Die Erstausgabe des Rudolf Gutachtens auf vho.org/D/rga1
Vgl. auch die revidierte Fassung dieses Abschnittes, Stand Frühjahr 1999
1.3.2. Die Krematorien IV und V
Der Abbildung 17 ist der Grundriß des Krematoriums IV und
spiegelbildlich entsprechend der des Krematoriums V zu entnehmen[56].
Aufgrund von Kostenüberlegungen wurden diese später erstellten Gebäude einfacher
konstruiert als die Krematorien II und III. Wegen Materialmängeln fielen die
Einäscherungsöfen beider Krematorien kurz nach Inbetriebnahme der Anlage aus und wurden
wegen Kremierungsüberkapazität nicht mehr repariert. Über diese Anlagen, die als die am
wenigsten bekannten gelten, gibt es nur wenige Dokumente und widersprüchliche, teilweise
unglaubhafte Zeugenaussagen (»[...] the least known of the instruments of extermination
[...].a comparison of such testimonies reveals inconsistencies [...]« Zu deutsch: »[...]
die am schlechtesten bekannten Instrumente der Vernichtung [...] ein Vergleich solcher
Aussagen offenbart Unstimmigkeiten [...]«[57]). Geplant wurden diese
Krematorien ab dem Sommer 1942, erbaut bis zum Frühjahr 1943. Nach Pressac sollen darin
neben den zwei westlichen Räumen, die in denPlänen keinerlei Bezeichnung tragen, auch
deren Vorräume als 'Gaskammern' gedient haben. Alle diese Räume sollen in ihren
Außenwänden in etwa 2 m Höhe 30×40 cm große, angeblich gasdichte Luken zum Einwurf
des Zyklon B besessen haben[58]. Die beiden Räume sollen von dem auch
als 'Gaskammer' genutzten Vorraum aus beheizbar gewesen sein (Heizungen siehe Abbildung 17). Eine Entlüftungsanlage ist nicht nachgewiesen. Pressac
geht von einer Lüftung durch natürlichen Zug aus[59]. Er spricht
bezüglich der Vergasungsvorgänge in den 'Gaskammern' der Krematorien IV und V darüber,
daß die »[...] operating sequence [...] had become irrational and ridic'ulous« (die
Handlungsfolge [der SS-Männer][...] war irrational und lächerlich geworden.) und
»Introducing the poison resembled a circus act« (die Einfüllung des Giftes ähnelte
einem Zirkus-Akt). Er behauptet den nachträglichen Einbau einer Tür im Korridor zur
Lüftungsunterstützung, ohne dies allerdings zu belegen[60]. Da es für
die SS kaum mehr Aufwand gewesen wäre, eine rihtige Lüftung in diese Räume einzubauen,
diese Lösung auch wesentlich effektiver gewesen wäre, kann man Pressacs These vom Einbau
einer Tür zur Lüftung als unrealistisch verwerfen. Man erkennt außerdem, daß die
Leichenhalle und der Ofenraum Lüftungskamine besaßen. Die als 'Gaskammern' bezeichneten
Räume haben neben dem Koks- und dem Arztraum als einzige keine Lüftungskamine. Ein
Arztraum in Krematorien ist übrigens auch heute noch üblich[29].
![]() |
Abbildung 23: Nordseitenansicht (oben) und
Grundriß (unten) von Krematorium IV bzw. V (spiegelbildlich) im Lager Auschwitz
II/Birkenau[56]. 1: Angebliche 'Gaskammern'; 2: Angebl. Zyklon B-Einwurfluken; 3: Öfen; 4: Koksraum; 5: Arztraum; 6: Leichenhalle; 7: Lüftungskamine; 8: Abflüsse; 9: Ofenraum; 10: Kremierungsöfen |
Einer älteren Veröffentlichung von Pressac[61] zufolge sollen auch diese 'Gaskammern' nicht als solche geplant und gebaut worden sein. Als Argumente hierzu zählte er auf:
In seinem neuen Buch läßt er diese Argumente weiterhin gelten[59].
Da zur Planungszeit der Krematorien IV und V die Massenvernichtung der Juden besonders in
den Bauernhäusern I und II schon voll im Gange gewesen sein soll, ist es freilich absurd
zu glauben, daß diese Anlagen falsch konzipiert bzw. gebaut worden sein können. Pressac
geht daher heute von einer »kriminellen Planung« der Krematorien aus[62].
Ein Beleg dafür seien neben den gasdichten Luken Dokumente einer zivilen Baufirma, in
denen die Rede von Arbeiten in einer 'Gaskammer' ist[63]. Wie im Kapitel
über die Sachentlausungsanlagen noch gezeigt wird, war 'Gaskammer' die damals übliche
Bezeichnung für Sachentlausungsräume. Auf auffällige Unregelmäßigkeiten und
Ungewöhnlichkeiten in diesen Dokumenten ist in einem Gutachten aufmerksam gemacht worden,
das die Echtheit in Frage stellt. Neben vielen ungewöhnlichen Rechtschreibfehlern und
sachlich falschen Formblattausfüllungen enthalten die Dokumente einen beschnittenen
Firmenstempel. Als siebter und letter Punkt ist hier und bei zwei weiteren, ähnlichen
Tagesberichten die Tätigkeit »Ordnungsdienst Unterkunft« angeführt, ein angeblich nur
in militärischen und paramilitärischen Verbänden üblicher Dienst[64].
Die Wände der gänzlich oberirdisch gebauten Krematorien IV und V waren nur aus einfachem
Ziegelmauerwerk erbaut. Nach ihrer Sprengung sind beide Krematorien heute bis auf die
Grundmauern und die Betonfundamente abgetragen. Die ungefähr 1 m hohe Grundmauer von
Krematorium V soll wiedererrichtet worden sein [65]. Das rund 50 cm hohe
Grundmauerwerk vom Krematorium IV soll ebenfalls aus anderem Trümmermaterial
nachträglich wiedererbaut worden sein[8].
Anmerkungen
Nächstes Kapitel
Vorheriges Kapitel
Zurück zum Inhaltsverzeichnis