DAS TROPISCHE PARADIES
Die amerikanischen Gesprächspartner mußten ihre Vorgesetzten vom Sinn einer möglichen Beschäftigung Müllers überzeugen. Die ausgedehnten Gespräche sollten diesen Nachweis einer Nützlichkeit erbringen. Das Anheuern von Hitlers früherem Gestapochef für ein sehr hohes Gehalt war ein großes Wagnis, das der Zustimmung höchster Regierungsstellen bedurfte. Die Verhandlungen mit Müller im Jahre 1948 wären Jahrzehnte später in der Geschäftswelt nicht unüblich gewesen.
F: An diesem Punkt, so meine ich, sollten wir anfangen, einige der Bereiche, die wir zuvor besprochen haben auf eine formelle Ebene zu bringen. Aufgrund meiner Aufzeichnungen und meiner Erinnerung wäre festzuhalten, daß Sie grundsätzlich einverstanden sind, Ihre Unterlagen, die Material enthalten, das die US-Regierung zu nutzen wünscht, zur Verfügung stellen. Dieses Material bezieht sich auf zwei besondere Interessensgebiete. Zuerst benötigen wir alles Material, das Sie über mögliche Sowjetagenten und Sowjetsympathisanten besitzen, die Mitglieder der US-Regierung sind oder die Verbindung zu Mitgliedern der US-Regierung haben. Zweitens benötigen wir das gleiche Material hinsichtlich möglicher Sowjetagenten und Sowjetsympathisanten irgendwo in den USA. Drittens wollen wir das gleiche Material über solche Personen in England und Frankreich. Ist dies deutlich und annehmbar?
M: Ja. Bitte bedenken Sie aber, daß diese Unterlagen einige Jahre alt und nicht auf dem neuesten Stand sind.
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F: Das verstehen wir. Viertens wollen wir Listen früherer Gestapo-Agenten und Gestapo-Informanten, die sich derzeit in den USA aufhalten.
M: Ja. Grundsätzlich stimme ich zu unter der schriftlich vereinbarten Voraussetzung, daß diese Agenten von Ihren Leuten weder festgenommen noch verfolgt werden und zwar unabhängig von der Spionageart, in die sie vor Kriegsende verwickelt waren. Geht das so in Ordnung? Und dies gilt auch für künftige Aktionen irgendeiner Marionettenregierung, die Sie in Deutschland einsetzen werden.
F: Ich glaube, daß wir dem zustimmen können. Die Deutschen werden tun, was wir ihnen sagen. Diese Amnestie umfaßt keine Personen, die schon inhaftiert sind, oder deren Fälle schon vor Gericht stehen. Sie sehen diese Schwierigkeiten. Wir können in die Amnestie auch nicht Leute einschließen, die von den Kriegsverbrecherausschüssen sozusagen auf frischer Tat ertappt wurden. Ich beziehe mich hier nicht auf politische Vorgänge wie das Erschießen von Kommunisten und dergleichen, sondern auf die Verletzung deutscher Strafgesetze. Wir verstehen uns, nicht wahr?
M: Zum Beispiel jemand wie Brunner, der in Frankreich war?
F: Nein. Ich weiß, wen Sie meinen. Er würde gedeckt werden. Ich meine irgendeinen Gestapoagenten, der nach dem Krieg eine Bank ausgeraubt hat oder der wegen Vergewaltigung angeklagt ist. Diese Art von Vergehen.
M: Damit habe ich keine Schwierigkeiten. Wie steht es mit, sagen wir, wertvollen Personen ..... Ich meine wertvoll für mich, um meine Arbeit fortzusetzen..., Leute, die während des Krieges in der Partisanenbekämpfung tätig waren oder ein wenig mit dem KZ-System zu tun hatten?
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F: Wir müssen diese Leute wegen der Möglichkeit von Schwierigkeiten von Fall zu Fall überprüfen. Ich würde meinen, daß wir in den meisten Fällen bereit sind, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Wenn wir z. B. entdecken, daß jemand gesucht wird..., von den Franzosen z. B.... um wegen der Partisanenbekämpfung verhört oder verhaftet zu werden, können wir dafür sorgen, daß er verschwinden kann. Lassen Sie mich klarstellen, daß unsere Dienststelle und insofern die Regierung die Beseitigung sowjetischer Partisanen oder von den Sowjets unterstützter Partisanen nicht als Verbrechen ansieht. Wir sehen dies als notwendig und letztendlich als lohnend an. Zumindest kann ein toter Kommunist nicht gegen uns arbeiten.
M: Als Sie davon sprachen, daß der Mann untertauchen könnte, so sprachen Sie in diesem Fall von der sowjetischen Art des Untertauchens, nicht wahr?
F: Ein Spaziergang im Walde, um Ihr Bild aufzugreifen? Nein. Wir können ihn anderswo an einem sicheren Ort unterbringen. Natürlich betrifft das nur Vorfälle mit den Sowjets. Eine russische Anfrage würde im Papierkorb landen. Aber wir müssen auf die Gefühle der Briten und Franzosen Rücksicht nehmen. Die Sowjets interessieren uns nicht.
M: Ich sehe hier eine weitere Gefahr. Wie ist es, wenn die Sowjets eine jüdische Dienststelle oder Juden einschalten, um gegen jemanden vorzugehen? Die Juden haben in Ihrem Land einen gewissen Einfluß. Könnte das keine Probleme verursachen?
F: Ich glaube nein. Zumindest nicht bei wichtigen Leuten, die wir benutzen. Nein. Ich würde mir darüber keine Sorgen machen. Wir müssen auf die Gefühle von Menschen achten, aber wir müssen ihnen nicht gerecht werden. So weit sind wir uns einig.
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M: Sie sprechen hier nur von meinen Leuten, nicht wahr? Wie steht es mit den SD-Leuten?
F: Wir haben für sie schon eine solche Vereinbarung vorbereitet. Dies berührt Sie nicht.
M: Ich kümmere mich um meine Leute. Kann ich eine Frage stellen?
F: Bitte.
M: Ich habe eine Liste von Fachleuten zusammengestellt, die ich zur Unterstützung brauchte. Ich habe sie entsprechend der Wichtigkeit von eins bis fünf eingestuft. Insgesamt sind es genaugenommen 352 Personen für alle Bereiche. Einige sind Spitzenleute im Fälschen von Dokumenten, Funk- und Telefonüberwachung usw. Ich brauchte diese Leute, da ich nicht gerne mit Fremden arbeite. Und ich bin mir sicher, daß Sie nicht wollen, daß ich Fremden ausgeliefert bin.
F: Ja. Dies wurde in allen Einzelheiten erörtert. Wir können das problemlos machen, aber die zuvor genannten Bedingungen bleiben bestehen. Wir können keinem helfen, der sich z. Z. in Haft befindet oder vor Gericht steht. Und wir verlangen, daß Sie sich persönlich für jeden Einzelfall einsetzen. Einverstanden?
M: Sicherlich. Es steht mir nicht an, Ihnen Probleme zu bereiten.
F: Wie bald kann ich die Liste von Ihnen haben?
M: Wenn Sie wollen, noch heute nachmittag.
F: Je eher umso besser. Nun möchte ich die Frage Ihres eigenen Ortswechsels besprechen, der notwendig wird, so bald unsere Abmachung umgesetzt wird. Sie erlauben, daß ich fortfahre... Natürlich ist das nur grob angedeutet...
M: Sicher. Fahren Sie fort.
F: Wir sind der festen Meinung, daß Sie nicht länger in der Schweiz bleiben können. Es besteht immer die Mög-
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lichkeit, daß die Russen Ihren Aufenthaltsort entdecken, oder ein anderes Land könnte erfahren, daß Sie hier sind. Dies würde es uns unmöglich machen, Ihre Dienste in Anspruch zu nehmen. Ich weiß, daß man glaubt, Sie seien tot. Aber das wird nicht allgemein angenommen. Und der geringste Hinweis, daß Sie noch leben, könnte schreckliche Probleme für uns beide bringen. Es wurde angeregt, ....nachdrücklich angeregt, möchte ich sagen, ..., daß Sie dieses Land verlassen und in ein Gebiet gehen, das sich unter der vollständigen Kontrolle des US-Regierung befindet. Auf diese Weise können unsere Leute mit Ihnen enger zusammenarbeiten, und wir können viel besser Ihre persönliche Sicherheit garantieren.
M: Ich verstehe die Lage ganz und gar. An welches Gebiet denken Sie?
F: Wir könnten Sie nach Miami in Florida schicken. Aber meine Vorgesetzten sind der Meinung, daß Miami nicht ganz so sicher sein könnte. Das Problem dort liegt im großen Zustrom illegaler jüdischer Einwanderer. Zionistische Agenturen bringen sehr viele europäische Juden und Ostjuden über Kuba und die Dominikanische Republik ins Land, so daß die Möglichkeit, daß jemand Sie erkennen könnte, eine klare Gefahr darstellt. Es wurde daher angeregt, daß man Sie auf die Jungfrauen-Inseln in der Karibik bringt. Wir besitzen diese Inseln nun schon seit 3o Jahren, und es leben dort viele Dänen, die ebenfalls mit Akzent sprechen. Sie haben auch, so glaube ich, gültige Schweizer Ausweispapiere. Wir brauchen Sie daher nicht mit falschen Papieren zu versorgen. Solche Papiere entstehen natürlich nicht in einem luftleeren Raum. Jemand könnte sich an unangenehme Tatsachen erinnern. Mit Ihren Papieren gibt es doch keine Probleme? Oder?
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M: Ich kann keine Probleme erkennen. Sie sind durch und durch echt.
F: Es gibt mit den Schweizern später kein mögliches Nachspiel, nicht wahr?
M: Ich meine nein. Ich habe hier ausgezeichnete Verbindungen und war in der Lage, einem gewissen Teil der Schweizer Regierung während des ganzes Krieges und vor allem gegen Kriegsende zu helfen, die Neutralität zu bewahren.
F: An dieser Frage hätten wir kein Interesse.
M: Nein. Die Schweizer mögen imgrunde genommen niemanden. Für sie ist alles nur Geschäft. Einige Schweizer mögen die Deutschen nicht, andere mögen die Franzosen nicht. Die Italiener zählen nicht. Aber unabhängig davon wollen die Schweizer nicht, daß jemand in ihr Land eindringt. Sie hätten bis zum Tod gekämpft, um das zu verhindern. Sie hinderten 1940 selbst flüchtende französische Juden daran, ins Land zu kommen. Sie hatten besondere Angst davor, daß Stalin unter irgendeinem Vorwand über früheres österreichisches Gebiet einmarschieren würde. Und dies war in der Tat eine ernsthafte Bedrohung. Sie wollten aber auch nicht, daß die Amerikaner und Franzosen Schweizer Gebiet durchquerten, um in die westliche Flanke der Deutschen hineinzustoßen. Zum damaligen Zeitpunkt war dies eine echte Möglichkeit. Wenn der Westen auf Schweizer Gebiet vorgestoßen wäre, hätten die Deutschen diese auf Schweizer Gebiet bekämpfen müssen; das Ergebnis wäre für die Schweiz katastrophal gewesen. Ich bin mir sicher und ich habe darauf in den richtigen Kreisen darauf hingewiesen, daß die Amerikaner und Briten alle Schweizer Städte in wenigen Tagen bombardieren und auf die Flüchtlinge in den Straßen schießen würden. Zudem wußten die Schweizer, was in Dres-
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den geschah, und sie machten sich keine Illusionen. Die Amerikaner bombardierten die Schweizer einige Male, um sie daran zu erinnern, nicht zu freundlich zu den Deutschen zu sein. Und ich kann darauf hinweisen, daß die Deutschen nie Schweizer Gebiet bombardiert haben. Jedes Land operierte während des Krieges in der Schweiz, selbst die Sowjets. Die Schweizer machten daher mit allen Geschäfte. Die Schweizer hatten zum Beispiel ein sehr gut arbeitendes Agentennetz in Berlin namens Wiking. Sie wurden von unserem General Thiele, einem hochrangigen Offizier des Fernmeldewesens im Oberkommando, mit Nachrichten versorgt. Sie gaben das weiter. Nicht alles: hier ein wenig, da ein wenig. Einiges davon gelangte zu den Sowjets, einiges zu den Briten und einiges an Ihre Leute. Andererseits erhielten wir hier und da Nachrichten von Ihrer Seite. Immer gutes Nachrichtenmaterial. Sie spionierten für Dulles, für die Briten, für die Russen und für uns. Die Schweizer sind ihrem Wesen nach Geschäftsleute. Als sich die Schweizer noch als Söldner verdingten, hieß es: Kein Silber, keine Schweizer! Und sie wollten ihr Geld vor dem Kampf. Und lassen Sie sich nicht irre machen: Die Schweizer waren in der Tat sehr gute Soldaten. Sie waren natürlich sehr grausam und töteten alle Gefangenen und Verwundeten, aber kämpfen konnten sie. Und sie kämpften auch. Ich erinnere an die Schweizer Garde in Paris während der Revolution. Sie kämpfte bei der Verteidigung eines leeren Palastes bis zum Tode. Und glauben Sie mir: Sie hätten gegen Sie, die Sowjets oder uns bis zum Tod gekämpft. Sie hätten verloren, aber es wäre es nicht wert gewesen. Zumindest was uns anbetrifft. Sie waren bereit, uns bei der Versorgung mit sehr notwendigem Material zu versorgen, und wir mußten dafür bezahlen. Bei Ihnen war es auch das Gleiche. Uhren
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und Bewegungen beobachten. Die Schweizer sind sehr harte Geschäftsleute und daher auch sehr realistisch. Ich konnte mit einigen Leuten sehr offen und direkt reden. Nein. Mit den Schweizer Behörden werde ich wegen meiner Papiere keine Schwierigkeiten bekommen.
F: Ausgezeichnet. Bislang haben wir das Thema Geld nicht angesprochen, nicht wahr?
M: Meine Silberlinge?
F: Ja.
M: Nein, bislang noch nicht.
F: Sie haben reichlich Geld, aber wir haben vor, Ihnen jährlich 50.000 Dollar zu zahlen , so lange Sie in unseren Diensten stehen. Und Sie erhalten eine einmalige Summe von einer Million Dollar in bar für alle Unterlagen, für die wir Interesse bekundet hatten. Und ich muß das besonders betonen: All Ihre Unterlagen über Sowjetagenten, die nun in den USA arbeiten. Sie dürfen davon nichts zurückbehalten. Dies ist eine notwendige Bedingung.
M: Einverstanden, vorbehaltlich meiner eigenen Bedingungen.
F: Wie ich schon zuvor sagte, wird es damit keine Schwierigkeiten geben..
M: Ich benötige nähere Hinweise, um genau zu wissen, was Sie für dieses Gehalt erwarten.
F: Wir wollen, daß Sie ein internes Überwachungssystem ähnlich dem in Deutschland aufbauen. Wir wollen die Möglichkeit haben, jede kommunistische Tätigkeit in den USA zu entdecken, zu kontern und bestehende Systeme auszuschalten. Das wäre es in einfachen Worten.
M: Kinderspiel, aber es gibt Probleme. In Deutschland haben wir die Bevölkerungsbewegung stets genau kontrolliert. Alle Bürger mußten ihre Papiere dabei haben und sie vorzeigen, wenn sie zum Beispiel in einem Hotel ab-
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stiegen. Und wenn ein Deutscher umzog, mußte er dies sofort der Polizei mitteilen. In Ihrem Land ist man nie so verfahren, und ich glaube nicht, daß man solche Behinderungen auferlegen kann.
F: Nicht in dem Maße. Aber das Kernproblem ist die Beseitigung und Neutralisierung bestehender Kommunistengruppen und ihrer Anhänger. Lassen Sie mich Ihnen eine Vorstellung von diesem Problem geben. Während der Roosevelt-Präsidentschaft, die zwölf Jahre dauerte, gelangten viele Kommunisten, Agenten und Sympathisanten in den Regierungsapparat. Wir wissen, daß einige intellektuelle Idioten sind, wie Sie es dargestellt haben, aber es gibt auch viele richtige Agenten. Roosevelt war in seinen letzten Jahren senil. Und so weit es das Einsickern anbelangt, zogen sie sich mit Mord aus der Affäre. Roose-velts Hauptberater bedrängten ihn ständig, kommunistische Partisanengruppen zu unterstützen und versagten anti-kommunistischen Gruppen jede Unterstützung. Roosevelt machte dies ständig mit. Als er starb, hatte diese Leute keine Machtgrundlage mehr, aber sie waren noch immer da. Truman, der neue Präsident, hatte für ihre Tätigkeit und ihre Ansichten nichts übrig und begann sofort, gegen sie zu arbeiten, aber mit großer Umsicht. Sie müssen wissen, daß Roosevelt zu Lebzeiten sehr beliebt war, und Truman mußte vorsichtig sein, wen er entließ. Er machte fast sofort, ...genau fünf Monate später, das OSS dicht, da es voller bekannter kommunistischer Agenten war. Donovan wurde sofort entlassen, und die anderen wurden an das Außenministerium überstellt, wo sie nach und nach entlassen werden. Auf diesem Gebiet wollen wir tätig werden. Aber Sie müssen wissen, Herr General, daß wir oder der Präsident nicht einfach loyale New-Deal-Vertreter grundlos rauswerfen können. Und sollte es Grün-
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de geben, dann gäbe es im Lande einen Aufstand, Hexenprozesse...
M: Wie bitte?
F: Ich kann Ihnen das später erklären. Wenn wir die derzeitigen Agenten, im Gegensatz zu den intellektuellen Anhängern, feststellen können, wäre das von höchstem Wert.
M: Wer oder welche Dienststelle befaßt sich mit der internen Gegenabwehr?
F: Das FBI unter Hoover.
M: Schaffen die das nicht?
F: Aber doch. Aber wir brauchen konkrete Hinweise auf Agenten, keine ideologischen Handreichungen. Ihre Unterlagen sind von unschätzbarem Wert.
M: Es handelt sich um eine Frage von Zuständigkeiten. Ihr Hoover dürfte das nicht mögen.
F: Hoover wird nie davon erfahren. Er ist ein sehr ehrgeiziger Mann und blieb an der Macht... tatsächlich hatte er Macht hinzugewonnen, indem er als persönlicher Spion Roosevelts tätig war. Wenn z. B. Roosevelt jemanden nicht mochte, setzte er Hoover auf ihn an, um etwas herauszufinden, das man gegen ihn benutzen konnte, oder man erfand einfach etwas.
M: Ach du liebe Güte. Das hört sich so an wie bei vielen Fällen im Deutschland Hitlers. Und mag der derzeitige Präsident Truman Hoover?
F: Oh nein. Keineswegs. Das erklärt sich mit Trumans politischem Hintergrund. Truman ist der typische altmodische Amerikaner, dessen Wertvorstellungen von denen Roosevelts und dem liberalen Establishment abweichen. Der Präsident führt ein untadeliges Privatleben; Hoover ist schwul. Der Präsident mag keine Homosexuellen und meint, alle Kommunisten wären am besten in Rußland.
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Wir haben keine Schwierigkeiten mit ihm, und diese Programme finden seine besondere Zustimmung.
M: Weiß er z. B. von mir?
F: Wir würden es kaum wagen, Sie ohne seine besondere Kenntnis und Zustimmung einzusetzen.
M: Was für ein Wechsel letzt endlich! Können Sie mir Material aus den Hooverschen Unterlagen besorgen, wenn ich solche benötige? Ich kann nicht meine Deutschen herumlaufen lassen, um Leute auszuspähen.
F: Schreibtischarbeit ist gut. Hoover tut, was ihm schließlich gesagt wird. Seine Agenten machen diese Grobarbeit, aber sie wissen nichts über Ihre Anwesenheit oder Unterstützung. Wir unterstehen der Armee, und sie unterstehen der Generalanwaltschaft. Der Präsident ernennt den Generalstaatsanwalt. Er könnte beide Männer im Handumdrehen feuern, und sie wissen das. Der Präsident unterstützt uns darin.
M: Wie stehen seine Chancen für eine Wiederwahl? Wie ist es, wenn er durch einen Russenfreund wie Roosevelt ersetzt wird? Keiner von uns wäre dann sicher, nicht wahr?
F: Das ist ein Problem. Wir werden die Antwort bald wissen. Wer weiß. Ich könnte ja hierher kommen und für Sie arbeiten.
M: Sie würden für mich arbeiten? Das kann ich nicht glauben.
F: Sicherlich. Warum nicht? Sie sind doch Profi.
M: Im Augenblick habe ich mit nichts zu tun.
F: Oh ja.
M: Nun, so viel Spaß wie ich gehabt habe, Sie zu ködern. Auch Sie sind ein Profi. Und wenn ich Sie anheuern würde, dann würde ich Ihre Akte ganz oben drauflegen. Aber nur wenn... Ich nehme an, wir werden einige geschäftli-
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ehe Besprechungen haben, wenn Ihr Präsident wiedergewählt wird?
F: Ich könnte an die Universität zurückkehren... Ich weiß es nicht. Aber ich habe keine Schwierigkeiten, mit Ihnen beruflich zu tun zu haben.
M: Sie wissen doch, daß ich Sie umgehend festnehmen lassen würde, wenn Sie die Linie überschreiten würden. In der Vergangenheit ließ ich einige meiner Agenten wegen Mißachtung besonderer Befehle in ein Lager verbringen, ohne mir dabei etwas zu denken.
F: Ist das nicht ein wenig hart, Herr General?
M: Sie haben keine Ahnung, wie derlei die Arbeitsmoral bei den anderen verbessert.
MU 13-75-96: 19; S. 23-31
Kommentar
Ein halbes Jahrhundert ist seit dem Ende der Roosevelt-Ära vergangen, und noch immer wird sie äußerst widersprüchlich bewertet. Beide Ränder des politischen Spektrums, sowohl die äußerste Linke als auch die äußerste Rechte, haben sich einen offenen Schlagabtausch geliefert, als Roosevelt 1933 zum Präsidenten gewählt wurde Und dieser offene Kampf hat sich schließlich bis zur Regierung fortgesetzt. Es ist schwierig, den richtigen Ausdruck für die Ideologie der beiden Lager zu finden. Die Ausdrücke konservativ und liberal sind eine höfliche Beschreibung, die Wörter Kommunist und Faschist werden häufiger benutzt, obwohl sie ungenauer sind. Der Großteil der Liberalen ist in keiner Hinsicht kommunistisch noch sind die Konservativen Faschisten. Letztendlich hängt alles
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davon ab, wer zu diesem Zeitpunkt an der Macht ist. Während der Herrschaft Roosevelts strömte eine beachtliche Zahl aggressiver Liberaler in die Regierung. Unter ihnen waren sicherlich viele mit einer starken Vorliebe für das Sowjetsystem. Man muß unterscheiden zwischen jenen, die eine geistige Verwandtschaft zu den Lehren von Karl Marx empfanden und jenen, die das sowjetische Spionagesystem nur mit Nachrichten versorgten, es unterstützten oder richtige Mitarbeiter waren. Ein Berufsagent, und in der Roosevelt-Regierung gab es eine bedeutende Zahl davon, würde unter keinen Umständen die Aufmerksamkeit auf sich lenken, indem er Mitglied der Kommunistischen Partei der USA werden und offen prostalinisti-sche Ansichten äußern würde. Wer davon sehr angetan, aber kein Agent war, war in seinem Handeln frei. Und oft tat man, was einem gefiel. Der Unterschied zwischen dem Spion und dem Ideologen ist der, daß der Spion erschossen werden und der andere seinen Posten verlieren kann. Und erneut hängt alles davon ab, welche politische Richtung an der Macht ist.
Harry Truman hatte kein Interesse an den Freunden des Sozialismus noch wollte er die unbedingte Unterstützung von Josef Stalin fortsetzen. Und als er 1945 Präsident wurde, begann er, die obere Regierungsebene umzuschichten, indem er radikale Liberale durch Gemäßigtere ersetzte. Das Bild Roosevelts wirkte zu diesem Zeitpunkt zu stark nach, als daß Truman bereits eine offene Herausforderung wagen konnte. Der Kalte Krieg entwickelte sich 1948 weiter. Die Haltung der gesellschaftlichen wie politischen Gruppen in den USA hatte sich von der ultraliberalen New-Deal-Politik wegbewegt. Und das Pendel schlug nun wieder in das rechte Spektrum hinüber. Auf diesem Wege liefen nun ausgesprochene Liberale, die
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offen und laut das kommunistische System gepriesen und eine enge Zusammenarbeit mit Stalin befürwortet hatten, Gefahr, ausgeschaltet zu werden. Was noch vor einigen Jahren annehmbar, ja sogar lobenswert war, wurde nun als gefährlich und subversiv angesehen. Da die Regierung und die Militärs die Trommeln im ideologischen Krieg nun gegen Stalin rührten, reagierte die Öffentlichkeit und wandte sich Idolen einer anderen Zeit zu.
Hoover observierte nicht nur hohe Regierungsbeamten, darunter Vizepräsident Henry Wallace, sondern auch Roo-sevelts Frau.* Mutmaßungen über Hoovers homosexuelle Veranlagung wurden über Jahre hinweg geäußert, konnten jedoch nie bestätigt werden. Solche Gerüchte, begründet oder nicht, erweckten vermutlich auch die Aufmerksamkeit von Präsident Truman und anderen. Daß ausgerechnet der ehemalige Chef der deutschen Staatspolizei seine Tätigkeit in den USA fortsetzen konnte, zeigt, wie wenig der Zweite Weltkrieg von den US-Amerikanern tatsächlich unter moralischen Gesichtspunkten geführt wurde. Als diese Gespräche 1948 geführt wurden, hatte die öffentliche Haltung gegenüber allen, die als kommunistische Spione angesehen wurden, einen Siedepunkt erreicht. Neben dem FBI, das auf Hoover eingespielt war und von ihm ganz und gar kontrolliert wurde, gab es in den USA keine wirksame Dienststelle für die interne Überwachung. Der CIA, der den in Ungnade gefallenen OSS ablöste, war so aufgebaut, daß er nur außerhalb der USA tätig werden konnte. Die Abwehr und Überwachung im Lande selbst
J. Edgar Hoovers Rolle bei der Überwachung der Roosevelt-Gegner wird von Ted Morgan untersucht; FDR, Simon & Schuster, New York 1985, S. -139, 523-524. 531, 672-674 und 726.
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wurde Hoovers FBI überlassen. Im Lauf der Zeit tauchten immer mehr Dokumente auf, die beweisen, daß die USA nicht zögerten, ehemalige Militärs und politische Spezialisten des Dritten Reiches in ihrem Kampf gegen die Sowjetunion einzusetzen. CIC-Dokumente enthüllen, daß Müllers Hinweise als lebensnotwendig für die Sicherheitsinteressen der USA angesehen wurden. Es gab Tausende von Gestapo-Informanten in den Westzonen, der späteren BRD, und in der Ostzone, der späteren DDR. Nach 1943 und dem Zusammenbruch der Abwehr der Wehrmacht war Müller für die ganze Gegenspionage in Deutschland verantwortlich. Obwohl die Gestapo offiziell nicht außerhalb der deutschen Grenzen tätig sein durfte, agierte sie dort dennoch. Müller reiste während des Krieges durch ganz Europa. Er besuchte Italien, Griechenland, Frankreich und Spanien, um Sabotageakte und anti-deutsche Bewegungen aufzuspüren. Die Polizeiattaches in jeder deutschen Botschaft waren seine Leute ebenso wie beim Grenzschutz. Die Gestapo führte die Überwachung des diplomatischen Verkehrs unabhängig vom Forschungsamt Hermann Görings oder des Auslands-SD von Schellenberg weiter durch. Die US-Regierung sicherte sich die Mitarbeit von General Reinhard Gehlen, des Chefs von Fremde Heere Ost. Als Fachmann für sowjetische Militärfragen wurde Gehlen als großer Gewinn angesehen. Seine Organisation in Pullach, Bayern, wurde dann in den Bundesnachrichtendienst umgewandelt, das deutsche Gegenstück des CIA, mit dem er eng zusammen arbeitete. Im Vergleich zu Müller war Gehlen allerdings ein Amateur. Der General machte ernsthafte Beurteilungsfehler in der Wahl seiner Untergebenen, übte nicht die Kontrolle über sie aus, die erforderlich ist, damit eine organisatorische Zusammenarbeit nicht ins Chaos abgleitet. Er hatte auch keine Skrupel 1948 einen ausführli-
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chen Bericht zu liefern, der besagte, daß 178 Sowjet-Divisionen bereit standen, um gegen Westeuropa loszuschlagen. Seine auszugsweise Weitergabe an den Kongreß durch höchste US-Militärs im Jahre 1948 kann klar als Beginn für den Rüstungswettlauf und damit den Kalten Krieg angesehen werden. Dieser ertragreiche Bericht war völlig falsch. Stalin war zu diesem Zeitpunkt keinesfalls in der Lage, bereits einen weiteren großen Krieg zu führen. Und seine Truppen in der Ostzone hatten noch nicht die volle Kampfstärke; die vorhandenen Kapazitäten wurden vielmehr abgebaut. Gehlen wußte dies damals. Nach der Blockade Berlins im Jahre 1948 befanden sich die USA inoffiziell im Kriegszustand mit Rußland. Das Wettrüsten nahm damals seinen Anfang. Als wirkungsvoller Fachmann für Gegenspionage mit glänzender Erfahrung im Aufspüren sowjetischer Agenten, hatte Müller keine Schwierigkeiten, die höchsten Empfehlungen für eine Beschäftigung bei seinen früheren Feinden zu rechtfertigen.
Diese Untersuchung befaßt sich mit aufschlußreichen geschichtlichen Epochen von Müllers Karriere während des Krieges. Seine Karriere nach dem Krieg ist ebenfalls aufschlußreich und wird der Gegenstand einer weiteren Untersuchung sein. Müller war der Architekt der Operation Bartholomeus*, eines Planes, kommunistische Politiker in Westeuropa im Falle eines sowjetischen Angriffes durch Ermordung zu neutralisieren. Die westlichen Geheimdienste verdanken dem Müllerschen System, das die ehemaligen Feinde rasch übernahmen, viel.
Finis coronat opus (Das Ende krönt das Werk).
* Anspielung auf die Bartholomäus-Nacht: Ermordung der Hugenotten in Frankreich...
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