Anhang III
Verweigerung der Einsichtnahme in die Akten des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses
Mit Schreiben vom 10. Juni 1976 bat ich den Präsidenten des Landgerichts Frankfurt, im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit die Akten des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses (Strafsache 4 Ks 2/63 gegen Mulka und andere) einsehen zu dürfen. Auf Ansuchen der Staatsanwaltschaft Frankfurt vom 2. Juli 1976 begründete ich meinen Antrag noch ausführlich mit Schreiben vom 9. Juli 1976. Zwei Monate später- am 9. September 1976 -- erinnerte ich an die noch ausstehende Entscheidung über meinen Antrag. Mir wurde daraufhin mit Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 30. September 1976 mitgeteilt, daß mein Gesuch um Akteneinsicht dem Herrn Hessischen Minister der Justiz in Wiesbaden zur Entscheidung vorgelegt worden sei. Offensichtlich traute sich die Staatsanwaltschaft nicht, in dieser Sache selbst eine Entscheidung zu treffen, obwohl das in ihrer Zuständigkeit gelegen hätte!
Mit Schreiben vom 26. November 1976 lehnte der Hessische Minister der Justiz meinen Antrag unter Hinweis darauf ab, daß nach den " Richtlinien für das Strafverfahren" Privatpersonen und privaten Einrichtungen die Einsicht in Strafakten grundsätzlich zu versagen sei.
Ich bat daraufhin mit Schreiben vom 10. Dezember 1976 um eine nochmalige Überprüfung dieser Entscheidung, wobei ich unter anderem folgendes ausführte: "Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Rechtslage so eindeutig ist, wie Sie es in Ihrem Schreiben darstellen, da andernfalls schon die Staatsanwaltschaft Frankfurt über meinen Antrag hätte entscheiden können. Ich habe die Akteneinsicht nicht aus privaten Gründen als Privatmann, sondern im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit erbeten, die letztlich -- wie ich in meinem Schreiben vom 9.7. bereits andeutete -- der Allgemeinheit zugute kommen soll. Alle Welt beruft sich heute bei der Darstellung des Auschwitz-Komplexes auf die Ergebnisse des sog. Auschwitz-Prozesses. Es muß daher bei einer wissenschaftlichen Bearbeitung dieses zeitgeschichtlichen Themas doch auch einem Privatmann möglich sein, die Grundlagen der Prozeßergebnisse in seine Forschungsarbeit einzubeziehen. Es kann nicht der Sinn der von Ihnen angeführten Richtlinien sein, derartige Forschungsarbeiten zu behindern."
Meine Gegenvorstellung hatte jedoch keinen Erfolg. Seine erneute Ablehnung meines Antrags begründete der Minister wörtlich wie folgt: "Auch nach nochmaliger Überprüfung des Vorgangs sehe ich mich nicht in der Lage, Ihnen die gewünschte Akteneinsicht zu gewahren. Die Schutzinteressen der an dem Verfahren Beteiligten sind gegenüber Ihrem privaten Interesse an einer wissenschaftlichen Auswertung der bezeichneten Strafakten vorrangig."
Bleibt die Frage, wessen Interessen hier wovor geschützt werden müssen. Ob ein jüdischer Antragsteller wohl dieselbe oder eine ähnliche Antwort erhalten hätte? Ich wage das zu bezweifeln!