III. TAGEBÜCHER UND ANDERE ZEITNAHE AUFZEICHNUNGEN
1. Tagebücher und Briefe
Eigenhändige schriftliche Aufzeichnungen von Zeitzeugen aus den Kriegsjahren, die etwas über Tötungen von Juden aussagen, sind seltener, als gewöhnlich angenommen wird. Nur spärlich werden in der Literatur Auszüge aus Tagebüchern oder Briefen zitiert, die zudem meist nicht nachprüfbar sind, weil die Originale in unzugänglichen Archiven aufbewahrt werden oder ihr Verbleib sogar unbekannt ist. Der rührige Auschwitz-Skribent Hermann Langbein, ein ehemaliger Kommunist und Auschwitz-Häftling, faßte die ihm wesentlich erscheinenden Auszüge aus solchen Zeitberichten im Jahre 1964 in einem kleinen Büchlein mit dem Titel "... wir haben es getan" zusammen. Er hat seine Arbeit "Skeptikern gewidmet" (Überschrift des ersten Abschnitts) und möchte damit -- wie er ausführt -- die immer wieder auftretenden Zweifel an den von der Führung des Dritten Reiches angeblich befohlenen und organisierten Judenmorden zerstreuen. Langatmig versucht er auf den ersten 16 Seiten der insgesamt nur 136 Seiten starken Schrift seinen Lesern klar zu machen, daß solche Zweifel im Hinblick auf diese dokumentarischen Selbstzeugnisse von Zeitgenossen, die "an nationalsozialistischen Tötungsaktionen mitgewirkt haben" (Seite 11 aaO.), völlig abwegig seien. Man kann daher wohl unbedenklich davon ausgehen, daß Langbein keine insoweit wichtige Aufzeichnung unberücksichtigt gelassen hat, so daß seine Zusammenstellung eine geeignete Grundlage für unsere nachfolgende Untersuchung ist. Wir wollen sie deshalb näher betrachten und ihren Beweiswert prüfen.
Unerörtert können dabei die verschiedentlich wiedergegebenen Auszüge aus dem "Tagebuch" des Generalgouverneurs Hans Frank bleiben, da sie im vorhergehenden Abschnitt bereits erschöpfend behandelt wurden. Auch sind die aus dem Tagebuch des Referenten im Ministerium für die besetzten Ostgebiete Otto Bräutigam zitierten Stellen für unsere Untersuchung unwichtig, weil sie -- neben der beiläufigen Erwähnung angeblich durch die deutsche Besatzungsmacht stillschweigend geduldeter Judenprogrome der litauischen Hilfspolizei -- tatsächlich nur die Heranziehung der Juden zu kriegswichtigem Arbeitseinsatz im Osten bestätigen, dagegen nicht den geringsten Hinweis auf von deutscher Seite planmäßig durchgeführte Judenmorde geben. Von Auschwitz oder sonstigen "Vernichtungslagern" ist überhaupt nicht die Rede (aaO. Seiten 42-46).
Breiteren Raum nehmen ein Briefwechsel zwischen einem Gendarmeriewachtmeister Jacob und einem Generalleutnant Querner sowie Tagebuchaufzeichnungen des SS-Hauptscharführers Felix Landau ein (aaO. Seiten 50-54 und 56-71). Jacob und Querner waren offenbar von früher her als Nachbarn gut bekannt, was die Ungewöhnlichkeit dieses Briefwechsels erklären mag. Jacob wie Landau waren in den Partisanengebieten des Ostens eingesetzt. Soweit von ihnen die Liquidierung von Juden erwähnt wird, muß also davon ausgegangen werden, daß diese im Zuge der Bandenbekämpfung erfolgte, mit planmäßiger Judenausrottung aus rassischen Gründen also nichts zu tun hatte. Das kommt auch mehrfach in ihren Aufzeichnungen indirekt zum Ausdruck. Von "Vernichtungslagern", insbesondere von Auschwitz, ist an keiner Stelle die Rede. Langbein versucht zwar, mit seiner Kommentierung der Tagebuchauszüge des Landau den Eindruck zu erwecken, als habe dieser bei reinen Judenmordaktionen mitgewirkt (aaO. Seiten 72-73). Die Aufzeichnungen Landaus stammen jedoch aus der Zeit vom 3. Juli bis 2. August 1941, aus einer Zeit also, zu der noch nicht einmal die sog. Wannsee-Konferenz stattgefunden hatte, die üblicherweise als Ausgangspunkt planmäßiger Judenmorde bezeichnet wird. Bei Jacobs Briefen ist unverkennbar, daß er seinem hochgestellten Bekannten imponieren wollte. Es ist daher nicht auszuschließen, daß er in manchem übertrieben hat. Hinweise auf einen angeblich von der deutschen Führung geplanten Völkermord an den im deutschen Machtbereich lebenden Juden sind mithin diesen Quellen ebenfalls nicht zu entnehmen.
Unergiebig für unsere Untersuchung ist auch der auszugsweise wiedergegebene Briefwechsel eines jungen Arztes, Dr. Fritz Mennecke mit seiner Frau Eva, aus der Zeit vom 20. Oktober 1940 bis 7. April 1943 (aaO. Seiten 19-38). Mit diesem Briefwechsel will Langbein die "Genesis der Judenausrottung" aufzeigen oder vielmehr das, was er dafür hält. Er spielt in seiner Kommentierung darauf an, daß Menneckes damalige Tätigkeit mit Euthanasiemaßnahmen in Zusammenhang gestanden habe, die später ohne eigentlichen Euthanasiegrund auch auf jüdische und andere Häftlinge in Konzentrationslagern ausgedehnt worden seien. Langbein spricht in diesem Zusammenhang sogar ausdrücklich von "Selektionen" zur Tötung durch Gas (aaO. Seiten 19, 21, 34). Die Briefe Menneckes, in denen er seiner Frau über Reihenuntersuchungen in Krankenanstalten und Konzentrationslagern berichtet, sagen indessen über den Zweck dieser Untersuchungen nichts aus. Auch Dr. Menneckes sehr allgemein gehaltenes "Schuldgeständnis" in der Untersuchungshaft (Brief vom 2. 11. 1946 an den Untersuchungsrichter: aaO. S. 19-20) gibt keinerlei Aufklärung über das, was an seiner Handlungsweise strafrechtlich relevant gewesen sein könnte. Es magwie viele ähnliche Äußerungen jener Zeit -- Ausdruck einer unter den damaligen Verhältnissen verständlichen Haftpsychose gewesen sein [162]. Auch diese Briefauszüge belegen mithin in keiner Weise das, was Langbein deutlich machen möchte. Skeptiker können sie gewiß nicht überzeugen.
Eine große Rolle spielen nicht nur bei Langbein, sondern auch sonst in der Literatur zur Judenverfolgung Auszüge aus dem angeblichen Tagebuch des Reichspropagandaministers Dr. Josef Goebbels. Langbein gibt die meist sehr unbestimmten und teilweise sogar widerspruchsvollen Aussagen aus diesem "Tagebuch" an verschiedenen Stellen seines Büchleins wieder, vermeidet also ihren Zusammenhang. An einer Stelle meint er, Goebbels sei natürlich klar gewesen, welches Schicksal den deportierten Juden in Auschwitz und anderen Vernichtungslagern bereitet worden sei (Seite 108 aaO.). Das läuft -- wie so oft bei ihm -- wieder einmal darauf hinaus, das, was eigentlich erst zu beweisen wäre, einfach durch den eigenen Kommentar zu ersetzen. Es ist das ein in der Bewältigungsliteratur häufig zu beobachtendes Verfahren, das in diesem Falle freilich im Widerspruch zu der allgemein verbreiteten Behauptung steht, die angeblichen Massenvergasungen in Auschwitz seien so geheim gewesen, daß außer Hitler, Himmler, Eichmann, Höß und einem kleinen Kreis unmittelbar daran Beteiligter niemand davon gewußt habe. Wie sollte also Goebbels, der während des Krieges auch nur ganz selten Berlin verlassen und die Konzentrationslager im Osten kaum dem Namen nach gekannt hat, über die Vorgänge in diesen Lagern zuverlässige Kenntnis gehabt haben?
Langbein wußte übrigens mit Sicherheit, warum er die Goebbelszitate zur Frage der Judenbehandlung nur bruchstückhaft und regelmäßig mit einem Kommentar versehen an verschiedenen Stellen seiner Arbeit dem Leser unterbreitete. Denn eine zusammenhängende Darstellung wäre seiner Absicht, Skeptiker zu überzeugen, kaum dienlich gewesen. Es erscheint mir daher hier angebracht, bei der Wiedergabe der wenigen überhaupt in Betracht kommenden Tagebuchzitate dem verhältnismäßig objektiven Buch der Engländer Fraenkel/Manvell "Goebbels -- eine Biographie" zu folgen, wo die entsprechenden Niederschriften des Ministers in ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge dem Leser vorgestellt werden. Nichts kann deutlicher zeigen, wie wenig Goebbels im Grunde über die Behandlung der Juden wußte. Ob diese Aufzeichnungen überhaupt von ihm stammen, mag dabei zunächst dahingestellt bleiben.
Auch Fraenkel/Manvell leiten die Tagebuchzitate allerdings mit folgendem Satz ein: "Daß Goebbels über den millionenfachen Mord an Juden nicht nur in allen Einzelheiten informiert war, sondern die Einrichtung von Vernichtungslagern begrüßte und geradezu forderte, ist durch sein Tagebuch erwiesen." (Seite 255 aaO.)
Der Leser mag selbst beurteilen, ob das so ist. Hier folgen die Zitate:
" 14. Februar 1942: Der Führer gibt noch mal seiner Meinung Ausdruck, daß er entschlossen ist, rücksichtslos mit den Juden in Europa aufzuräumen. Hier darf man keinerlei sentimentale Anwandlungen haben. Die Juden haben die Katastrophe, die sie heute erleben, verdient. Sie werden mit der Vernichtung unserer Feinde auch ihre eigene Vernichtung erleben... Diese klare judenfeindliche Haltung muß auch im eigenen Volke allen widerspenstigen Kreisen gegenüber durchgesetzt werden..." (Seite 256 aaO.)
Es ist klar, daß mit dem Ausdruck "Vernichtung" hier nicht die physische Vernichtung der Individuen gemeint sein kann. Denn auch mit "Vernichtung unserer Feinde" ist selbstverständlich nur der siegreiche Ausgang des Krieges gemeint, nicht aber die Tötung aller Kriegsgegner Deutschlands.
"7. März 1942: Die Judenfrage muß jetzt im gesamteuropäischen Rahmen gelöst werden. Es gibt in Europa noch über 11 Millionen Juden. Sie müssen später einmal zuerst im Osten konzentriert werden. Eventuell kann man ihnen nach dem Kriege eine Insel, etwa Madagaskar, zuweisen. Jedenfalls wird es keine Ruhe in Europa geben, wenn nicht die Juden restlos im europäischen Gebiet ausgeschaltet werden..." (Seite 256 aaO.)
Die Eintragung vom 14. Februar wird hiermit noch verdeutlicht. Sie zeigt, daß der Madagaskar-Plan auch nach der Wannsee-Konferenz noch im Gespräch war.
"März 1942" -- Tagesdatum fehlt-: "... Wir sprechen zum Schluß noch über die Judenfrage. Hier bleibt der Führer nach wie vor unerbittlich. Die Juden müssen aus Europa heraus, wenn nötig, unter Anwendung der brutalsten Mittel." (Seiten 256/257 aaO.)
"27. März 1942:... Aus dem Generalgouvernement werden jetzt, bei Lublin beginnend, die Juden nach dem Osten abgeschoben. Es wird hier ein ziemlich barbarisches und nicht näher zu beschreibendes Verfahren angewandt, und von den Juden selbst bleibt nicht mehr viel übrig. Im großen und ganzen kann man wohl feststellen, daß 60 Prozent davon liquidiert werden müssen, während nur 40 Prozent in die Arbeit eingesetzt werden können. Der ehemalige Gauleiter von Wien, der diese Aktion durchführt, tut das mit ziemlicher Umsicht und auch mit einem Verfahren, das nicht allzu auffällig wirkt. An den Juden wird ein Strafgericht vollzogen, das zwar barbarisch ist, das sie aber vollauf verdient haben. Die Prophezeiung, die der Führer ihnen für die Herbeiführung eines neuen Weltkrieges mit auf den Weg gegeben hat, beginnt sich in furchtbarster Weise zu verwirklichen. Man darf in diesen Dingen keine Sentimentalität obwalten lassen. Die Juden würden, wenn wir uns ihrer nicht erwehren würden, uns vernichten. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod zwischen der arischen Rasse und dem jüdischen Bazillus... Gott sei Dank haben wir jetzt während des Krieges eine ganze Reihe Möglichkeiten, die uns im Frieden verwehrt wären. Die müssen wir ausnützen..." (Seite 257 aaO.)
Diese Eintragung vom 27. März steht zu den vorhergehenden in so krassem Widerspruch, daß schon deshalb Zweifel an ihrer Echtheit auftauchen müssen. Indessen läßt auch sie nicht erkennen, daß Goebbels über Einzelheiten der angeblichen Liquidierung von 60 Prozent Juden im Bilde war. Möglicherweise ist er insoweit einem Gerücht aufgesessen. Daß die Deportationen nach dem Osten hohe Opfer forderten, da in den Durchgangslagern und -Ghettos des Ostens häufig Seuchen herrschten und die Strapazen der Verschickung sicherlich nicht gering waren, ist wahrscheinlich. Mit Rassenmord hatte das jedoch nichts zu tun.
"29. April 1942:... Mit den Juden macht man in allen besetzten Ostgebieten kurzen Prozeß. Zehntausende müssen daran glauben..." (Seite 257 aaO.)
Was hiermit gemeint war, bleibt unklar. Soweit nicht die vorstehenden Erwägungen auch hier Platz greifen, könnte die Eintragung sich auf die Partisanenbekämpfung beziehen, da bekanntlich die meisten Banden im Hinterland der kämpfenden Front mit Juden durchsetzt waren oder sogar ganz aus Juden bestanden.
"2. März 1943:... Wir schaffen nun die Juden endgültig aus Berlin hinaus. Sie sind am vergangenen Samstag schlagartig zusammengeschafft worden und werden nun in kürzester Frist nach dem Osten abgeschoben. Leider hat sich auch hier wieder herausgestellt, daß die besseren Kreise, insbesondere die Intellektuellen, unsere Judenpolitik nicht verstehen..." (Seiten 257/258 aaO.)
Soweit die Goebbels-Zitate. Fraenkel/Manvell ziehen daraus das Fazit, daß "diese und andere Äußerungen genügt haben würden, Goebbels vor jedem Gericht zu verurteilen." (Seite 258 aaO.) Sie hätten die "anderen" Äußerungen auch noch mitteilen müssen; diese jedenfalls rechtfertigen ihren Schluß nicht!
Wie schon angedeutet wurde, ist aber auch fraglich, ob die Tagebuchblätter vom 21. Januar 1942 bis 9. Dezember 1943, denen diese Zitate entnommen wurden, überhaupt echt sind. Langbein bemerkt hierzu lediglich, daß sie in den Trümmern der Berliner Reichskanzlei aufgefunden worden seien (Seite 13 aaO.). Über Finder und näheren Fundort schweigt er sich aus. Fraenkel/Manvell teilen ihren Lesern hierzu folgendes mit:
"Daß diese Blätter aus dem Chaos des Zusammenbruchs gerettet werden konnten, ist einem Zufall zu verdanken. Goebbels verwandte für seine Aufzeichnungen ein ungewöhnlich schönes und starkes Büttenpapier, wie es der ›Normalverbraucher‹ in jenen Kriegsjahren kaum noch kannte. Nach der Eroberung Berlins 1945 lagen rund siebentausend dieser Büttenblätter auf dem Hof des Propagandaministeriums herum. Russische Soldaten wollten die Papierstöße verbrennen, aber ein Lumpenhändler, von der Qualität des Büttenpapiers beeindruckt, sicherte sich die kostbare Mangelware und rettete damit die Kriegsaufzeichnungen des Ministers vor den Flammen. Es hat später viel Mühe gekostet, die teilweise schon angesengten Blätter zu sichten und zu ordnen. In den Jahren 1947/48 hat Louis P. Lochner das Material redigiert und die für den Historiker interessanten Teile veröffentlicht. Das Originalmanuskript liegt ebenso wie das Elberfelder Tagebuch in der Universitätsbibliothek Stanford in Kalifornien, eine Fotokopie sämtlicher Manuskriptblätter befindet sich im Münchener Institut für Zeitgeschichte. Goebbels hat sein Tagebuch in jenen Jahren nicht mehr selbst geschrieben, sondern einem seiner Mitarbeiter diktiert. Es war der Meisterstenograph Otte..." (Seite 251 aaO.) "Goebbels hat sich übrigens nie die Zeit genommen, seine langen Diktate, wenn sie in Ottes sauberer Maschinenschrift vorlagen, noch einmal zu überarbeiten und zu feilen. So erklärt es sich, daß der Text viele Wiederholungen und stilistische Unebenheiten aufweist..." (Seite 252 aaO.)
Diese Geschichte ist in mancherlei Hinsicht merkwürdig. Wenig glaubhaft ist, daß russische Soldaten Aktenmaterial eines Reichsministeriums ungesichtet verbrennen wollten, es dann aber -- wohl aus Menschenfreundlichkeit? -- einem armen Lumpenhändler zur Verwertung überlassen haben sollen. Eigenartig ist auch, daß ausgerechnet ein Journalist das "Material redigiert und die für den Historiker interessanten Teile veröffentlicht" hat. Wie Lochner an diese Blätter überhaupt herangekommen ist, teilen Fraenkel/Manvell nicht mit. Er wird dazu aber schon irgendeine Geschichte erfunden haben, die indessen wohl nicht mitteilenswert erschien, weil sie möglicherweise noch unwahrscheinlicher war. Und natürlich ruht das "Originalmanuskript" -- wie zahlreiche Bestandteile ehemals deutscher Akten -- in den USA, wo es unbeschränkten Manipulationsmöglichkeiten ausgesetzt war und ist, nicht aber dort, wo es hingehört: in einem deutschen Archiv!--
Der ehemalige Goebbels-Adjutant Wilfred von Oven hatte übrigens diese Tagebuchblätter seinerzeit in einem für das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" abgegebenen Gutachten als echt bezeichnet. Er stützte seine damalige Ansicht u. a. darauf, daß die Schreibmaschine, mit der sie geschrieben waren, ungewöhnlich große Typen (fast 1 cm hoch) hatte. Eine solche Schreibmaschine aber hatte Goebbels ebenso wie Hitler benutzt. Außerdem schienen von Oven Inhalt, Stil und Diktion der ihm damals vorgelegten Fotokopien der Tagebuchblätter (aus der Zeit ab Juni 1943) voll und ganz der Art von Goebbels zu entsprechen [163]. Dabei hatte Herr von Oven jedoch von den hier in Rede stehenden Zitaten insbesondere dem vom 27. März 1942 -- keine Kenntnis, weil er eben hiervon keine Fotokopien der betreffenden Tagebuchblätter erhalten hatte. Wie mir Herr von Oven in einem persönlichen Schreiben vom 27. Dezember 1977 mitteilte, hätte er "eine solche Bestätigung sehr wahrscheinlich nicht gegeben", wenn er damals schon "die fraglichen Passagen gekannt" hätte. Herr von Oven hat in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit von Fälschungen einzelner Worte oder Passagen in maschinegeschriebenen Dokumenten hingewiesen [164].
Doch wie es sich damit auch immer verhalten mag: zur Beantwortung der Frage, die den Gegenstand unserer Untersuchung bildet, können die von Fraenkel/Manvell und Langbein angeführten Goebbels-Zitate offensichtlich nichts beitragen. Soweit diese Autoren einen anderen Eindruck zu vermitteln suchen, ist das schlichtweg irreführend. Weder Auschwitz noch sonst ein "Vernichtungslager" sind in diesen Tagebuchauszügen auch nur erwähnt.
In Langbeins Zusammenstellung angeblich beweiskräftiger Zeitberichte aus Tagebüchern und Briefen hat letztlich nur ein Kapitel unmittelbare Beziehung zum Gegenstand unserer Untersuchung. Es trägt die Überschrift "Der Herr Professor in Auschwitz" und behandelt die Tagebuchaufzeichnungen des vorübergehend in das Stammlager Auschwitz abkommandierten Professor Dr. med. Dr. phil. Johann Paul Kremer aus Münster. In diesem Kapitel wird mit ganz besonderer Fertigkeit die Methode geübt, durch eine an Zweckvorstellungen orientierte Kommentierung an und für sich nichtssagender Tagebuchnotizen unkritischen Lesern das gewünschte Horrorbild zu vermitteln, wobei Prof. Kremer gewissermaßen als der Typ des mit Gewissensskrupeln nicht belasteten Befehlsempfängers erscheint.
Das alles kostet freilich ziemliche Mühe und kann ebenfalls kaum überzeugen. Der größte Teil dieser Tagebuchaufzeichnungen betrifft ohnehin nur persönliche oder berufliche Belange des Professors, die mit Langbeins Anliegen, Skeptiker von der Vernichtungslegende zu überzeugen, nicht im mindesten etwas zu tun haben. Sie sollten wahrscheinlich nur als "Füllsel" für das ohnehin schmale Bändchen dienen.
Lediglich die Seiten 81 bis 93 beziehen sich auf Auschwitz, wo Prof. Kremer vom 30. August bis Mitte November 1942 als SS-Arzt Dienst getan hat. Er war also noch nicht einmal ein Vierteljahr dort.
Seinen Aufzeichnungen zufolge war Prof. Kremer nicht nur als Arzt mit medizinischen Untersuchungen befaßt, vielmehr nahm er auch an einzelnen "Exekutionen" (z.B. am 13. 10. und 15. 11. 1942) und an "Sonderaktionen" -- insgesamt 14 an der Zahl -- teil, die er einmal als "das schrecklichste der Schrecken" (Eintragung vom 5. 9. 1942) bezeichnet.
Langbein kommentiert (aaO. Seite 81), daß Kremer mit den erwähnten Sonderaktionen die "Selektionen" gemeint habe. Das mag stimmen, obwohl es den Aufzeichnungen nicht unmittelbar entnommen werden kann. Daß hierbei jedoch Gaskammeropfer ausgesondert wurden, ergibt wiederum nur Langbeins Kommentar, nicht aber das Tagebuch Prof. Kremers. Auch Rassinier beschreibt, daß die Selektionen stets Furcht und Schrecken unter den Häftlingen verbreiteten, weil jeder Angst gehabt habe, für die "Gaskammer" ausgesucht zu werden. Es handelt sich dabei um eine offenbar überall in den Konzentrationslagern umgehende "Latrinenparole". Daß jedenfalls die Selektionen in Dora und Buchenwald, wo Rassinier selbst inhaftiert war, nichts mit der Vergasung von Arbeitsunfähigen zu tun hatten, weist Rassinier nach [165]. Ob es sich in Auschwitz um "Auswahl zur Vergasung" handelte, geht aus den Aufzeichnungen Prof. Kremers nicht hervor. Das veranlaßt Langbein, den Zusammenhang der von Prof. Kremer erwähnten Sonderaktionen mit den "Gaskammern" durch eine Teilwiedergabe der Niederschrift herzustellen, die der Lagerkommandant Höß vor seinem Tode angeblich im Krakauer Gefängnis über diese Vorgänge verfaßt hat (Seiten 79-80 aaO.). Es wäre zweifellos naheliegender gewesen, wenn Langbein in diesem Zusammenhang seinen Lesern vermittelt hätte, was Kremer über die in seinem Tagebuch erwähnten Sonderaktionen in dem Strafverfahren ausgesagt hat, das gegen ihn nach seiner Rückkehr aus 10jähriger polnischer Haft vor einem deutschen Gericht in Münster wegen seiner Tätigkeit in Auschwitz durchgeführt wurde. Langbein hat diesem Prozeß sicherlich beigewohnt. Doch paßten Kremers damalige Erläuterungen wohl nicht in das von Langbein gezeichnete Bild. Mir selbst war es nicht möglich, Einsicht in die Prozeßakten zu erhalten [166].
Von "Vergasungen" spricht in den ganzen Aufzeichnungen Prof. Kremers nur eine einzige Stelle. Es heißt dort nämlich unter dem Datum 1. 9. 1942: "Nachmittags bei der Vergasung eines Blocks mit Zyklon B gegen die Läuse."
Also wurde Zyklon B -- wie hierdurch wieder einmal bestätigt wird tatsächlich als Vernichtungsmittel gegen die Läuseplage benötigt und verwendet. Den Aufzeichnungen Kremers zufolge herrschten im Lager fast ständig Flecktyphusepidemien, an denen auch SS-Leute erkrankten (vgl. z.B. die Eintragung vom 3. 10. 1942, Seite 84 aaO.).
Am Schluß der für eine Bestätigung der Ausrottungsthese recht unergiebigen Aufzeichnungen Prof. Kremers bemerkt Langbein mit dem Unterton der Entrüstung: "In der langen Zeit seit der Rückkehr aus Auschwitz deutet keine Notiz darauf hin, daß die dortigen Erlebnisse bei dem Universitätsprofessor Spuren hinterlassen haben. Die wenigen Eintragungen, die sich auch nur entfernt auf dieses Thema beziehen, sind hier wiedergegeben." (Seite 104 aaO.)
Berücksichtigt man, daß die "wenigen Eintragungen" über Auschwitz zur Frage der angeblichen Massenvergasungen überhaupt nichts Konkretes, auch sonst aber keinerlei Hinweise auf an Häftlingen begangene Verbrechen anderer Art enthalten, so kann die von Langbein mehrfach verzeichnete Tatsache, daß der Aufenthalt Kremers in Auschwitz bei ihm offensichtlich keine besonderen Eindrücke hinterlassen hat, nur als Ausdruck eines guten Gewissens gelten. Langbeins Entrüstung darüber ist also nicht recht verständlich. In dieser Ansicht kann man nur noch bestärkt werden, wenn man bei Langbein weiter liest: "Kremer freute sich sogar, als er erfuhr, daß die Behörden, die ihn zu richten hatten, in den Besitz seines Tagebuchs gekommen waren; er hoffte, daß ihn diese Aufzeichnungen von jedem Verdacht reinwaschen würden." (Seite 127 aaO.)
Läßt sich ein gutes Gewissen wohl besser dokumentieren? Langbein allerdings versucht dieses Verhalten Kremers in einem seiner späteren Bücher damit zu erklären, daß selbst bei "intellektuell geschulten Menschen" eine "Verdrängung jeden Schuldbewußtseins" festgestellt werden könne [167], eine Erklärung, die für die damalige Situation Professor Kremers aber wohl kaum in Betracht gezogen werden kann. Denn wenn das Tagebuch -- wie Langbein ja meint -- wirklich belastende Aufzeichnungen enthielt, dann konnte sich Prof. Kremer wohl kaum über dessen Auffindung freuen. Unterbewußte Verdrängungen unangenehmer oder belastender Erlebnisse kommen in jedem Fall bei aktuellem Anlaß sofort wieder hoch. Enthielt das Tagebuch jedoch nichts Derartiges, wovon Kremer offensichtlich selbst überzeugt war, dann mochte er sich freilich mit Recht darüber freuen, daß man es aufgefunden hatte.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß Langbein mit dem in seinem Büchlein "... wir haben es getan" zusammengestellten Zitaten echte Skeptiker trotz oder vielmehr gerade wegen seiner sachwidrigen Kommentierungen kaum überzeugen kann. Eher wird die Skepsis vergrößert, wenn man bedenkt, zu welch fadenscheinigen Hilfsmitteln der Beweisführung dieser "Vorkämpfer" der Massenvernichtungsthese angesichts der nach seinen eigenen Worten noch weithin bestehenden Zweifel an den behaupteten Massenvergasungen in Auschwitz und anderen "Vernichtungslagern" seine Zuflucht nehmen muß. So hätte er besser auch nicht jenen Brief Himmlers an seinen Masseur Felix Kersten vom 21. März 1945 erwähnt, in dem Himmler diesem die Evakuierung von 2700 Juden in die Schweiz mitteilte und dabei darauf hinwies, daß damit der Weg fortgesetzt werde, den er und seine Mitarbeiter bereits vor dem Kriege bis in das Jahr 1940 hinein verfolgt hätten, bis "der Krieg und die mit ihm einsetzende Unvernunft in der Welt seine Durchführung unmöglich machten" (Seite 111 aaO.). Denn dieser Brief ist doch in Wirklichkeit nur eine weitere Bestätigung der eigentlichen Absichten der Reichsführung in der Judenfrage, die immer nur die Abschiebung der Juden aus Deutschland und Europa zum Ziel hatte, nicht aber deren physische Vernichtung. Langbein vermag diesem Schreiben nur die ironisch gemeinte Bemerkung entgegenzuhalten, daß Himmler doch "der Schöpfer der Todesfabrik von Auschwitz" gewesen sei (Seite 112 aaO.). Das freilich wollte er ja eigentlich mit seinem Büchlein erst beweisen. Er hätte besser nach zwingenderen Beweisen Ausschau halten sollen!