2. Der Report des War Refugee Board (WRB)

In den USA erschien im November des Jahres 1944 eine Publikation des War Refugee Board, des US-amerikanischen Flüchtlingsamts, in der mehrere "Augenzeugenberichte" über die "Vernichtungslager von Auschwitz und Birkenau" zusammengefaßt waren [168]. Sie erregten damals in der Welt erhebliches Aufsehen, stießen aber auch vielfach auf skeptischen Zweifel.

Teil No. 1 dieser Publikation trägt den Titel "The Extermination Camps of Auschwitz (Oswiecim) and Birkenau in Upper Silesia". Er beginnt mit den angeblichen Erlebnisschilderungen von zwei jungen slowakischen Juden, die nach ihrer Darstellung etwa zwei Jahre in diesen Lagern verbrachten, bis ihnen im April 1944 die Flucht aus Birkenau gelang. In Abschnitt I dieser Darstellung (Überschrift: Auschwitz and Birkenau) berichtet zunächst der eine der beiden über seine im April 1942 von dem Ort Sered aus erfolgte Verschickung nach Auschwitz und die unmittelbar daran anschließende Überführung nach Birkenau. Dieser Abschnitt ist insbesondere wegen der darin enthaltenen detaillierten Angaben über die Vergasungseinrichtungen und Krematorien von Birkenau wichtig und mit fast 26 Seiten auch der umfangreichste Bericht des Reports. Diese Aussagen über die legendäre "Todesfabrik" Birkennau beruhen übrigens auf den Feststellungen beider Gewährsmänner, wie im Vorwort des WRB mitgeteilt wird. Der zweite Jude wurde -- wie er im Abschnitt II der Darstellung (Überschrift: Majdanek) beschreibt (Seiten 26-33 aaO.) -- am 14. Juni 1942 von dem slowakischen Ort Novaky aus über die Lager Lublin-Majdanek am 27. Juni 1942 nach Auschwitz verschickt. In beiden Lagern wurde er nacheinander mit verschiedenen Arbeiten beschäftigt, bis er zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt -- angeblich aus disziplinären Gründen -- nach Birkenau eingeliefert wurde, wo er mehr als 18 Monate bis zu seiner Flucht am 7. April 1944 verblieben sein will. Über diesen Aufenthalt in Birkenau läßt er sich hier nicht weiter aus. Im Abschnitt III des Teils No. 1 (ohne besondere Überschrift) wird schließlich der angebliche Bericht von zwei weiteren jungen Juden aus Birkenau wiedergegeben, die von dort am 27. Mai 1944 geflohen sein wollen. Dieser Bericht, der den Vorbemerkungen des WRB zufolge am 3. August 1944 in der Schweiz eintraf, schildert neben einigen Gerüchten aus früherer Zeit im wesentlichen die Ereignisse in Birkenau zwischen dem 7. April und 27. Mai 1944 (Seiten 33-39), schließt also eigenartigerweise zeitlich nahtlos an die beiden vorhergehenden Berichte an.

Nach dem Vorwort des WRB geben die ersten beiden Berichte nur das wieder, "was ihre Verfasser gemeinsam erduldeten, hörten oder aus erster Hand erfuhren"; es seien darin "keine persönlichen Eindrücke oder Meinungen aufgezeichnet und nichts beruhe auf Hörensagen" [169]. Damit sollte offenbar die Glaubwürdigkeit gerade dieser Berichte besonders unterstrichen werden. Der aufmerksame Leser kann sich allerdings nur über die Widersprüchlichkeit bereits dieser Feststellung wundern.

Teil No.2 des Reports trägt den Titel "Transport" und umfaßt 19 Seiten. Er soll von einem nichtjüdischen polnischen Major stammen, dem nach Angaben des WRB einzigen Überlebenden einer Gruppe von 60 Häftlingen, die im März 1942 von Krakau nach Auschwitz verlegt worden seien. Dieser Bericht gibt offensichtlich zum größten Teil Gerüchte wieder. So wird darin z. B. ausführlich unter der Überschrift "The Jews" (Abschnitt III) über Birkenau berichtet, obwohl der Verfasser nach seiner eigenen Darstellung in Auschwitz lebte und arbeitete. Der Stil dieses Berichts weist über weite Strecken hin fast romanhafte Züge auf. Der Verfasser will angeblich schon bei seiner Ankunft im März 1942 "gewußt" haben, daß Arbeitsunfähigkeit die Verurteilung zur "Liquidation durch Gas" bedeutete (Seite 4 aaO.). Falls der Bericht überhaupt echt ist, so zeigt wohl nichts deutlicher als diese Bemerkung, daß dieses auch sonst vielfach behauptete "Wissen" um die "Gaskammern" keineswegs auf eigener Erfahrung, sondern vielmehr auf Gerüchten beruhte. In und um Auschwitz sollen damals solche und ähnliche Gerüchte von interessierter Seite gezielt in Umlauf gesetzt worden sein [170].

Alle Berichte des Reports wurden anonym veröffentlicht [171], und zwar -- wie es heißt -- im Hinblick auf die persönliche Sicherheit der Verfasser. Daran änderte sich jedoch eigenartigerweise zunächst auch dann nichts. als dieser Grund nach dem Zusammenbruch des Reiches nicht mehr gegeben war. Keiner der angeblichen Berichtverfasser trat in den Nürnberger Prozessen als Zeuge auf. Erst im Verlaufe der 60er Jahre bekannten sich der in England lebende Chemiker Dr. Rudolf Vrba und der tschechoslowakische Beamte Alfred Wetzler als Verfasser der ersten beiden Berichte des Reports; beide traten später im Frankfurter Auschwitz-Prozeß (1963-1965) als Zeugen auf. Die Namen der anderen Juden und des nichtjüdischen polnischen Majors sind bis zum heutigen Tage unbekannt geblieben [172].

Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß auch der Report selbst seit dem Ende des Krieges so gut wie verschollen ist. Er wurde weder in den verschiedenen Nürnberger Prozessen der alliierten Sieger noch in einem sonstigen Nachkriegsprozeß wegen Auschwitz als Beweisdokument verwertet. Auch eine weitere Verbreitung dieses Dokuments in der Öffentlichkeit erfolgte nach dem Kriege nicht mehr. Heute ist es kaum noch dem Namen nach bekannt [173].

Das alles ist um so erstaunlicher, als es sich bei den Verfassern der Berichte des Reports doch um Augenzeugen schrecklichster Geschehnisse handelt, die ihre Erlebnisse zu einer Zeit schriftlich niedergelegt hatten, als sie wegen der Nähe der beschriebenen Ereignisse noch frisch in ihrem Gedächtnis haften mußten. Was für Zeugen ließ man sich da insbesondere in Nürnberg entgehen! Alle anderen Berichte ähnlicher Art wurden erst sehr viel später veröffentlicht und ihre -- wirklichen oder angeblichen -- Verfasser weilen überdies nicht mehr unter den Lebenden.

Nur vereinzelt und auszugsweise zitiert man heute noch aus dem ersten Bericht des Reports von Vrba/Wetzler [174], während die übrigen drei Berichte völlig in Vergessenheit geraten sind. Man übersieht dabei offensichtlich, daß auch diese Auszüge nicht immer mit der heutigen offiziellen Darstellung im Einklang stehen. Übrigens setzt sich Dr. Vrba selbst in seinem in den 60er Jahren verfaßten Erlebnisbuch "Ich kann nicht vergeben" mehrfach in Widerspruch zu seinem angeblich zusammen mit Wetzler verfaßten Report-Bericht, und zwar in sehr wesentlichen Punkten. Nach seiner eigenen Darstellung stieß dieser Bericht schon damals vielfach auf Unglauben [175].

Die Frage, weshalb man wohl nach dem Kriege den im Report des WRB zusammengefaßten Berichten über Auschwitz-Birkenau so wenig Bedeutung beima_, ist schnell beantwortet, wenn man ihren Inhalt kennt. Es sind darin nämlich neben einigen bekannten Tatsachen und zutreffenden Informationen für den Kenner der Materie so offensichtliche Unrichtigkeiten enthalten, daß sogar zweifelhaft ist, ob die Berichtverfasser überhaupt jemals in Auschwitz oder Birkenau waren. Dieser Eindruck wird auch nicht dadurch verwischt, daß insbesondere die Berichte von Vrba/Wetzler eine Fülle von detaillierten Zahlenangaben und anderen Informationen über die einzelnen nach Auschwitz-Birkenau verschickten Häftlingsgruppen und deren weitere Behandlung nach der Ankunft im KL aufweisen. die angeblich der Tatsache zu verdanken sind, daß die Berichtverfasser Schlüsselpositionen in der Lagerhierarchie einnahmen. Denn alle diese Angaben sind selbstverständlich nicht mehr nachprüfbar, müssen andererseits aber gerade wegen ihrer übertrieben anmutenden "Genauigkeit" Mißtrauen erwecken. Denn es ist kaum vorstellbar, daß selbst ein Häftling der Lagerhierarchie einen so ins einzelne gehenden Einblick erlangen konnte, abgesehen davon, daß die Wiedergabe dieser Einzelheiten -- vor allem der Zahlen -- ein geradezu unwahrscheinlich entwickeltes Erinnerungsvermögen vorausgesetzt hätte. Vieles basiert zudem eindeutig auf Hörensagen, obwohl im Vorwort zu diesen Berichten das Gegenteil behauptet wird. Nicht zuletzt fallen aber dem kritischen Leser auch manche Widersprüche in nicht unwesentlichen Punkten auf.

Das alles läßt darauf schließen, daß WRB -- übrigens eine Dienststelle des Executive Office of the President in Washington, also eine Präsidialbehörde- die Berichte entgegen seiner Versicherung ohne vorherige Prüfung herausgegeben hat. Man war wahrscheinlich froh, neben den bis dahin recht vagen Greuelberichten über die deutschen KL endlich einmal etwas Konkretes, ja sogar zahlenmäßig belegte "Tatsachen" vorweisen zu können. Die Begeisterung hierüber störte sicherlich das kritische Bewußtsein der damit befaßten Beamten, denen die Berichte -- wie es in der Einführung zum Report heißt -- von einem der europäischen Vertreter des WRB zugegangen waren. So konnte der US-Journalist Schuette in einem Schreiben an den für die Veröffentlichung des Reports verantwortlichen Kriegsminister Stimson mit Recht feststellen. diese Berichte seien so unglaublich, daß Stimson sie gar nicht gelesen haben könne. Er empfahl deshalb ihre Überprüfung [176]. Es ist also durchaus verständlich, daß man den Report amtlicherseits nach dem Kriege in der Versenkung verschwinden ließ [177].

Es ist hier schon aus Platzgründen nicht möglich, die im Report des WRB enthaltenen Berichte mit all ihren Widersprüchen und Ungereimtheiten eingehend zu analysieren. Wir müssen uns insoweit auf einige wesentliche Gesichtspunkte beschränken.

So bezeichnen Vrba/Wetzler z. B. den Obersturmbannführer Höß als Lagerkommandanten auch noch für eine Zeit, als dieser schon längst nicht mehr in Auschwitz war (Teil No. 1, Seite 26). Höß wurde nämlich lange vor ihrer Flucht (April 1944) im November 1943 durch den Sturmbannführer Liebehenschel ersetzt, der wiederum Anfang 1944 durch den Sturmbannführer Baer als Kommandant abgelöst wurde [178]. Der mysteriöse Tod des letzteren im Frankfurter Untersuchungsgefängnis kurz vor Beginn des großen Auschwitz-Prozesses machte bekanntlich einen der wichtigsten Zeugen von Auschwitz für immer stumm, eine Tatsache, die zu mancherlei Spekulationen Anlaß gab [179]. Auch von den beiden Juden, die die Berichte von Vrba/Wetzler im Report ergänzen, werden die beiden letzten Kommandanten von Auschwitz mit keinem Wort erwähnt (Teil No. 1, III). In der Reihe der von ihnen genannten Kommandanten erscheint zutreffend nur der Name Höß; die übrigen waren Unterführer in Auschwitz oder Birkenau.

Auffallend wenig und widerspruchsvoll wird im Report über die äußeren Lagerverhältnisse berichtet, die Häftlingen, die dort angeblich jahrelang festgehalten wurden, doch besonders gut bekannt sein mußten. Die den Berichten beigefügten Grundrißskizzen von Auschwitz und Birkenau sowie die Beschreibung der Lager entsprechen nicht den Lagerplänen, die man heute vorweist [180]. Überhaupt nicht erwähnt wird die doch gewiß auffällige Tatsache, daß das Stammlager Auschwitz zum Teil aus alten Kasernengebäuden (Ziegelbauten) bestand, was auch in den Lagerplänen keinerlei Berücksichtigung findet. Im Lagerplan von Birkenau (Teil No.1, Seite 22) ist zwischen den Krematorien II und III eine Badeanstalt (bath) eingezeichnet, während sich dort nach den heute vorgewiesenen Plänen eine Kläranlage sowie das Bekleidungslager "Kanada" befunden haben sollen [181]. Vrba will zwar selbst beim Bekleidungskommando (clearance squad) gearbeitet haben (Teil No. 1, Seite 31); offensichtlich war ihm jedoch bei Abfassung seines Berichts nicht einmal der damals allgemein gebräuchliche Ausdruck "Kanada" für das Bekleidungslager bekannt. Er verwendet -- ebenso wie Wetzler -- diesen Ausdruck an keiner Stelle seines Berichts.

Ein besonders auffallender "Schnitzer" findet sich im Bericht des polnischen Majors. Dort wird an mehreren Stellen das Lager Birkenau mit dem Lager Rajsko gleichgesetzt, obwohl es sich um verschiedene Lager handelte, die in der Luftlinie etwa 5 km voneinander entfernt waren. Dieser "Gewährsmann" des WRB bezeichnet Rajsko als "the polish name", also den polnischen Ausdruck für Birkenau, was eindeutig im Widerspruch zu den Tatsachen steht (vgl. Teil No.2, Seiten 12 und 17).

An verschiedenen Stellen des ersten Berichts von Vrba/Wetzler ist von Judentransporten aus Lublin-Majdanek nach Auschwitz-Birkenau die Rede, die dort "im Birkenwald" vergast und verbrannt worden sein sollen (Teil No. 1, Seiten 10, 11 und 18). Da diese Transporte zum Teil schon im Mai/Juni 1942 erfolgt sein sollen, fragt man sich, weshalb diese Juden nicht gleich in den verschiedenen Lagern des Lubliner Bezirks vergast wurden, wo damals -- so wird jedenfalls behauptet -- schon perfekte Vergasungsanlagen bestanden. In Auschwitz-Birkenau begann man nämlich nach heutiger offizieller Darstellung zu jener Zeit erst in behelfsmäßig hergerichteten "Bauernhäusern" erste Erfahrungen in der Judenvergasung zu sammeln [182]. Diese angeblich zu Gaskammern hergerichteten Bauernhäuser werden wiederum in den verschiedenen Berichten des WRB-Reports nicht erwähnt. Vrba/Wetzler sprechen lediglich davon, daß bei einer in einem Birkenwald in der Nähe des Lagers Birkenau angelegten Leichenverbrennungsgrube eine große Baracke errichtet worden sei, wo die "Selektierten" etwa ab Mitte Mai 1942 vergast und anschließend in der Grube verbrannt worden seien (Teil No. 1. Seite 9).

So nehmen die Widersprüche kein Ende, und eine Darstellung schließt zwangsläufig die andere aus. Die Legende von den Massenverbrennungen mitten im Birkenwald hat übrigens trotz ihrer in die Augen springenden Unwahrscheinlichkeit den WRB-Report überdauert und wird in einigen nach dem Kriege erschienenen Häftlingserinnerungen wiederholt. Es ist eines der zahlreichen "Wunder", denen man in der KL-Literatur auf Schritt und Tritt begegnet, daß der Birkenwald bei diesem Riesenfeuer nicht abgebrannt ist. In der sorgsam redigierten Höß-Biographie, die wir später noch eingehend untersuchen werden, hat man übrigens die Verbrennungen der Gastoten nicht mehr in den Birkenwald verlegt!

Zum Schluß noch einige Worte zu den Krematorien und Gaskammern in Birkenau, der eigentlichen "Todesfabrik" der KL-Literatur. Der diese Anlagen betreffende Teil des WRB-Reports ist zweifellos am interessantesten, weil daraus die Unglaubwürdigkeit dieser Publikation am deutlichsten hervorgeht. Er soll jedoch des Zusammenhangs wegen erst im Rahmen der späteren Zeugenaussagen zu diesem Komplex behandelt werden. Hier nur einige kurze Bemerkungen über die Angaben zur Fertigstellung dieser Anlagen.

Das erste "moderne" Krematorium mit Vergasungsanstalt (gassing plant) wurde- wie Vrba/Wetzler berichten -- Ende Februar 1943 in Betrieb genommen (Teil No. 1, Seite 14). Über den Zeitpunkt der Errichtung weiterer Krematorien sagen beide nichts. Sie bemerken nur, daß gegenwärtig (at present) -- also zur Zeit ihrer Flucht im April 1944 -- vier Krematorien mit angebauten Gaskammern in Betrieb seien, die von ihnen sogar genau nach Aussehen und Wirkungsweise beschrieben werden. Auch eine Grundrißzeichnung einer solchen Anlage ist ihrem Bericht beigegeben (Teil No. 1, Seiten 14ff.).

Nach dem Bericht des polnischen Majors waren jedoch bereits im Herbst 1942 vier Krematorien fertiggestellt. Vergast wurde diesem "Zeugen" zufolge aber schon seit dem Frühjahr 1942 in großen "Spezialbaracken" (Teil No. 2, Seiten 12 und 13). Von der Verbrennungsgrube im Birkenwald weiß er überhaupt nichts.

So bietet der WRB-Report nicht einmal in diesem wichtigen Punkt der Fertigstellung der angeblichen Gaskammern und Krematorien ein einheitliches Bild. Daß diesem Dokument keinerlei Beweiswert zukommt, wird schon daraus deutlich, daß es weder in den Nürnberger Prozessen noch in irgendeinem der vor deutschen Gerichten durchgeführten Auschwitz-Prozesse als Beweismittel herangezogen wurde. Allerdings wurden Vrba und Wetzler als Zeugen im ersten großen Auschwitz-Prozeß vernommen. Der Report kam dabei freilich nicht zur Sprache. Auch legten sich beide nicht mehr so detailliert wie damals fest. Sie wurden auch vom Gericht nicht nach Einzelheiten der Krematorien und Gaskammern gefragt; insoweit lagen ja bereits "gesicherte Erkenntnisse der Zeitgeschichte" vor! Dieser schwere Verfahrensfehler wird im Rahmen der Darstellung des Auschwitz-Prozesses noch gesondert zu besprechen sein. Wenn heutzutage in weiten Kreisen gerade die "Ergebnisse" dieses Prozesses als "Beweis" für die Existenz von Gaskammern in Auschwitz-Birkenau angesehen werden [183], an die vorher so recht niemand glauben mochte, so ist das angesichts der Art, wie die Beweiserhebung in jenem Verfahren gehandhabt wurde, ziemlich abwegig.

Daß man das von Vrba/Wetzler oder gar das von dem unbekannten polnischen Major übermittelte Bild von Auschwitz-Birkenau wegen seiner inneren Widersprüche und allzu krassen Unmöglichkeiten nicht vollständig in die Nachkriegsdarstellungen dieses Konzentrationslagers übernehmen konnte, leuchtet ein. Andererseits ist aber nicht zu verkennen, daß Grundsätzliches aus dieser ersten Greuellügensammlung- wie etwa die vier Krematorien mit ihren Spezial-Gaskammern -- sozusagen das Gerippe für das später konstruierte Auschwitz-Bild abgaben. Insofern zeigt gerade dieser Report besonders anschaulich die Genesis der Gaskammerlegenden und durfte deshalb hier nicht übergangen werden. Im Hinblick auf seinen sonstigen sachlichen Inhalt wurde er jedoch nicht ohne Grund "vergessen".


Anmerkungen

  1. Eine Fotokopie des Original-Reports habe ich Herrn Professor Butz zu verdanken.
  2. Die englische Textstelle lautet: »The following report does not contain everything these two men experienced during their captivity, but only what one or both together underwent, heard or experienced at first hand. No individual impressions or judgements are recorded and nothing passed on from hearsay.«
  3. Butz, »The Hoax...«, Seiten 110-11: »Der Jahrhundert-Betrug«, Seitn 145-146.
  4. Die hauptsächlichsten Einzelheiten daraus hat Butz erschöpfend zusammengestellt: "The Hoax ... ", Seiten 90-92; "Der Jahrhundert-Betrug", Seiten 116-119.
  5. Vgl. hierzu im einzelnen Butz, "The Hoax ... ", Seiten 94-99; "Der Jahrhundert-Betrug", Seiten 122-129. Das von Butz erwähnte Beweisdokument 022-L aus dem Nürnberger IMT-Prozeß war allerdings nur eine einzige Seite des WRB-Reports, nämlich eine Aufstellung der in Birkenau angeblich "vergasten" Juden (vgl. auch Butz aaO. Seite 207 bzw. 279). Die eigentlichen Berichte des Reports fehlen in den Protokollbänden. Sie blieben auch in den für den Frankfurter Auschwitz-Prozeß (1963-1965) erstatteten Gutachten des Münchener Instituts für Zeitgeschichte unerwähnt. Die "Zeugen" Vrba und Wetzler waren damals hinsichtlich der Birkenau betreffenden Einzelheiten recht zurückhaltend, soweit sich das nach den vorliegenden Prozeßdokumentationen beurteilen läßt. Wetzler soll dem Gericht allerdings die englische Übersetzung eines angeblich von ihm und Vrba verfaßten "sechzigseitigen Protokolls" überreicht haben (vgl. Naumann, "Auschwitz", Seite 193). Es war mir leider unmöglich, festzustellen, ob oder inwieweit dieses "Protokoll" mit den Berichten von Vrba und Wetzler im WRB-Report übereinstimmt, die insgesamt nur 33 Schreibmaschinenseiten umfassen. Mein Antrag auf Einsichtnahme in die Prozeßakten wurde abgelehnt (vgl. Anhang III).
  6. Scheidl, "Geschichte der Verfemung Deutschlands", Band 4, Seiten 73-74. Nicht einmal Rassinier scheint den Report gekannt zu haben, er erwähnt ihn jedenfalls an keiner Stelle seiner Werke. Reitlinger gibt nur an drei Stellen seines Buchs "Die Endlösung" einige kurze und recht unbestimmte Hinweise (aaO. Seiten 121, 190 und 622).
  7. So Z. B. Adler/Langbein/Lingens-Reiner in "Auschwitz - Zeugnisse und Berichte", Seiten 243ff.
  8. Vgl. aa O. Seiten 271 ff. Das bestätigte auch Wetzler im Auschwitz-Prozeß (Naumann aaO. Seite 193).
    Das Internationale Rote Kreuz in Genf erhielt angeblich bereits im Juni 1944 eine Abschrift des Reports (Reitlinger aaO. Seite 622). Eine daraufhin im September 1944 nach Auschwitz entsandte Delegation konnte jedoch keine "Gaskammer" entdecken. Vgl. die IKRK-Dokumentation, Seiten 91-92, sowie meine Abhandlung hierüber in "Mensch und Maß", Folge 22/1975.
  9. Der Wortlaut des Briefes ist bei Aretz aaO. Seiten 366-368 nachzulesen.
  10. Butz vertritt die Ansicht, daß der WRB-Report durch amerikanische Behörden in Zusammenarbeit mit jüdischen Stellen künstlich fabriziert wurde, die darin enthaltenen Berichte also zumindest teilweise gar nicht von ehemaligen Birkenau-Häftlingen stammen. Er liefert dafür eine Reihe von beachtlichen Hinweisen, deren Nachprüfung mir allerdings nicht möglich war. Im Ergebnis bleibt es sich gleich, ob die Beamten des WRB und anderer Behörden sich täuschen ließen oder ob sie selbst an der Abfassung der Berichte beteiligt waren.
    Über alle mit Herkunft und Bedeutung des WRB-Reports zusammenhängenden Fragen vgl. Butz, "The Hoax ...", Seiten 89-99, "Der Jahrhundert-Betrug", Seiten 114-129.
  11. Reitlinger, "Die Endlösung", Seiten 484 und 515.
  12. Vgl. Scheidl, "Geschichte der Verfemung Deutschlands", Band 4, Seiten 115-120) Aretz, "Hexeneinmaleins ...", Seite 58; Roth, "Der makaberste Betrug...", Seiten 132-136.
  13. Damit soll nicht gesagt sein, daß diese Lagerpläne in jeder Hinsicht stimmen; teilweise weichen auch sie untereinander ab.
  14. Vgl. die bei Langbein ("Der Auschwitz-Prozeß", Band 2, Seiten 929-933) abgebildeten Pläne. Der bei Smolen (aaO. dritte Umschlagseite) abgebildete Plan stimmt weitgehend damit überein, nur fehlt darin die Kläranlage zwischen Krematorium III und "Kanada". Übereinstimmend erscheint in diesen Lagerplänen oberhalb des Bekleidungslagers "Kanada" eine "Sauna". Übrigens sind die Krematorien im WRB-Report mit I-IV bezeichnet, während sie in den Plänen von Langbein und Smolen die Bezeichnungen II-V tragen. Die Pläne Smolens dürften die zur Zeit "offiziellen" Pläne sein; sie stimmen auch mit den vom polnischen "Schutzrat" in "Stätten des Kampfes und des Martyriums 1939-1945" -- einer Art Reiseführer -- veröffentlichten Lagerplänen von Auschwitz und Birkenau überein.
  15. "Anatomie des SS-Staates", Band 2, Seite 416; Reitlinger, "Die Endlösung", Seite 166. Reitlinger spricht allerdings von "Scheunen".
  16. So insbesondere auch von "offizieller" Seite: vgl. die als Beilage B 19/76 der Wochenzeitung "Das Parlament" veröffentlichte Abhandlung von Mitarbeitern des Instituts für Zeitgeschichte (im wesentlichen identisch mit "Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte", Heft 2/1976, Seiten 105ff.). Hierzu meine Schrift "Das Institut für Zeitgeschichte - eine Schwindelfirma? (Historiker oder Propagandisten?) " .

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