht feststellen, ob und wodurch dieses Ziel schon im Ermittlungsverfahren erreicht wurde. Daß es jedenfalls in gewissem Umfang erreicht wurde, zeigt das spätere Verhalten der Angeklagten im Prozeß selbst, worauf weiter unten noch eingegangen wird. Mancher der Angeklagten mag sich schon im Ermittlungsverfahrengutgläubig oder nicht -- dahin eingelassen haben, seinerzeit in Auschwitz von den angeblichen Judenvergasungen "gehört" zu haben, um sich so die Entlassung aus der Untersuchungshaft zu erkaufen. Das schien zunächst auch völlig ungefährlich, weil wohl kaum einer der Beschuldigten daran dachte oder darauf hingewiesen wurde, daß ihm einmal schon die Teilnahme am Wachdienst oder an einef "Selektion" auf der Bahnrampe von Auschwitz-Birkenau als Beteiligung an den vorgeblichen Gaskammermorden ausgelegt werden würde.
Zu Beginn des Auschwitz-Prozesses befanden sich von den insgesamt 22 Angeklagten immer noch 9, also fast die Hälfte, in Untersuchungshaft. Für einige von ihnen dauerte sie nun bereits vier bis fünf Jahre und mehr, was als absolut ungewöhnlich bezeichnet werden muß. Während des Verfahrens wurden dann -- fast immer auf Grund von Zeugenaussagen -- nach und nach 8 weitere Angeklagte wieder in Haft genommen. 2 Angeklagte schieden während des Verfahrens aus Gesundheitsgründen aus. Einer von ihnen starb wenige Monate darauf. Nur 3 Angeklagte blieben während der gesamten Verfahrensdauer auf freiem Fuß (Breitwieser, Schoberth und Dr. Schatz). Die meisten nicht in Haft befindlichen Angeklagten hatten übrigens hohe Kautionen -- bis zu 50 000 DM zu hinterlegen [55]. Es steht unter diesen Umständen ganz außer Frage, daß alle Angeklagten vom Beginn der Ermittlungen bis zum Ende des Verfahrens unter einem ungeheuren psychischen Druck gestanden haben müssen. Das aber ist genau die Situation, der Angeklagte in Schauprozessen stets ausgesetzt sind.
Besonders bemerkenswert ist das Schicksal des Hauptbeschuldigten und letzten Auschwitz-Kommandanten Richard Baer, der den Prozeßbeginn nicht mehr erleben sollte. Er wurde im Dezember 1960 in der Nähe von Hamburg verhaftet, wo er als Waldarbeiter lebte. Im Juni 1963 starb er unter mysteriösen Umständen in der Untersuchungshaft [56].
Nach mehreren Quellen, die ihrerseits auf französische Presseberichte zurückgehen, hatte Baer sich in der Untersuchungshaft beharrlich geweigert, die Existenz von Gaskammern in seinem einstigen Kommandobereich zu bestätigen. Es wird weiter behauptet, daß Baer aus diesem Grunde durch Gift aus dem Wege geräumt wurde. Die Ursachen für den Tod des bis dahin nach Angaben seiner Ehefrau kerngesunden Mannes sind jedenfalls ungeklärt geblieben.
Langbein teilt lediglich mit, daß bei der Obduktion der Leiche keinerlei Anzeichen für einen unnatürlichen Tod festgestellt worden seien. Naumann zufolge soll Baer an "Kreislaufschwäche" gestorben sein. Eine bestimmte Krankheit, an der Baer gestorben sein könnte, ist also nucht bekannt geworden; denn Kreislaufschwäche ist nur ein Krankheitssymptom, das seinerseits wieder seine Ursachen gehabt haben muß. Es wäre mithin denkbar, daß die angebliche Kreislaufschwäche bei dem zuletzt als Waldarbeiter tätigen und daher zweifellos körperlich robusten Mann durch die Behandlungsmethoden entstanden sein könnte, denen er in der Untersuchungshaft ausgesetzt war [57]. Das wäre gewiß schon schlimm genug. Die Geschichte wird jedoch noch weit geheimnisvoller, wenn wir dem Obduktionsbefund des Instituts für Gerichtliche Medizin der Universität Frankfurt/Main entnehmen müssen, daß "die Einnahme eines nicht riechenden und nicht ätzenden Giftes... nicht ausgeschlossen" werden konnte [58]. Trotzdem wurde eine weitere Klärung der Todesursachen nicht versucht. Generalstaatsanwalt Bauer ließ vielmehr die Leiche bald danach einäschern. Ein Selbstmord Baers erscheint so gut wie ausgeschlossen, zumal da er nach Angaben seiner Ehefrau mit einem Freispruch rechnete. Er hätte in diesem Fall wohl auch kaum die Wache verständigt und einen Arzt verlangt, als ihn vor seinem Tod ein Unwohlsein überfiel.
Diese ganzen mysteriösen Vorgänge fanden übrigens in der Öffentlichkeit seinerzeit kaum Beachtung und wurden vermutlich sogar planmäßig unterdrückt. Wenn man sich vor Augen hält, wie sonst beim Tode eines Häftlings in deutschen Strafanstalten in Massenmedien, Parlamenten und anderen Gremien reagiert wird, kann man sich darüber nur wundern. Dies um so mehr, als es sich bei Baer ja um keinen beliebigen Untersuchungsgefangenen handelte, sondern um jenen Mann, dessen Aussage in dem bevorstehenden Prozeß größtes Gewicht zukommen mußte.
Der Verdacht, daß Baer -- wie behauptet wird -- von interessierter Seite durch Giftmord aus dem Wege geräumt wurde, ist unter diesen Umständen nicht gerade abwegig. Die Gründe hierfür sind naheliegend. Wenn überhaupt jemand, dann mußte Baer als letzter Kommandant von Auschwitz über die angeblichen Gaskammern Bescheid wissen. Dafür. daß er sich weigerte, der Gaskammerlegende die Autorität seines Zeugnisses zu verleihen, spricht die Tatsache, daß seine Aussagen im Ermittlungsverfahren nicht in der Hauptverhandlung verlesen wurden. Sie waren also für die Anklage negativ. Den Initiatoren des Auschwitz-Prozesses mußte es aber alles andere als gleichgültig sein, wie der Hauptangeklagte sich zum Kern der Behauptungen über Auschwitz äußerte. Wenn gerade er diesen Behauptungen entschieden widersprach und sie womöglich gar ad absurdum führen konnte, so hätte das für den angestrebten "Erfolg" des Auschwitz-Prozesses -- die zeitgeschichtliche Zementierung der Gaskammerlegende -- nur nachteilig sein und womöglich den ganzen Prozeß in ein anderes Fahrwasser bringen können. Es war nicht ausgeschlossen, daß seine Standhaftigkeit andere Prozeßbeteiligte beeindrucken und vor allem auf seine Mitangeklagten beispielhaft wirken konnte. Ein standhafter Baer war also zumindest ein Hindernis für den von Seiten der Drahtzieher des Auschwitz-Prozesses erwünschten Prozeßablauf. Aus diesem Grunde erscheint auch die Behauptung nicht abwegig, daß allein die Weigerung Baers, sich der geforderten Sprachregelung für den Prozeß zu unterwerfen, dafür maßgebend gewesen sei, daß der Prozeß erst nach seinem Tod beginnen konnte [59]. Ob das richtig ist, mag dahinstehen. Tatsache ist jedenfalls, daß der Auschwitz-Prozeß ziemlich unmittelbar nach dem Tode Baers -- nach Meinung Laternsers überstürzt [60] -- angesetzt wurde. Wie Langbein mitteilt, war die Voruntersuchung bereits am 19. Oktober 1962 abgeschlossen [61], so daß schon damals der Eröffnung des Hauptverfahrens eigentlich nichts mehr im Wege stehen konnte -- es sei denn die "Starrköpfigkeit" Baers.
Wurde Baer also im Gefängnis ermordet? Wir wissen nicht erst seit der brutalen Entführung Eichmanns aus Argentinien, daß dem israelischen Geheimdienst alles zuzutrauen ist [62]. Da zudem Generalstaatsanwalt Bauer Zionist war -- ein Umstand, der die Zusammenfassung der Ermittlungen in seiner Hand eigentlich hätte verbieten sollen --, ist nicht auszuschließen, daß der mächtige Arm des Internationalen Judentums bis in die Gefängniszelle Baers hineinreichte. Doch muß diese Frage mangels sicherer Anhaltspunkte offen bleiben. Immerhin kann man aber wohl davon ausgehen, daß der plötzliche Tod Baers auf die übrigen Beschuldigten wie ein Schock gewirkt hat. Da ihnen seine Haltung nicht unbekannt geblieben sein kann, wird mancher von ihnen sein unerwartetes und mysteriöses Hinscheiden als Warnung aufgefaßt und dementsprechend sein eigenes weiteres Verhalten eingerichtet haben. Den Veranstaltern des Prozesses konnte das nur willkommen sein.
Nicht ohne Bedeutung für den Ablauf des Prozesses mußte schließlich auch die Besetzung des Gerichts sein. Diese ist zwar bei allen Gerichten geschäftsplanmäßig festgelegt, doch schließt das eine gewisse Einflußnahme schon deshalb nicht aus, weil der Geschäftsplan in der Regel nur für ein Jahr gilt. Naturgemäß muß gerade bei diesem Verfahren ein Interesse daran bestanden haben, es in die Hände von Richtern zu legen, von denen zu erwarten war, daß sie der erwünschten Behandlung des Sachverhalts keine besonderen Schwierigkeiten in den Weg legen würden. Insbesondere wird Generalstaatsanwalt Bauer als der verlängerte Arm der Initiatoren des Prozesses insoweit sicherlich seine konkreten Vorstellungen gehabt haben. Es ist daher interessant, von Laternser zu erfahrenf daß seinerzeit zwischen den Behörden des Generalstaatsannvalts, des Landgerichtspräsidenten und dem mutmaßlichen Vorsitzenden des Schwurgerichts Besprechungen stattgefunden haben, die u.a. den Prozeßbeginn und die damit zusammenhängende Besetzung des Gerichts zum Gegenstand hatten. Die im Hinblick auf vermutete Manipulafionen bei der Besetzung des Gerichts gleich zu Beginn des Verfahrens erhobenen Verfahrensrügen Laternsers wies das Gericht erst in der Verhandlung vom 3. Februar 1964 -- also mehr als einen Monat nach Prozeßbeginn -- zurück, ohne auf den damit verbundenen Beweisantrag einzugehen [63].
Alles in allem genommen läßt die Vorgeschichte des Auschwitz-Prozesses kaum einen Zweifel daran, daß die hinter diesem Verfahren stehenden Kräfte und Mächte alles darauf angelegt hatten, einen ausgesprochenen Schauprozeß in Szene zu setzen [64]. Sieht man -- wie schon ausgeführt wurde -- das Wesentliche eines solchen Prozesses darin, daß nicht die objektive Rechtsfindung, sondern der politische Demonstrationseffekt im Vordergrund der prozessualen Bemühungen steht, so war hierfür bereits im Vorstadium des Verfahrens alles Erdenkliche geschehen: Die Zentralisierung der Ermittlungen ohne Rücksicht auf gesetzliche Zuständigkeiten, die Einflußnahme justizfremder und dem Auschwitz-Geschehen nicht neutral gegenüberstehender Kräfte auf die Vorbereitung des Prozesses, die Übertragung der Anklagebefugnis auf eine unter der Leitung eines bewährten Zionisten stehende Staatsanwaltschaft, Manipulationen bei der Zusammensetzung des Schwurgerichts undnicht zuletzt eine nach deutschem Recht zumindest ungewöhnliche Behandlung der Beschuldigten, die -- in Verbindung mit dem geheimnisvollen Tod des Hauptbeschuldigten in der Untersuchungshaft -- ihre Widerstandskraft beeinträchtigen mußte und zweifellos mit ursächlich für ihre teilweise zwielichtige Haltung in der Hauptverhandlung gewesen ist.
Steht somit das Vorhaben eines Schauprozesses außer Frage, so bleibt jetzt noch zu untersuchen, inwieweit die Durchführung des Verfahrens diesem Vorhaben tatsächlich entsprach.