4. Hans Frank

"Wir haben den Kampf gegen das Judentum jahrelang geführt, und wir haben uns in Außerungen ergangen -- und mein Tagebuch ist mir selbst als Zeuge gegenübergetreten --, die furchtbar sind... Tausend Jahre werden vergehen und diese Schuld von Deutschland nicht wegnehmen."

Diese Worte, die alle Behauptungen über die Judenausrottung anscheinend bestätigen, stammen von einem der bekanntesten Würdenträger des Dritten Reiches, dem seit Mitte der Zwanziger Jahre als Rechtsberater der NSDAP fungierenden Hans Frank, der nach der Machtübernahme mehrere hohe Ämter -- u. a. das des Präsidenten der Akademie für deutsches Recht -- bekleidete, bis er im Oktober 1939 Hitlers Generalgouverneur in Polen wurde. Er sprach sie im Nürnberger IMT-prozeß als Zeuge im Kreuzverhör. Seitdem wird diese Aussage Franks stets so oder sinngemäß zitiert und als wichtige Beweisstütze für den dem Dritten Reich angelasteten Völkermord an den Juden herangezogen [145]. Lagen doch die angeblichen Vernichtungslager -- auch Auschwitz- auf polnischem Boden, eine Tatsache, die in Nürnberg dazu mißbraucht wurde, Frank die Verantwortung für diese Lager aufzubürden. Tatsächlich hatte Frank jedoch kaum direkte Einwirkungsmöglichkeiten auf die in seinem Amtsbereich liegenden Konzentrationslager, weil diese unmittelbar der SS unterstanden. Diesen Umstand übersieht man geflissentlich und legt um so mehr Gewicht auf sein so eindrucksvolles und dramatisches "Schuldbekenntnis". Er als Generalgouverneur "mußte es ja wissen" !

Indessen wußte Frank -- wie seine Vernehmung vor dem IMT am 18. April 1946 ergab -- überhaupt nichts Konkretes über die sog. Judenausrottung. Ein Konzentrationslager hatte er lediglich einmal von innen gesehen, und zwar das im Reichsgebiet gelegene Lager Dachau. Die "Vernichtungslager" in seinem späteren Amtsbereich kannte er nur dem Namen nach oder gar nicht. Insbesondere wußte er auch von den angeblichen "Vergasungen" nichts [146].

Das allein schon nimmt seinem oben zitierten Ausspruch sehr viel von der ihm gewöhnlich beigemessenen Bedeutung. Doch weit schwerer noch wiegt die sich bei einer Gesamtbetrachtung der damaligen Aussage Franks ergebende Erkenntnis, daß diese so gut wie allgemein stets unvollständig zitiert wird und dadurch einen ganz anderen Sinn erhält. Frank erklärte nämlich seinerzeit auf die Frage seines Verteidigers, des Rechtsanwalts Dr. Seidl, ob er sich jemals irgendwie an der Vernichtung von Juden beteiligt habe, über die eingangs zitierten Sätze hinaus [147]

"Ich sage ja; und zwar sage ich deshalb ja, weil ich unter dem Eindruck dieser fünf Monate der Verhandlung und vor allem unter dem Eindruck der Aussage des Zeugen Höß es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren könnte, die Verantwortung dafür allein auf diese kleinen Menschen abzuwälzen. Ich habe niemals ein Judenvernichtungslager eingerichtet oder ihr Bestehen gefordert; aber wenn Adolf Hitler persönlich diese furchtbare Verantwortung auf sein Volk gewälzt hat, dann trifft sie auch mich; denn wir haben den Kampf gegen das Judentum jahrelang geführt, und wir haben uns in Äußerungen ergangen -- und mein Tagebuch ist mir selbst als Zeuge gegenübergetreten --, die furchtbar sind. Und ich habe daher die Pflicht, Ihre Frage in diesem Sinne und in diesem Zusammenhang mit Ja zu beantworten. Tausend Jahre werden vergehen und diese Schuld von Deutschland nicht wegnehmen."

Franks "Schuldgeständnis" beruhte also unbestreitbar auf einer Hypothese: Wenn Hitler persönlich diese furchtbare Verantwortung auf unser Volk gewälzt habe, dann treffe auch ihn -- Frank -- die Verantwortung hierfür. Überdies stand Frank hierbei nach seinen eigenen Worten "unter dem Eindruck dieser fünf Monate Verhandlung und vor allem... der Aussage des Zeugen Höß". Diese Worte erklären alles! Denn in Nürnberg wurde -- wie inzwischen durch zahlreiche Untersuchungen nachgewiesen werden konnte -- mit Hilfe psychologischer Tricks, fragwürdiger Dokumente und meineidiger Zeugen vor den Augen der Angeklagten ein Tatbestand aufgebaut, der wohl die meisten von ihnen auch Frank -- an die behaupteten Massenvergasungen glauben ließ. Jeder von ihnen betonte allerdings mit ‹berzeugung, selbst nichts davon gewußt zu haben [148].

Franks "Schuldgeständnis" beweist also überhaupt nichts. Er hat übrigens seinen Satz von der tausendjährigen Schuld revidiert, als er von den Massenaustreibungen durch Russen, Polen und Tschechen gehört hatte [149]. Vielleicht hatte er auch zunächst gehofft, seine Richter durch die zur Schau gestellte Übernahme von "Verantwortung" zu beeindrucken und für sich einzunehmen. Die Tagebuchaufzeichnungen des Gefängnispsychiaters Gilbert lassen darauf schließen. Doch erkannte er dann wohl endlich die Hoffnungslosigkeit eines solchen Unterfangens.

Neben dem "Schuldgeständnis" Franks, dem keinerlei faßbare Tatsachen zugrunde liegen, geistert noch sein sog. "Tagebuch", das ihm -- wie er es selbst ausdrückte -- "als Zeuge gegenübergetreten" ist, durch die Literatur. Doch abgesehen davon, daß diese "Quelle" ohnehin höchst fragwürdig ist, sagt auch sie über die "Todesfabrik Auschwitz" ebenso wenig aus wie die anderen bisher behandelten Dokumente.

Wenn das "Tagebuch" Franks bereits hier an dieser Stelle und nicht im folgenden Abschnitt unserer Untersuchung behandelt wird, so deswegen, weil es sich in Wahrheit gar nicht um ein Tagebuch im üblichen Sinne -- nämlich um persönliche tägliche Aufzeichnungen -- handelt. Frank hat, wie sein Verteidiger am 11. Juli 1946 vor dem IMT unwidersprochen ausführte, nicht eine Zeile dieses "Tagebuchs" selbst verfa_t [150]. Die in 38 Bänden mit mehr als 10.000 Seiten enthaltenen Aufzeichnungen sind lediglich die Niederschriften der Stenographen und Sekretäre Franks über die von ihm abgehaltenen Regierungssitzungen, Konferenzen, Empfänge usw., also über seine gesamte amtliche Tätigkeit als Generalgouverneur, sowie die -- manchmal nur sinngemäße Wiedergabe seiner Reden und Ansprachen, aus denen allerdings besonders gern zitiert wird. Es ist jedoch fraglich, ob Frank die in diesem "Tagebuch" niedergelegten Sätze überhaupt jemals selbst nachgelesen oder gar auf ihre Richtigkeit hin überprüft hat. Wenn Frank vor dem Nürnberger Gericht die "Echtheit" dieses "Tagebuchs" bestätigte, so räumte er damit nur ein, daß diese 38 Bände die offizielle Dokumentation über seine langjährige Amtstätigkeit im Generalgouvernement darstellten. Übrigens wurde auch nur eine Auswahl dieser Aufzeichnungen als Beweisdokument 2233-PS im Nürnberger IMT-Prozeß vorgelegt [151]. Nach dem Prozeß wurden sämtliche Bände den polnischen Behörden überlassen. Sie sollen sich jetzt im Archiv des Justizministeriums in Warschau befinden. In Polen wurden sie "ausgewertet", und es erschien eine ausführliche Arbeit hierüber in polnischer Sprache von Stanislaus Pietrowski, der hiervon 1963 auch eine gekürzte deutsche Übersetzung unter dem Titel "Hans Franks Tagebuch" herausgab.

Doch ersparen wir uns hierzu weitere Einzelheiten und betrachten statt dessen die Stellen in diesem Dokument, die gewöhnlich als Beleg für die angeblichen Judenausrottungen dienen. Sie sind angesichts des Umfanges des "Tagebuchs" nicht nur zahlenmäßig gering, sondern auch in ihrem Inhalt teilweise so substanzlos und verschwommen, daß ihnen tatsächlich keinerlei Bedeutung zukommt, zumal da -- wie erwähnt -- nicht einmal mehr festgestellt werden kann, inwieweit diese Aussagen wirklich auf den Generalgouverneur Hans Frank zurückgehen.

Die ausführlichste Wiedergabe von Zitaten zum Thema Judenmord findet sich übrigens nicht -- wie man meinen sollte -- bei Pietrowski, sondern in dem sog. Dokumentarwerk von Poliakov/Wulf "Das Dritte Reich und die Juden" (Seiten 180ff.). In vielen dieser Zitate bringt Frank nichts weiter zum Ausdruck, als daß die Juden im Generalgouvernement rücksichtslos zur Arbeitsleistung herangezogen werden müßten, eine Forderung, die man in einem totalen Krieg, wie er dem deutschen Volk aufgezwungen wurde, wohl kaum als unbillig oder gar unmenschlich bezeichnen kann. Diese Aussagen können hier unberücksichtigt bleiben, da sie unser Thema nicht berühren.

Als besonders wichtig und aufschlußreich wird regelmäßig die Ansprache Franks auf der Regierungssitzung in Krakau am 16. Dezember 1941 bezeichnet. Diese Ausführungen sollen daher hier so ausführlich wie möglich wiedergegeben werden. Sie lauten [152]:

"Mit den Juden -- das will ich Ihnen auch ganz offen sagen -- muß so oder so Schluß gemacht werden... Ich weiß, es wird an vielen Maßnahmen, die jetzt im Reich gegenüber den Juden getroffen werden, Kritik geübt. Bewußt wird -- das geht aus den Stimmungsberichten hervor -- immer wieder versucht, von Grausamkeit, von Härte usw. zu sprechen. Ich möchte Sie bitten, einigen Sie sich mit mir zunächst, bevor ich weiterspreche, auf die Formel: Mitleid wollen wir grundsätzlich nur mit dem deutschen Volk haben, sonst mit niemandem auf der Welt. Ich muß auch als alter Nationalsozialist sagen: wenn die Judensippschaft in Europa den Krieg überleben würde, wir aber unser bestes Blut für die Erhaltung Europas geopfert hätten, dann würde dieser Krieg doch nur einen Teilerfolg darstellen. Ich werde daher den Juden gegenüber grundsätzlich nur von der Erwartung ausgehen, daß sie verschwinden. Sie müssen weg. Ich habe Verhandlungen zu dem Zweck angeknüpft, sie nach dem Osten abzuschieben. Im Januar findet über diese Frage eine große Besprechung in Berlin statt, zu der ich Herrn Staatssekretär Dr. Bühler entsenden werde. Diese Besprechung soll im Reichsicherheitshauptamt bei SS-Obergruppenführer Heydrich gehalten werden. Jedenfalls wird eine große jüdische Wanderung einsetzen.
Aber was soll mit den Juden geschehen? Glauben Sie, man wird sie im Ostland in Siedlungsdörfern unterbringen? Man hat uns in Berlin gesagt: Weshalb macht man die Scherereien. Wir können im Ostland oder im Reichskommissariat auch nichts mit ihnen anfangen, liquidiert sie selber! Meine Herren, ich muß Sie bitten, sich gegen alle Mitleidserwägungen zu wappnen. Wir müssen die Juden vernichten, wo immer wir sie treffen und wo es irgend möglich ist, um das Gesamtgefüge des Reiches hier aufrechtzuerhalten. Jedenfalls müssen wir aber einen Weg finden, der zum Ziel führt und ich mache mir darüber meine Gedanken. Die Juden sind auch für uns außergewöhnlich schädliche Fresser. Wir haben im Generalgouvernement schätzungsweise 2,5, vielleicht mit den jüdisch Versippten und dem, was alles daran hängt, jetzt 3,5 Millionen Juden. Diese 3,5 Millionen Juden können wir nicht erschießen, wir können sie nicht vergiften, werden aber doch Eingriffe vornehmen können, die irgendwie zum Vernichtungserfolg führen, und zwar in Zusammenhang mit den vom Reich her zu besprechenden großen Maßnahmen. Das Generalgouvernement muß genau so judenfrei werden, wie es das Reich ist."

Beweiswert hinsichtlich der Durchführung der angeblichen Judenmorde -- insbesondere was Auschwitz anbelangt -- haben diese Ausführungen nicht. Deutlich wird daraus nur, daß jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Vernichtungsmaßnahmen eingeleitet worden waren. Frank hielt solche Maßnahmen wohl für möglich und stand ihnen auch unverkennbar zustimmend gegenüber. Das ist aber auch alles, was man aus dieser Ansprache entnehmen kann. Insbesondere ergibt sie auch, daß Frank selbst insoweit noch keinerlei Vorstellungen über die Durchführung der Vernichtung einer so großen Zahl von Juden hatte. Er erwartete allerdings Lösungen von der bevorstehenden "Besprechung in Berlin", bei der es sich vermutlich um die sog. Wannsee-Konferenz handelte. Diese beschränkte sich jedoch in ihren Ergebnissen, wie wir sahen, auf die Evakuierung der Juden Europas in die besetzten Ostgebiete, wo sie in geeigneter Weise zur Arbeit eingesetzt werden sollten.

Das ist der Tatbestand, der sicherlich kein gutes Licht auf Franks Charakter wirft, hinsichtlich der behaupteten Judenmorde aber nicht das geringste aussagt, es sei denn, man betrachtet die großspurigen Worte dieses Emporkömmlings, der sich im besetzten Polen wie ein König vorgekommen sein mag, schon als Ausdruck entsprechender Planungen. Dann ist jedoch zu berücksichtigen, daß Frank insoweit jedenfalls keinerlei Entscheidungsbefugnis hatte, wie selbst Krausnick in seinem Auschwitz-Gutachten feststellt [153]. So erscheint sein Gerede dem nüchternen Beobachter nur als ein spekulatives Wortgetöse, mit dem er sich selbst den Anstrich eines markigen und unerbittlichen Kämpfers gegen das Judentum geben wollte. Kein anderes Zeugnis aus jener Zeit läßt erkennen, daß die physische Vernichtung der Juden geplant war.

Daß Frank ein "Großmaul" war, der es liebte, sich als starken Mann aufzuspielen und "harte Reden" zu führen, bestätigt übrigens eine sehr eingehende Analyse von Christoph Kleßmann in den Vierteljahresheften für Zeitgeschichte. Er bemerkt treffend: "Der Wortrausch übermannte ihn oft, und die ohnehin immer mehr verdünnte Substanz ging unter in einem Strom von Schwulst und Pathos, die bisweilen auch im zeitgenössischen Zuhörer ins Lächerliche umschlagen mu_te." (aaO. Jahrgang 1971, Seite 256).

Kleßmann bescheinigt dem ehemaligen Generalgouverneur- sicherlich zu Recht -- auch mangelnden Wirklichkeitssinn: "Nicht immer deckten sich seine Taten mit seinen Reden, das gilt nicht nur für seine zynischen und hybriden Ausfälle, sondern auch für seine positiven Versprechungen und Pläne." (aaO. Seite 257)

Zieht man das in Betracht, so wird man auch den sonst noch im "Tagebuch" zu findenden Aussagen Franks kaum eine über ihren rhetorischen Effekt hinausgehende Bedeutung beimessen können. Sie mögen trotzdem der Vollständigkeit halber im folgenden ebenfalls in ihren wichtigsten Passagen so zitiert werden, wie sie im Dokumentarwerk von Poliakov/Wulf "Das Dritte Reich und die Juden" wiedergegeben sind.

So führte Frank in einer Rede am 20. Dezember 1941 anläßlich eines Festes der Ordnungspolizei u.a. aus: "Kameraden der Polizei! Als ihr von der Heimat Abschied nahmt, da mag manche besorgte Mutter, manche besorgte Gattin zu euch gesagt haben: Was, zu den Polen gehst du. wo es lauter Läuse und so viele Juden gibt? Man kann natürlich in einem Jahr nicht sämtliche Läuse und Juden hinaustreiben, das wird im Laufe der Zeit geschehen müssen." (aaO. Seite 180)

Ähnlich äußerte er sich bei einer Weihnachtsfeier des 1. Wachbataillons Krakau (I.R. 645) im selben Jahr [154].

In einer Polizeisitzung am 25. Januar 1943 in Warschau stellte Frank sich gar als "Kriegsverbrecher Nr. 1" vor. Er sagte: "Wir wollen uns daran erinnern, daß wir alle miteinander, die wir hier versammelt sind, in der Kriegsverbrecherliste des Herrn Roosevelt figurieren. Ich habe die Ehre, Nummer 1 zu sein. Wir sind also sozusagen Komplizen im welthistorischen Sinne geworden." (aaO. Seite 185)

Wenn man das heute liest, bekommt man allerdings stärkste Zweifel an der Authentizität einer solchen Äußerung, die zu auffällig dem entspricht, was erst in den Nürnberger Prozessen breit ausgewalzt wurde. Normalerweise fiel es keiner führenden Persönlichkeit damals ein, derartiges von sich zu behaupten. Jedenfalls ist aber auch diese Äußerung viel zu unbestimmt, um auch nur den Anschein eines Beweises für die Auschwitz-Legende abgeben zu können.

Dagegen entspricht folgende Passage aus einer Ansprache Franks vor Reichsrednern der NSDAP am 2. August 1943 wiederum durchaus seiner Neigung zur angeberischen Großsprecherei: "Die NSDAP wird den Juden bestimmt überleben. Hier haben wir mit 3 l/2 Millionen Juden begonnen, von ihnen sind nur noch wenige Arbeitskompanien vorhanden, alles ist -- sagen wir einmal -- ausgewandert." (aaO. Seite 185)

Tatsache ist, daß es 3 1/2 Millionen Juden kaum im gesamten Machtbereich des Dritten Reiches gegeben hat, geschweige denn allein im Generalgouvernement. Und wenn Frank bei dieser Gelegenheit im Jahre 1943 noch von nur wenigen Arbeitskompanien gesprochen hatte, so teilte er vor Pressevertretern am 25. Januar 1944 in Berlin mit: "Juden haben wir im Generalgouvernement zur Zeit vielleicht noch 100000." (aaO. Seite 185)

Das war doch immerhin noch etwas mehr als nur "wenige Arbeitskompanien". Nichts zeigt deutlicher, was von Franks Angaben -- wenn diese Zitate überhaupt aus seinem Munde stammen -- zu halten war!

Zum Schluß noch eine Äußerung, die Frank dem "Tagebuch" zufolge anläßlich einer Arbeitstagung von Rednern der NSDAP am 4. März 1944 in Krakau gemacht haben soll und deren letzter Satz wohl in keiner Darstellung der Judenverfolgung im Dritten Reich fehlt. Bei dieser Gelegenheit soll der Generalgouverneur sich folgendermaßen ausgelassen haben:

"Wenn heute da und dort ein Wehleidiger mit Tränen in den Augen den Juden nachtrauert und sagt: Ist das nicht grauenhaft, was mit den Juden gemacht worden ist, dann muß man den Betreffenden fragen, ob er heute noch derselben Meinung ist. Wenn wir heute diese 2 Millionen Juden in voller Aktivität, und auf der anderen Seite die wenigen deutschen Männer im Lande hätten, würden wir nicht mehr Herr der Lage sein. Die Juden sind eine Rasse, die ausgetilgt werden muß; wo immer wir nur einen erwischen, geht es mit ihm zu Ende." (aaO. Seite 185)

Abgesehen davon, daß Franks Zahlenangaben offensichtlich immer wieder voneinander abweichen, zeigt gerade der letzte Satz dieses Zitats wieder einmal nichts weiter als Franksche Prahlsucht und Wichtigtuerei. Denn Millionen von überlebenden Juden aus dem großdeutschen Machtbereich sind lebende Gegenbeispiele für diese Behauptung.

In seinem Buch "Im Angesicht des Galgens", das Frank in seiner Nürnberger Gefängniszelle verfaßte, beklagte er sich übrigens [155]:

"Man hat auch nie... untersucht, ob ein wirklicher Kausalzusammenhang zwischen diesen gegen mich verwendeten Zitaten und dem wirklichen Geschehen bestand. Ich behaupte und erkläre, daß ich nie in meinem Leben einen Mord begangen habe, daß die Tötungen aller Art in unmittelbarer... Befehlsbezogenheit Hitlers und Himmlers zu ihren Krügers-Globocniks geschehen sind. Das ist einfach die Wahrheit."

Im "Angesicht des Galgens" spricht man nicht so leicht die Unwahrheit. Hier kommt zweifellos Franks ganze Niedergeschlagenheit und Verzweiflung über das Fehlschlagen seiner Verteidigungstaktik zum Ausdruck, von der er sich zunächst offenbar viel versprochen hatte. Er äußerte sich jedenfalls nach seiner Vernehmung im Zeugenstand dem Gefängnispsychiater Gilbert gegenüber wie folgt [156]:

"Ich hielt mein Versprechen, nicht wahr? Ich sagte, daß ich im Gegensatz zu den Leuten um den Führer, die nichts zu wissen schienen, wußte, was vor sich ging. Ich denke, es machte den Richtern wirklich Eindruck, wenn einer von uns ehrlich und offen ist und nicht versucht die Verantwortung abzuschieben. Glauben Sie nicht? Ich war wirklich erfreut darüber, wie meine Aufrichtigkeit sie beeindruckte."

Liest man diese Zeilen, so könnte man meinen, daß Frank über eine angeblich systematische Vernichtung der Juden in Auschwitz oder anderswo durchaus unterrichtet war. In Wirklichkeit kann davon keine Rede sein, da er nach seinen eigenen Worten "unter dem Eindruck dieser fünf Monate der Verhandlung und vor allem unter dem Eindruck der Aussagen des Zeugen Höß" stand. Darauf wurde oben bereits hingewiesen. Und wenn er bei dieser Vernehmung weiterhin äußerte, er habe "doch manches in den feindlichen und neutralen Zeitungen gelesen", so kann man -- wie damals Göring -- über diese geradezu naive Gutgläubigkeit nur trübsinnig den Kopf schütteln.

Und was Frank dann schließlich nach dem Scheitern seiner an einer eingebildeten "Aufrichtigkeit" orientierten Verteidigungstaktik in seinem Buch "Im Angesicht des Galgens" -- wie oben zitiert- niederlegte, war eben auch nur insofern die Wahrheit, als er darin nunmehr seine absolute Unschuld beteuerte. Denn die "Tötungen aller Art", an die er offenbar immer noch glaubte, bedürfen nach wie vor des Beweises, soweit man darunter den "planmäßigen Judenmord" verstehen will. Die Ansichten Franks hierüber, die maßgebend durch einen zweifellos nervenzermürbenden Schauprozeß geprägt waren, zählen insoweit nicht.


Anmerkungen

  1. So z. B. bei G. M. Gilbert, "Nurnberger Tagebuch", Seite 268.
  2. IMT XII, 7ff. Vgl. auch Reitlinger aaO. Seite 43.
    Nicht einmal der polnische Historiker Stanislaw Pietrowski, dem sämtliche 38 Bände des sog. Tagebuchs von Hans Frank zur Auswertung zur Verfugung standen, konnte irgendeinen stichhaltigen Hinweis dafur liefern, daß Frank tieferen Einblick in die KL seines Amtsbereichs oder wesentliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Geschehen in diesen Lagern hatte (vgl. "Hans Franks Tagebuch", herausgegeben in deutscher Sprache 1963 in Warschau). Auschwitz lag zunachst (bis 1944) offenbar nicht einmal im Zustandigkeitsbereich Franks (vgl. Pietrowski aaO. Seiten 74-75).
  3. IMT XII, 19. Im IMT-Urteil wird bezeichnenderweise nur der verstummelte Wortlaut zitiert, vgl. IMT I, 278.
  4. Heydecker/Leeb, "Der Nürnberger Prozeß", Seiten 489ff.
    Auch Franks Stoßseufzer in sein en letzten Aufzeichnungen "Im Angesicht des Galgens" (Seite 304) -- ebenfalls erwähnt bei Pietrowski Seite 202 -: "Was ging nicht unter an Hoffnungen durch die Verbrechen von Auschwitz! Entsetzliches Los, allein dies zu bedenken. " kann nur aus der damaligen psychologischen "Deformierung" der Angeklagten durch die Nurnberger SchauprozeBmethoden erklart werden. Eine tatsachliche Beziehung hatte er nicht!
  5. IMT XXII, 438
  6. IMT XVIII, 156.
  7. IMT XXIX, 356-724.
  8. IMT XXIX, 502-503.
  9. "Anatomie des SS-Staates", Band 2, Seite 421.
  10. Vgl. Langbein, "Wir haben es getan", Seite 49.
  11. AaO. Seite 404. Vgl. auch Viertelsjahrhefte für Zeitgeschichte, 1971, Seiten 245, 260 (Fußnote 79).
  12. "Nürnberger Tagebuch", Seite 269.

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