Anlage VI

DIE SERENY-AKTE

Der CIA-Bericht über Heinrich Müller und Odilo Globocnik, der in den 80er Jahren auftauchte, war Gegenstand intensiver Nachforschungen im offiziellen Washington. Die oft anzutreffende schlechte Güte geht auf die Tatsache zurück, daß sich diese Dokumente auf Mikrofilm befinden. Die Einordnungshinweise sowie das Schwärzen (Zensur) sind für Unterlagen kennzeichnend, die von offiziellen Dienststellen freigegeben werden. Einzelheiten dieser äußerst wichtigen Dokumente sind in ausführlicher Form wiedergegeben. Der einzige Teil dieser Dokumente, der nicht für die Öffentlichkeit freigegeben wurde, ist die Kopie eines als »Geheim« eingestuften Berichtes des britischen Geheimdienstes zu diesem Thema. Da sich der Text dieses Berichtes im wesentlichen in den amerikanischen Dokumenten findet und da die US-Regierung ausländische Agentenberichte nicht freigeben darf, fehlt der britische Bericht in diesem Zusammenhang.

Unleserlich GEHEIM

Agentenbericht

unleserlich /unleserlich

ehemalige SS-Generäle Müller und Globocnik/30.November 1948

Bezug: sowjetische Nachforschungen

Bezug: Vorhaben ÜBERSEE/3

/unleserlich /VIII - 12203

unleserlich

1. Jüngste Nachforschungen von Sondergruppen sowjetischer Agenten in den Westzonen, die nach sicheren Hinweisen über den möglichen Verbleib der früheren SS-Generäle Heinrich Müller und Odilo Globocnik suchen, haben offensichtlich ausreichende Anhaltspunkte ergeben, die eine verstärkte Tätigkeit rechtfertigen.

2. Angeblich haben die Sowjets Spuren entdeckt, die sie zur Vermutung veranlassen, daß die beiden oben Genannten bei Kriegsende nicht umgekommen sind. Dies ist Teil ihrer weitergehenden Nachforschungen in obiger Sache in der Annahme, daß der Westen hochrangige Nazi-Führer, die die Sowjets wegen Gerichtsverfahren suchen oder die sie möglicherweise ihrem Agentennetz eingliedern wollen, bei sich hat.

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3. Bis zum jetzigen Zeitpunkt konzentrierten sich die sowjetischen Bemühungen darauf, den Aufenthaltsort von Hitler, Bormann und dem früheren SS-General Fegelein zu entdecken. Die Sowjets nehmen an, daß diese Führer im April/Mai 1945 aus Berlin geflohen sind und sich im Westen aufhallen, was von allen betroffenen westlichen Geheimdiensten, die sich kurzgeschlossen haben, aufs schärfste bestritten wird.

4. Der ehemalige Gestapo-Chef Müller ist für die Sowjets ein besonders lohnendes Zielobjekt, während Globocnik im Zusammenhang mit dem KL-System in Polen als wertvolles Propagandaobjekt angesehen wird.

5. Müllers Wert für den Westen steht außer Frage, aber der weitere Schutz Globocniks könnte sich als höchste Belastung erweisen. Der britische Geheimdienst hat wegen seiner Mitarbeit in der Überstellung Globocniks wiederholt darauf bestanden, ihn sofort auszuschalten oder ihn woanders hinzubringen und zwar so, daß er völlig außerhalb des sowjetischen Suchbereiches ist.

6. Globocniks Wert als Fachmann für Partisanenbekämpfung hat sich weniger nützlich herausgestellt. Die laufenden Vorhaben, an denen er beteiligt ist, scheinen nicht die gewünschten Informationen zu liefern. Auch ist die »Historical Section« (Abt. Geschichte) von der Güte der gelieferten Informationen begeistert.

7. Abschriften der britischen Forderungen sind angeheftet. Des weiteren in die Tiefe gehende Überlegungen, inwieweit die Sowjets von den Vorhaben ÜBERSEE 2 und 3 Kenntnis haben könnten. Es sollte darauf hingewiesen werden, daß die sowjetischen Nachforschungen in Spanien aufgrund der Feindseligkeit der spanischen Regierung überaus geheim durchgeführt werden. Es wurde festgestellt, daß die Sowjets ihre Nachforschungen in den letzten Monaten auf den Raum Barcelona konzentrieren.

8. Fragen des Bargeldes, das Globocnik gehört und das zur Zeit treuhänderisch verwahrt wird, könnte leicht transferiert werden, sollte die Entscheidung getroffen werden, es an einen Ort in der westlichen Hemisphäre zu bringen. Eine vollständige Auflistung dieser Treuhandgelder ist diesem Bericht ebenfalls beigefügt.

9. Eine vollständige Neubewertung von ÜBERSEE ist wohl angezeigt.

10ff.: geschwärzt = Zensur!

unleserlich

Severin )?) Wallace, S/A /unleserlich

CIC Region VII (Ext.Br.) /...handschriftliche

Unterschrift

ND - unleserlich - 34l -unleserlich....

357


GEHEIM

(VIII-12203 v. 30. Nov .l948 - Bezug: die ehemaligen SS-Generäle Müller und Globocnik)

11. Wegen der ausführlicher dargestellten Lage im Zusammenhang mit ÜBERSEE l in Verbindung mit Hitler und anderen höchsten Naziführern sei auf den zuvor erwähnten Bericht des ehemaligen Oberststabszahlmeister Franzbach des KO Spanien, Gr.III, hingewiesen. Dies sollte die gegenwärtige Einschätzung vollständig verdeutlichen. Der spanische Hafen... - im Original geschwärzt » Zensur..

12. Sollten ÜBERSEE II und III zumindest teilweise fortgeführt werden, dann ist die Finanzierung sicherlich angezeigt. Besondere Finanzierungen..nun.. - im Orignal geschwärzt = Zensur ... - unter der Kontrolle des früheren Obersturmführers Gross vom RSHA, Amt VI/D4 können ... - geschwärzt ... und auch vom früheren Max Heiliger-Konto der Reichsbank .. - Rest geschwärzt..

13. Die Verwendung der RM und von britischen Pfund aus diesen Quellen wird aus den oben genannten Gründen nicht empfehlenswert, die Verwendung von Dollars ist streng untersagt, da ... - geschwärzt ... - Gold und Platinum sollten zuerst eingeschmolzen werden.

14. Die ursprüngliche Befürwortung einer Verwendung der früheren SS-Leute mit unschönem Hintergrund wie im Falle Globocnik und Wirth sollte sicherlich neu überdacht werden, während der offensichtliche Wert von Müller und Skorzeny in Übereinstimmung mit den jüngst festgelegten politischen Richtlinien ist ... - geschwärzt...

Seite 2 von vier Seiten

Kopie l von 7 Kopien

GEHEIM

2.

GEHEIM

(VII-12203 v. 30. Nov. l948 - Bezug: die früheren SS-Generäle Müller und Globocnik)

- geschwärzt ..

17. Mögliche Einwendungen der Halder-Gruppe* wegen der Verwendung von Müller... geschwärzt... - UPA-Cehf, können umgangen

• Es handelt sich hier um Franz Halder (1884-1972). Als Generaloberst war Halder Chef des Generalstabes des Heeres vom 1. Sept. 1939 bis zum 24. Sept. 1942, als er von Hitler abgesetzt wurde. Nach dem Kriege arbeitete Halder mit

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werden, indem man eine Untergruppe innerhalb der ... - geschwärzt..., so daß es möglich sein, .... offiziell zurückzuweisen... -geschwärzt- ...

19- Ein vollständiger Bericht von ... - geschwärzt -.... über die Ergebnisse seiner Durchsicht der sowjetischen Agenten, die ihm unterstanden, siehe.... werden...

Seite 3 von 4 Seiten

Kopie/von/Kopien

3

GEHEIM

GEHEIM

(VII-12203 v. 30. Nov. 1948 - Bezug: die früheren SS-Generäle Müller und Globocnik)

... - geschwärzt- ...

HINWEISE DES AGENTEN: Eine genaue Durchsicht von Anhang »A« bietet einen genaueren Überblick über die derzeitige Lage hinsichtlich Operation.... Die Befürchtungen von ...werden mittelbar im Schlußabschnitt des Anhanges »A« angesprochen.

Unterschrift
Severin F. Wallach
Specia Agent CIC
Gebilligt: Unterschrift
Andrew L. Venters
Special Agent CIC
Operations Officer

4

GEHEIM

»Geheim« ist jeweils quer durchgestrichen

einer Gruppe ehemaliger höherer Offiziere für den Forschungsbereich der US-Armee; sie war damit befaßt, Militärgeschichte zu schreiben.

Bei dem HPA-Chef, der erwähnt wird, kann es sich nur um General Wilhelm Burgdorf handeln. Burgdorf war der Chef des Heerespersonalamtes vom 14. Okl. 1944 an. Der einzige andere Offizier, der dieses Amt leitete, General Schmundt, starb im Oktober 1944, und zwar an den Folgen der Verletzungen, die er am 20. Juli 1944 beim Attentatsversuch auf Hitler erlitten hatte. Die Bedeutung von Burgdorfs Erwähnung in einem Nachkriegstext erklärt sich aus der Tatsache, daß er im April 1945 im Führerbunker war. Wiederholten Aussagen zufolge soll er dort gestorben sein. Doch es wurde kein Leichnam gefunden; der Grund dafür ist nun klar.

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GEHEIM

Anhang »A« - Die Entwicklung und Verwendung früherer höherer SS-Offiziere

Gegenstand: die früheren SS-Generäle Globocnik und Müller

1. Aufgrund der offensichtlichen Absicht der Sowjetmacht den Westmächten in naher Zukunft eine militärische Lösung aufzuzwingen, ist es offensichtlich, daß die Deutschen aufgefordert sind, bei der Verteidigung ihres Landes sowie der anderer europäischer Länder zu helfen.

2. Den Westmächten mangelt es sehr an gchcimdienstlichen Nachrichten hinsichtlich der Stärken und Schwächen der Sowjets. Und die einzigen militärischen Fachleute, die jüngste und wertvolle Erfahrung darin haben, sind die Deutschen.

3- Die Entscheidung über den Aufbau deutscher Streitkräfte unter der Aufsicht der Westmächte ist schon gefallen. Der Aufbau ist schon im Gange. Arbeits- und Untersuchungsgruppen, die aus ehemaligen deutschen Militärs zusammengesetzt sind, die mittelbare strategische und taktische Erfahrung im Umgang mit dem sowjetischen Militärapparat haben, kommen schnell voran und erfüllen die ihnen gegebenen Vorgaben.

4. Gleichlaufend mit dem Aufbau militärischer Strukturen ist der Aufbau von Nachrichtendiensten, deren Mitarbeiter sich wiederum aus erfahrenen früheren deutschen Militärs zusammensetzen. Diese ehemaligen Wehrmachtsangehörigen haben eine beachtliche Bereitschaft gezeigt, mit den Westmächten zusammenzuarbeiten.

5. Nach dem Attentatsversuch auf Hitler am 20. Juli übernahm die SS die Aufgaben der Abwehr. Sowohl die Gestapo unter General Müller als auch der SD unter General Kaltenbrunner kontrollierten schließlich alle eingehenden Nachrichten. Die Abwehr der Wehrmacht unterstand dem Chef des Generalstabes unter Leitung von General Gehlen, dem Chef von Fremde Heere Ost.

6. Die große Mehrheit der früheren Wehrmachtsangehörigen mittlerer und höherer Dienstgrade ist stark antinazistisch, war häufig in Verschwörungen gegen Hitler verwickelt und lebte in ständiger Furcht vor Himmler und seiner SS. Aus diesem Grunde wäre eine Zusammenarbeit zwischen früheren Wehrmachtsangehörigen und früheren SS-Leuten äußerst schwierig.

7. Auch muß die Treue der SS gegenüber Hitler beachtet werden. Die Wehrmacht stand nicht treu zu Hitler. Die SS aber war Hitlers

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Privatarmee und schwor ihm allein den Treueeid. Die meisten überlebenden SS-Leute wissen nichts von Hitlers Flucht aus Berlin und nehmen an, daß er bei der Verteidigung der Stadt gefallen ist. Ihre mittelbare Treue gilt sicherlich nicht den Westmächten. Da SS-Leute an einen totalitären Staat gewohnt sind, haben viele die Zusammenarbeit mit den Sowjets gesucht, deren System ihrem früheren am ähnlichsten war. Einzelne SS-Leute können sicherlich eingesetzt werden, müssen aber sorgfältig überwacht werden. Im Falle eines sowjetischen Angriffes auf Europa könnten sie sehr wohl zu den Sowjets überlaufen.

8. Da das Auftauchen Hitlers auf der internationalen politischen Bühne selbst bei einer Wiederbelebung der Feindseligkeiten mit den Sowjets völlig undenkbar ist, ist der Einsatz seiner Elitetruppen im offenen Kampf oder im Bereich des Nachrichtendienstes zur Zeit nicht vorgesehen.

9. Der Transfer riesiger Geldbeträge ins Ausland durch Bormann während der letzten Kriegsjahre hat sich für die Westmächte als beachtlicher Nutzen herausgestellt. Ehemalige Nazis haben zugestimmt einen Teil ihres Geldes den USA beim Versuch, Europa gegen sowjetische Militärabenteuer zu verteidigen, zur Verfügung zu stellen. Darüberhinaus wurde den US-Geheimdiensten eine beachtliche Menge wertvollen Informationsmaterials zugänglich gemacht. Der frühere SS-General Müller hat sich als äußerst wertvoll herausgestellt, desgleichen sind seine Geheimdienstunterlagen von beachtlichem Wert.

GEHEIM

1.

GEHEIM

10. Müller selbst ist sicherlich kein Nazi; er trat sehr spät in die Partei ein. Als ehemaliger Mitarbeiter der Bayerischen Staatspolizei, deren Aufgabe es war, die frühe NS-Bewegung zu neutralisieren, meint er, daß sein Überleben und seine Beförderung ein »Wunder« war. Zu Recht erwartete er, 1933 verhaftet zu werden. Müller ist Berufspolizist, dessen Spezialgebiet die Innenpolitik ist, zudem ist er als entschiedener Anti-Kommunist bekannt. Seine Zusammenarbeit hat sich höchst wertvoll erwiesen. Sobald Müllers Verbringen in die USA gebilligt worden ist, wird er mit all seinen Unterlagen von Berlin

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fliegen. Diese Akten wurden mit äußerster Vorsicht und Genauigkeit in der Wolzogenstrasse 15, dem Hauptquartier der Region VIII, zwischengelagert.

11. Während der frühere SS-General Globocnik nicht die Erfahrung Müllers hat und der Umgang mit ihm äußerst unangenehm ist, so verfügt er nichtsdestoweniger über Fähigkeiten, die sich in gemeinsame britisch-amerikanische Überlegungen im Nahen und Mittleren Osten einbauen lassen. Im Falle militärischer Handlungen seitens der Sowjets wird damit gerechnet, daß die Erdölgebiete des Nahen und Mittleren Ostens angegriffen werden. Das jüngste Entstehen eines höchst radikalen zionistischen Staates in Palästina hat im Westen zu beachtlicher Beunruhigung geführt. Man weiß, daß viele Zionistenführer ehemalige Sowjetbürger sind und auch in Terroranschläge verwickelt waren. Die Ermordung eines Mannes wie Lord Moyne in Kairo sowie anderer, wie auch die besonders bösartigen Terroranschläge gegen die Briten in Palästina, haben zu der Annahme geführt, daß die Sowjets möglicherweise gefährliche Verbindungen knüpfen, die sie sicherlich bei ihrem Vormarsch in den Nahen und Mittleren Osten nutzen würden. Zudem äußern wichtige erdölfördernde arabische Staaten ihre Befürchtungen über die Errichtung eines zionistischen Staates.

12. Sofern es für den Westen erforderlich werden sollte, gegen die Zionisten militärisch vorzugehen, wurde der Einsatz von SS-Leuten wie Globocnik von den Briten mehrmals vorgeschlagen. Da es unmöglich wäre, solche Leute in den USA zu schützen, regte man an, sie in Syrien unterzubringen, wo sie im Bedarfsfall als Fachleute für die Unterbringung und Niederhaltung aufrührerischer Elemente benötigt werden.

13. Globocnik hat wiederholt seine Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, sein Geld, das in gewissen Gebieten Österreichs versteckt ist, zu holen. Einiges wurde vom britischen Geheimdienst entdeckt und ein Teil davon ging zu dem Zeitpunkt an uns, als Globocnik in amerikanischen Gewahrsam kam.

14. Globocnik wurde davon unterrichtet, daß dieses Vermögen, das er als Teil eines »besonderen deutschen Regierungsprogrammes« bezeichnet, aber in Wirklichkeit die Beute aus den Todeslagern zu sein scheint, bis auf weiteres für ihn treuhänderisch verwahrt wird.

15. Es hat den Anschein, daß das fehlende Vermögen aus Bargeld besteht, Edelmetallen und Juwelen, und daß die Briten keinesfalls alles entdeckt haben.

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16. Globocnik deutet an, er mache genaue Ortsangaben für das versteckte Vermögen, das ihm zufolge sehr wertvoll ist, wenn man ihm davon 50% überläßt, weitere von ihm zu benennende Familienmitglieder sollten zusätzliche 2596 erhalten.

17. Globocnik wurde darauf hingewiesen, daß er mit seiner Behandlung im Hinblick auf seine Vergangenheit viel Glück hatte und daß weiteres Unbotmäßigsein seinerseits für ihn wahrscheinlich das endgültige Aus sein könnte. Die Briten hatten ähnliche Probleme; ein Bericht ist beigefügt.

GEHEIM

2.

18. Es sollte erwähnt werden, daß diese Verstecke offensichtlich keine bedeutenden Dokumente, außer Empfangsbescheinigungen der Reichsbank, enthalten.

19. Globocnik widerspricht auch heftig seinem Einsatz beim »Vorhaben Syrien«. Er behauptet, er hasse die Juden nicht und wolle nur einen friedlichen Ruhestand.

20. Es wird angeregt, daß Globocnik echte Papiere aus jugoslawischen Quellen erhält. Da Tito mit Moskau zu Jahresanfang gebrochen hat, sind die Jugoslawen mehrmals auf den Westen wegen möglicher Unterstützung im Falle eines sowjetischen Angriffs zugekommen. Ein Nutzen aus dieser Haltung ist die Zusammenarbeit des jugoslawischen Geheimdienstes mit westlichen Geheimdienststellen. Da Globocnik aus Triest stammt, geht man davon aus, daß man ihm eine gesetzliche jugoslawische Identität geben und ihn unter der Bewachung von..... nach Kanada schicken kann. Später kann er in den Raum Miami gebracht werden mit der Aussicht, ihn über unseren Transferort..... nach Syrien zu bringen.

Unterschrift
ANDREW L. VENTERS
Special Agent CIC
Operations Officer

GEHEIM

3.

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Als Gitta Sereny diese Dokumente las, war sie über die möglichen Auswirkungen erschrocken. Als Journalistin, die sich auf die Nazijagd spezialisiert hatte, betrachtete sie die Verwendung von Müller und Globocnik sowohl durch die USA als auch durch Großbritannien als Schande. Aufgrund der Bedeutung des Materials, war es zwingend erforderlich, daß sie äußerste Sorgfalt bei der Feststellung der Echtheit der Dokumente walten lassen mußte.* Sie setzte sich sofort mit Robert Wolfe vom US-Nationalarchiv, Abteilung ›Erbeutete deutsche Dokumente‹ und anerkanntem Fachmann für deutsche Militärdokumente, in Verbindung. Diese Dokumente stammten jedoch aus der Nachkriegszeit und es waren amerikanische Dokumente. Aber Wolfe teilte mit, er tue sein Bestes, um Sereny zu helfen. Er selbst war über den Inhalt der Dokumente schockiert. Dennoch hielt er ihre Echtheit in Anbetracht des damaligen Barbie-Skandals für wahrscheinlich.

Wolfe brachte die Dokumente zum Geheimdienst und Sicherheitskommando der US-Armee nach Fort George Meade in Maryland; dort befindet sich das Archiv des US-Geheimdienstes. Hier würde man, so hoffte er, Originale finden. Als Wolfe die Dokumente dem Direktor, Colonel Walsh zeigte, meinte dieser, daß die Dokumente, abgesehen vom fehlenden Einstufungsstempel, was aber nicht unüblich sei, echt aussehen. Der Direktor versicherte Wolfe, er würde im Archiv nach Unterlagen, die damit im Zusammenhang stehen, suchen lassen.

Wolfe führte seine eigenen Nachforschungen im Nationalarchiv weiter. Dort entdeckte er eine Originalakte mit der Unterschrift von Severin Wallach, und diese Unterschrift stimmte mit der auf den Sereny-Dokumenten überein. Dieses Original wies auch darauf hin, daß Wallach in der fraglichen Zeit beim CIC in Berlin tätig war.

Nach längerem Schweigen von Fort Meade schrieb Wolfe schließlich eine offizielle Anforderung an Colonel Walsh und bat um alle Unterlagen über Heinrich Müller und Odilo Globocnik. Mehrere Tage später erhielt Wolfe eine Antwort: Es gäbe im Meade-Archiv weder Unterlagen über Müller noch über Globocnik. Da Müller ein großer Mitspieler im Spiel der Nachrichtendienste war, konnte Wolfe das

* Die Sereny schrieb später einen ausführlichen, aber tendenziösen Bericht über ihre Versuche, die Echtheit festzustellen Umfangreiches Material, das diese Versuche beschreibt, stammt aus diesem Artikel, der am 19. Juli 1992 in der britischen Zeitung ›The Independent on Sunday‹ veröffentlicht wurde.

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Fehlen von irgendwelchen Unterlagen über ihn nicht glauben. Sereny fand das so erschütternd, daß sie persönlich nach Washington kam. Dort beschloß sie, sich an das OSI um Unterstützung zu wenden. Das OSI (Office for Special Investigation = Amt für besondere Nachforschungen) war eine kleine Abteilung im Justizministerium. Seine Aufgabe: Ehemalige Nazis ausfindig zu machen, die in die USA gelangt waren, indem sie der Einwanderungsbehörde gegenüber falsche Angaben gemacht hatten. Diese Abteilung hatte in Sachen Nachforschungen beachtliches Gewicht. Und die Sereny hoffte, daß sie die Meade-Unterlagen zwecks Bestätigung überprüfen könnte. In einer Besprechung mit hochrangigen OSI-Leuten war man sich einig, daß die Veröffentlichung der fraglichen Dokumente sowohl für die USA als auch für Großbritannien möglicherweise ernsthafte Probleme mit sich bringen würde. Jede Nachforschung sollte daher sorgfältig und umgehend durchgeführt werden. Es ist nicht überraschend, daß die OSI-Sonderfahndungsgruppe in der Lage war, im Fort Meade-Archiv sowohl eine Akte über Müller als auch eine über Globocnik aufzuspüren. Weder Wolfe noch die Sereny erhielten eine Ablichtung. Aber man ließ sie wissen, daß die Akte über Globocnik sehr dünn sei und die über Müller etwas über 40 Seiten umfaßt, und letzterer solle für die Russen arbeiten.

Tatsächlich umfaßt die Akte Heinrich Müller über 130 Seiten, wie der Verfasser entdeckte, als er im September 1993 unverhofft eine Ablichtung erhielt. 58 Seiten der Akte mit der Nummer XE 235539 WJ wurden zurückgehalten, weil die Verantwortlichen in Fort Meade entschieden, daß sie noch immer als »Geheim« und »Vertraulich« eingestuft waren. Und die Freigabe dieser Seilen könnte, wie vernünftigerweise zu erwarten wäre, ernsthaften Schaden für die nationale Sicherheit bedeuten. Ein Teil des zurückgehaltenen Materials scheint den umfangreichen Briefwechsel mit der deutschen Bundesanwaltschaft hinsichtlich des Aufenthaltsortes von Müller zu enthalten, weil man annahm, die Amerikaner wüßten, wo er ist. Die deutschen Anfragen, die völlig zurückgehalten werden, und die vorhandenen amerikanischen Antworten, die aber stark zensiert sind, stimmen genau überein.

Der einzige Hinweis in der ganzen Akte auf eine mögliche Beschäftigung Müllers durch die Russen ist ein kurzer Bericht vom März 1951, in dem ein deutscher Informant namens Dr. Wilhelm H. Schmilz behauptete, Müller könnte für den tschechischen Geheimdienst arbeiten. Es gibt allerdings keinen Hinweis auf Kußland, die Gründe für den offensichtlichen Irrtum der OSI bleiben unverständlich.

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Das OSI übergab Ablichtungen der Sereny-Dokumente dem FBI und bat um genaue Sachüberprüfung. Das FBI überprüfte die Schreibmaschinenseiten und stellte fest, daß die Maschine wie die Buchstaben zur fraglichen Zeit passen. Sie überprüften auch mit Hilfe eines PC's die Dokumente mit Originalberichten von Wallach als auch von Venters. Die Berichte ergeben, daß die Schreibstile gleich sind.

Verschiedene Abteilungen des Justizministeriums befragten frühere CIC-Agenten, die beide Männer kannten und den Schreibstil der beiden bestätigten. Die Sereny machte später einen früheren CIC-Offizier ausfindig, der beide Männer sehr gut kannte und der aussagte: Außergewöhnlich... »Das Format stimmt, die methodische Vorgehensweise stimmt und in Anbetracht der beiden Personen, die das angeblich geschrieben haben, stimmen sogar der Ton und Atem des Konzeptes überein.«

Anstatt die Frage zu lösen, zogen diese Enthüllungen weitere Probleme nach sich. Niemand wollte mehr zu dieser CIC-Akte im allgemeinen noch über General Müller im besonderen eine Stellungnahme abgeben. Müllers Meade-Akte ist voller Hinweise auf seine Flucht, Hinweise, die dadurch bestärkl werden, daß die Deutschen nach dem Kriege versuchten, seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Das Schlußwort aus dem offiziellen Washington kam von Robert Wolfe, der die Möglichkeit halle zu erleben, wie erschreckte Bürokraten eifrig versuchten, geschichtliche Katzenkäfige zu verbergen.

Als man ihn offiziell bat, seine eigene Meinung zur Echtheit der Sereny-Dokumente zu äußern, stellte er in einem Brief vom 19. Aug. 1993 fest:...»Auf der Grundlage aller internen Beweisführungen schienen die Dokumente echt zu sein.«

Da die Dokumente nur in Ablichtung vorhanden sind, Wolfe halle nie irgendwelche Originale gesehen, beschränkte er sich in seinem Kommentar nur auf das Äußerliche sowie seine Erfahrung auf diesem Gebiet. Niemand außer den Meade-Verantwortlichen weiß, was die Meade-Aktcn wirklich enthalten. Die Tatsache, daß man glaubt, daß sich gewisse Dokumente im Zusammenhang mit Müller noch immer auf die nationale Sicherheit auswirken, mag zur Annahme verleiten, daß die Sereny-Dokument nur die Spitze eines sehr gefährlichen Eisberges darstellen.

Beim Versuch, die Nachkriegskarriere von Heinrich Müller nachzuzeichnen, schrieb der Verfasser an zahlreiche offizielle Stellen in den USA als auch in Europa. Die Antworten wechselten zwischen schnell und hilfreich bis verspätet und unsinnig. Eine US-Stelle teilte mit, Heinrich Müller müsse eine Zustimmungserklärung unterschrei-

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ben, damit Unterlagen über ihn freigegeben werden können. Andere Dienststellen antworteten überhaupt nicht.

Da das Gespräch im Jahre 1948 aufgrund der Deckblätter vom CIA geführt worden war, wurde unter Hinweis auf das Freedom of Informations Act, FOIA, (Gesetz zum freien Zugang von Informationen) im September 1993 eine Nachfrage beim CIA gemacht. Vom CIA kam schon am 27. September die umgehende Antwort. Man teilte mit, es liege eine weitere Anfrage wegen der Müller-Akte vor, und man werde sich darum kümmern.

Am 11. Januar 1995 antwortete das CIA-FOIA-Büro und teilte mit, man sei die Akte durchgegangen. Sie sei insgesamt auf der Grundlage besonderer Freistellung nicht freigegeben. Der erste Grund: das Material sei gemäß eines Erlasses im Interesse der nationalen Sicherheit oder Außenpolitik richtig eingestuft. Der zweite Grund: Es gehöre zu den gesetzlichen Pflichten des Direktors, die Quellen und Methoden wie auch die Organisation, die Funktionen, die Namen, die offiziellen Titel, die Gehälter oder die Zahl der Mitarbeiter der Dienststelle in Übereinstimmung mit dem »National Security Act« (Gesetz zur nationalen Sicherheit) von 1947 und dem »CIA Act« (CIA-Gesetz) von 1949 vor Entdeckung zu schützen. (Hervorhebung durch den Verfasser).

Die unter Verschluß gehaltenen Dokumente umfassen etwas mehr als 50 Seiten. Sie sind nicht nur beim CIA vorhanden, sondern befinden sich auch in den Fort-Meade-Akten. Ein Bericht stammt vom 18. Dez. 1959. Die andere Akte, die aus mehreren Teilen besteht, ist ohne Datumsangabe. Die Anfragen nach Müller wurden nur unter seinem richtigen Namen gemacht und nicht unter den bekannten Decknamen, die Müller nach dem Krieg benutzte.

FOIA-Anfragen in diesem Bereich könnten noch aufschlußreicheres Material ans Tageslicht bringen.

Diese Fragen könnte Dr. David Maxwell vom OSI klären, der die Müller-Akte in Fort Meade überprüft hat. Da die CIA-Berichte stets Teil dieser Akte sind, könnte Dr. Maxwell möglicherweise etwas Licht bezüglich ihres Inhaltes bringen. Als Direktor des Berliner Document Center erwies sich Dr. Maxwell als äußerst hilfreich, als er bewies, daß es zwei von Trevor-Ropers Kronzeugen nicht gab. Und zweifelsohne könnte erden Wunsch äußern, sich mit der Akte Müller zu befassen. Dr. Maxwell ist z. Z. Vorsitzender des Untersuchungsauschusses des Präsidenten wegen der Ermordung von Präsident Kennedy.

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