Anlage III
DAS TELEPHONGESPRÄCH CHURCHILL-ROOSEVELT 26.11.1941
Bei den fraglichen Dokumenten handelt es sich um die Originalmitschnitte der Reichspost, die sich in Müllers persönlichen Unterlagen fanden. Weiterhin gibt es andere Originalmitschnittc, die sich im Bundesarchiv in Koblenz befinden. Teile dieser Mitschnitte wurden oft zur Verwendung für andere RSIIA-Dienststellcn oder zur Vorlage bei Hitler umgeschrieben und haben daher gelegentlich einen anderen Kopf. Jedes Mal, wenn Dokumente von dieser geschichtlichen Bedeutung wie diese Mitschnitte von Ferngesprächen auftauchen ist es erforderlich, gewisse Schritte in die Wege zu leiten, um ihre Echtheit mit Sicherheit festzustellen. Aufgrund der Gewohnheiten von Regierungen, Papiere zu falschen, um etwas zu beweisen, oder noch häufiger, um eine andere Regierung oder einen Einzelnen anzugreifen, ist es äußerst wichtig, daß wesentliche Dokumente sorgfältig überprüft werden.
Die Historiker kümmern sich in erster Linie um die Herkunft des Dokuments. Sie wollen wissen, woher es kommt und wo es zu verschiedenen Zeitpunkten gewesen ist. Dies ist sicherlich wichtig für die Annahme, daß das Dokument nicht wie so viele andere zu Ende des Krieges eingeschleust wurde. Viele wichtige Dokumente, die bei den Nürnberger Prozessen als Beweise eingeführt wurden, waren Fälschungen, die von Deutschsprechenden auf erbeutetem Material und mit Originalschreibmaschinen angefertigt wurden. Eine Anzahl dieser falschen Berichte ist auf der gleichen Schreibmaschine geschrieben. Und da diese Berichte SS-Berichte aus Frankreich und Berichte des Auswärtigen Amtes aus Bulgarien enthalten sollen, erweist sich der Gedanke, daß Kuriere eine Schreibmaschine in Europa hin und her transportieren, ab idiotisch. Die Herkunft eines Dokuments ist sicherlich bedeutend, aber nicht allein ausschlaggebend.
Das Beweismaterial muß kriminaltechnisch untersucht werden. Die Schreibmaschinen müssen, sofern Schreibpapier benutzt wurde, aus der fraglichen Zeit stammen und dürfen keine außergewöhnliche Abnutzung der Buchstaben aufweisen. Stark abgenutzte Buchstaben
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würden darauf hinweisen, daß die ursprüngliche Maschine seil 1945 ständig benutzt worden ist.
Drittens kann man die Papierherstellung überprüfen, wenn Originalbriefpapier benutzt worden ist. Papier, das in der Kriegszeit hergestellt wurde, wurde aus Holzbrei oder Altpapier hergestellt. Damals wurden zur Herstellung von Papier keine Papierweißmacher benutzt. Das optische Weißmachen von Papier kam erst nach 1945 auf, in einigen Fällen um 1948 herum. Solche Weißmacher reagieren auf ultraviolettes Licht, indem sie hell leuchtend werden. Das Papier selbst kann auch auf seine Zusammensetzung geprüft werden, aber die erste Überprüfung sollte die Untersuchung mit ultraviolettem Licht sein. Wenn Weißmacher festzustellen sind, dann handelt es sich nicht um Vorkriegs- sondern um Nachkriegspapier. Stellt man keine Weißmacher fest, dann kann man das Papier, vor allem das Papier auf der Grundlage von Holzbrei, auf die Holzzusammensetzung untersuchen. Ein Papier, das bei seiner Herstellung auf die Verwendung von Holz aus Japan, den USA oder Südafrika hinweist, wäre in aller Wahrscheinlichkeit nicht zum fraglichen Zeitpunkt in Europa hergestellt worden.
Und viertens muß der Inhalt des Dokuments der fraglichen Zeit entsprechen. Ein aktueller Zeitungsbericht über einen Zwischenfall z.B. ist auf der Grundlage der zum Zeitpunkt verfügbaren Kenntnisse häufig voller Gerüchte und Irrtümer, die sich später als unrichtig erweisen. 1948 glaubte man, daß Kußland Europa angreifen würde. Dies wurde weitgehend angenommen, und man handelte entsprechend, obwohl das Ganze falsch war. Daher würde ein Schreiber aus der damaligen Zeit von einer möglichen sowjetischen Invasion sprechen, während ein Schreiber aus einer anderen, späteren Zeit über diese Zeit mit der Kenntnis schreiben würde, daß der Angriff, die Invasion nicht stattgefunden hat.
Maler, die Bilder fälschen, benutzen Techniken und Stilformen ihrer Zeit, nicht jene eines früheren Künstlers. Ihre Werke werden oft als richtig akzeptiert, weil der Stil üblich und akzeptabel ist. Nachdem sich 50 Jahre später der Stil geändert hat, ist die Fälschung sofort als solche erkennbar. Man stellt fest, daß sie z.B. um 1850 herum und nicht um 1650 herum gemacht worden ist.
Dies sind Grundregeln, die man bei der Beurteilung der Echtheit eines Dokumentes beachten muß. Die gleichen Regeln gelten mit einigen Änderungen auch für die Entdeckungen von Kunstfälschungen.
Es ist ein großer Irrtum, die Meinung von Historikern oder Kunstfachschulen zu suchen, wenn man ehrliche Feststellungen treffen will.
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Der Grund: die Geisteshaltung der einzelnen. Jemand, der Roosevelt oder Churchill treu ergeben ist, würde z.B. dazu neigen, alles, was seinen Idolen schadet, zurückzuweisen, während ein Historiker, der diese Männer verachtet, sofort alles, was seine Ansichten stützt, akzeptieren würde. Ein überzeugter Kommunist wäre beim Denunzieren Müllers hart, jenes Mannes, der ihr System haßte und der alles tat, dessen Anhänger mit seiner nicht unbeachtlichen Macht auszumerzen. Von einem Kunsthändler, der seinen Aufstieg der Unterstützung von Händlern verdankte, für die er Gemälde verkaufte, die diese nie selbst besitzen wollten oder in der Toilette aufhängen würden, könnte man vernünftigerweise nicht erwarten, daß er sein eigenes Nest beschmutzt, indem er zugibt, daß die meisten ihrer echten Gemälde auf Besiedlung beruhen.
Keine Regierung oder irgendeine festgefügte Gruppe hilft bereitwillig bei der Untergrabung des eigenen Erbes und der eigenen Glaubwürdigkeit. Kein Besitzer, Geschäftsmann einer Kunstgalerie wird der Behauptung zustimmen, daß eine seiner kostbarsten Erwerbungen eine Fälschung ist. Etablierte tun alles, was sie können, um sich gegen Angriffe zu verteidigen. Und sie gehen bei der Verteidigung von Positionen und Meinungen, die sie privat als unhaltbar ansehen, sehr weit.
Archive haben nichts, wonach der bilderstürmende Forscher sucht, Beamte geben keine Stellungnahmen zu gefährlichen Themen ab. Verleger einwickeln eine plötzliche Interesselosigkeit an Manuskripten, Buchhandlungen haben nie vorrätig, was ihre Mitbesitzer nicht mögen und letztendlich gibt es dann noch die Kettenhunde des Finanzamtes, die man auf seine Feinde loslassen kann. Der Dolch des Mörders wurde durch den Taschenrechner ersetzt. Die Wirkung ist die gleiche.
Die Mitschnitte der Reichspost sind all den oben angeführten Untersuchungen unterworfen worden. Andernfalls wären sie nicht in diese Abhandlung oder in den Anhang aufgenommen worden. Wer sie aus Überzeugungsgründen, seinem politischen oder ideologischen Glauben heraus, nicht glauben will, mag das tun. Es gibt auch Menschen, die glauben, daß die Erde eine Scheibe ist.
Der Mitschnitt des Ferngespräches Roosevelt-Churchill - Geheime Reichssache Nr. 321/41, Zeit 26.11.194l, Uhrzeit 13.35 - ist schon im Hauptteil übersetzt. Im Anhang wird der Originaltext veröffentlicht.
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