DER FALL ROMMEL
Die Gespräche mit Müller enthalten noch weitere Abschnitte zum Thema 20. Juli. Einige der wichtigeren sind nachfolgend aufgeführt.
F: Herr General, beim Durchgehen der Unterlagen zum 20. Juli muß ich nun auch in diesem Zusammenhang auf Rommel zu sprechen kommen. Können Sie dazu etwas sagen?
M: Rommel? Ja natürlich. Was wollen Sie darüber wissen?
F: Nun, wir besitzen eine Untersuchung eines ehemaligen Generals seines Stabes, die darauf hinweist, daß Rommel ein aktiver Verschwörer war und Hitler aus dem Wege räumen wollte. Hat nun Rommel Selbstmord begangen oder wurde er getötet? Sie sollten davon Kenntnis haben.
M: Natürlich. Ich vermute, diese Untersuchung ist von Speidel.*
F: Ja.
M: Ich habe Rommel nie befragt, aber wir haben Speidel und seine Mitarbeiter befragt. Speidel war... oder wir
* Hans Speidcl, 1897-1984, war 1944 Generalleutnant und Chef des Generalstabes des Wehrmachtsbereiehes B, der Rommel unterstand Speidel seihst soll an der Verschwörung beteiligt gewesen sein und soll aber nach seiner Verhaltung Aussagen über Rommels Beteiligung an der Verschwörung gemacht haben, die sehr ungenau und äußerst dubios waren und ihm selbstverständlich hellen sollten Nach dem Krieg wurde Speidel Bundeswehr-General
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wurden auf ihn aufmerksam nach den Verhören von Hofacker in Paris oder anderswo. Dieser Hofacker war Oberst in der Luftwaffe und ein Vetter Stauffenbergs. Hofacker war stark in die Verschwörung verwickelt und wurde bald verhaftet. Wie die anderen hat auch er sofort seine Beteiligung gestanden und wie die anderen belastete er jeden, den er konnte. Einer davon war Speidel. Wir haben Speidel in Berlin verhört... im September des gleichen Jahres...
F: 1944?
M: Selbstverständlich. Im September 1945 habe ich niemanden mehr verhört. Wenn ich nun fortfahren dürfte... Speidel war sehr zusammenarbeitswillig und ebenso abschweifend. Er sagte aus, Rommel sei aktiv an der Verschwörung zur Ermordung Hitlers beteiligt gewesen. Natürlich mußte diese Aussage an Hitler weiter geleitet werden. Hitler glaubte Speidel nicht, aber es mußte weiter ermittelt werden.
F: Haben Sie Speidel geglaubt?
M: In einigen Dingen ja, in anderen nicht. Er fürchtete wie die meisten von ihnen um sein Leben. Sie konnten mit dem Feuer spielen, wollten sich aber nicht verbrennen. Ich glaube, daß Rommel vom Stauffenberg-Attentat nichts wußte. Ich glaube indes, daß Rommel der Meinung war, man müsse eine Lösung für den Krieg finden. Er schickte deswegen schließlich eine Denkschrift an Hitler. Was jedoch die Verschwörung anbelangte, so hatte Rommel keine Ahnung. Sie wissen, daß Rommel ein schwieriger Mensch war. Es war sehr schwer, mit ihm auszukommen: seinem Stab gegenüber war er stur, unverblümt und aggressiv. Keiner der höheren Offiziere in Frankreich mochte ihn. Indes war Rommel wegen des Afrikafeldzuges in Deutschland sehr beliebt. Die Attentäter sahen in Rommel eine geachtete Fassade für ihren Staatsstreich. Rommel
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hatte vom Bombenattentat keine Ahnung, war letztendlich Hitler gegenüber loyal und hatte keine Kenntnis vom Attentatsversuch. Aber Speidel beschuldigte ihn genauso wie Hofacker, so daß der Vorgang der Abwehr übergeben wurde. Es war anzunehmen, daß Speidel oder Guderian und sein Klüngel Rommel nicht mochten, so daß man schließlich beschloß, Ermittlungen einzuleiten.
Dann kam noch was anderes hinzu. Diese Leute hatten Angst, Rommel nach Berlin bringen zu lassen, um ihn dort zu verhören, weil sie befürchteten, er könne etwas über ihre Anti-Hitlerfreunde erzählen. Daher forderte man Rommel auf, sich umzubringen. Ich weiß davon, weil die Gestapo bei einigen Einzelheiten beteiligt war. Es war weder meine noch Hitlers Entscheidung. Ich weiß, daß Hitler damals sehr aufgebracht war. Er war wütend und den Militärs gegenüber sehr mißtrauisch. Andererseits benötigte er sie dringend. Nachdem wir Fellgiebel festnahmen...
F: Den Befehlshaber der Fernmeldetruppe?
M: Ja, dieser Fellgiebel. Er war einer der Anführer der Verschwörer, und wir faßten ihn umgehend. In seinem Hauptquartier gab es weitere Verschwörer wie z. B. Thie-le*, der ebenfalls verdächtig war. Es gab Selbstmorde usw. Ich mußte deutlich machen, daß ich keine Absicht hatte, mich mit ihrer Abteilung weiter herumzuärgern. Hitler
* Fritz Thiele, geb. 1894, hingerichtet am 4. Sept. 1944, Generalleutnant 1944 und höherer Fernmeldeoffizier im Oberkommando. Thiele hatte neben anderen Dingen einem sowjetischen Spionagering in der Schweiz vor seiner Verhaftung überaus geheimes Material zukommen lassen.
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befahl, sie in Ruhe zu lassen, loyal oder nicht, er benötigte ihre technischen Leistungen. Das Gleiche galt auch für andere wichtige Offiziere, dessen bin ich mir sicher: Kluge z. B. wollte sich den Engländern ergeben, aber er verpaßte seine Verbindungsleute. Als wir ihn in Berlin haben wollten, zog er die richtigen Schlüsse und tötete sich selbst. Er wußte, daß er dran war und wollte sich nicht der Unwürdigkeit eines Verfahrens aussetzen.
Rommel war indes ein anderer Fall. Letzendlich war er genauso ein Opfer Stauffenbergs wie es Hitler hätte sein sollen. Nur am Rande sei angemerkt, daß ein Großteil des armseligen militärischen Verhaltens in Frankreich nach der Invasion auf den gewollten Versuch der Verschwörer und ihrer Freunde zurückging, sich dem Westen zu ergeben oder die Amerikaner und Briten durch die Frontlinie hindurchzulassen, damit sie vor den Russen in Deutschland sind. Einheiten wurden aus dem Kampf herausgehalten und jegliche Art von Verbindung zu Ihrer Seite gesucht. Offensichtlich waren die amerikanischen und britischen Offiziellen auf unterer und mittlerer Ebene dem zugetan, wurden aber sowohl von Roosevelt als auch von Churchill, die Deutschland von der Landkarte verschwinden sehen wollten, daran gehindert. Wie viele Menschen wegen dieser verachtenswerten Kurzsichtigkeit starben, kann ich nicht sagen. Nun wollen Sie diesen Helden zweifelsohne irgendwo einsetzen. Sie sollten im Umgang mit solchen Kreaturen eine gewisse Vorsicht walten lassen. Wenn sie ihre Vorgesetzten und ihr Land so leicht verrieten, was würden sie dann Ihnen gegenüber tun? Ich weiß, daß Halder für Sie arbeitet und diese wacklige, alte Großmutter wird sich gegen Sie wenden, wenn es zum eigenen Vorteil ist. Da ist ein Mann, der zur Abwehr der Wehrmacht geht und sie bittet, die Polizei einzusetzen, um der
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Wehrmacht bei der Aufrechterhaltung der Ordnung hinter der russischen Front zu helfen, dies dann später abzustreiten, um dann die Ausschreitungen, die er persönlich eingeleitet hat, der SS und Himmler anzulasten. Dies sind alles keine Männer. Bei all denen sind Sie herzlich willkommen. Warum nehmen Sie diese Bande nicht mit in Ihr Land und halten sie von Deutschland fern? Wir wollen solche Reptilien nicht.
F: Könnte man zu ihrer Verteidigung nicht sagen, daß sie in Hitler die Verkörperung des Bösen sahen, in ihm einen Mann sahen, der ihr Land zerstörte und der aufgehalten werden müßte?
M: Nun klingen Sie wie eines der Lämmer Gottes. Hitler hat Deutschland nicht zerstört. Sie und die Russen taten das. Und ein Land hat das Recht, sich gegen seine Feinde zu verteidigen. Und ich hatte das Recht und die Pflicht, ihre Agenten und andere Arten von Verrätern während dieses Kampfes auszuschalten. Ich habe überhaupt keine Gewissensbisse, und wenn Ihre Leute solche Reptilien beschäftigen, dann denken Sie bitte an die Folgen. Sie wissen von Gehlen und seinen Berichten. Natürlich bin ich mir sicher, daß Gehlen tut, was man ihm sagt. Aber soweit Rommel betroffen ist, wäre es eine Schande, ihn mit den Speidels und Stauffenbergs in einen Topf zu werfen. Rommel war trotz der Probleme mit seiner Persönlichkeit ein guter Soldat, ein loyaler Soldat und ein sehr tapferer Mann. Ich wäre äußerst aufgebracht, wenn man diesen Kriegshelden als Verräter und Feigling darstellen würde. Ich weiß, daß meine Meinung ohne wirkliche Bedeutung ist, aber ich habe sie gesagt, und das wär's dann.
MU 13-75-96: 18; S. 73-76
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