J. G. Burg

Maidanek
in alle
Ewigkeit
?

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Inhalt


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Einleitung

Das höchste im Leben ist die Freiheit.

Freiheit macht das Leben erst Lebenswert. Deine und meine Freiheit aber, ist nur dann gesichert, wenn die Freiheit des Nächsten nicht bedroht ist.

Daher ist es deine und meine Pflicht, sich auch für die Sicherheit der Freiheit des Anderen einzusetzen.

Dies kann nur mit der einmaligen und gefürchtesten aller Waffen erreicht werden; mit der Wahrheit. Nur mit der nuda veritas erreichen wir Gerechtigkeit, welche Voraussetzung für die Freiheit ist. Wahrheit-Gerechtigkeit-Freiheit, an dieser Trivium darf nicht gerüttelt werden. Tut man es doch, dann ist es mit jeder Art Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu Ende. Darüberhinaus werden alle Bemühungen zu einer deutsch-jüdischen oder jüdisch-deutschen Versöhnung illusorisch und der Weg zum Antisemitismus frei.

Um all dies zu verhindern, ist es unsere Pflicht, alles zu tun, womit man für Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit eintreten kann.

Um dafür aktiv zu sein ist kein Opfer zu groß. Das nun Folgende und bestimmt noch mehr, würde ich im Maidanek-Prozess vortragen, wenn man mir dazu die Möglichkeit gibt.

In diesem Sinne wird die Broschüre der Öffentlichkeit übergeben.

Murnau, Februar 1979

J.G. Burg

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Anfang

Herr Vorsitzender, zu Beginn meiner Ausführungen, mit denen ich versuchen will, nach bestem Wissen und Gewissen bei der Urteilsfindung mitzuhelfen, ersuche ich Sie, mich ungehindert und so sprechen zu lassen, wie mir der Schnabel gewachsen ist.

Da man meine Aussage als Zeuge angenommen hat, darf ich annehmen, daß meiner Bitte stattgegeben wird. Für mich ist es nicht leicht, mein Wissen vor einem Öffentlichen Gericht auszusagen.

Vor 12 Jahren trat ich in Münster in einem NS-Prozeß, der mit "Stanislauer-Prozeß" bezeichnet wurde, als Zeuge und Sachverständiger der Verteidigung auf.

Kurze Zeit darauf wurde in Israel eine Hetzkampagne gegen mich eingeleitet, was für die Schläger und Mordbanden der 5. Kolonne Jerusalems in der BRD ein Signal war und hieß: "Nehmt euch seiner an!"

Dies geschah auch einige Wochen später. Als ich im Sommer 1967 das Grab meiner Frau besuchte, wurde ich krankenhausreif geschlagen.

Vor etwa 7 Jahren wurde in Nürnberg ein Landsmann von mir, unschuldig, für sein ganzes Leben schuldig gesprochen. Obwohl ich viel zu spät vom Prozeßverlauf erfahren habe, bilde ich mir ein, doch nicht geholfen zu haben. Eine Wiederholung möchte ich vermeiden, um mit meinem Gewissen nicht in Konflikt zu kommen. Ich werde versuchen der Urteilsfindung zu helfen und ersuche Sie, mich als Juden, der Zerknittertes zu bügeln versucht, in meinen Ausführungen nicht zu behindern. Auch ich bin von 1941 - 1944 nicht von der grausamen Zeit verschont geblieben und habe den Großteil meiner Familie verloren.

Der Mensch stirbt bekanntlich nur einmal, und das soll er in Anstand und Ehre tun.

Es ist mir daher gleichgültig, was mit mir beim Verlassen dieses Gebäudes passieren wird. Ich muß auf alles gefaßt sein, angesichts dessen, daß unsere Ziongangster Immunität besitzen und sich alles erlauben, während nichtzionistische Juden in diesem Rechtsstaat im wahrsten Sinne des Wortes "Freiwild" sind.

"Audiatur et altera pars" - "Auch der andere Teil werde gehört."

Sollten Fragen an mich gestellt werden, beantworte ich sie selbstverständlich der Wahrheit gemäß.

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Anstelle eines Vorwortes

"Ein Jude gegen die deutsche Selbstzerfleischung", Leitartikel aus "Deutsche Wochenzeitung" Nr. 16 vom 21. April 1967.

Wir berichteten bereits in unserer Vornummer von der sensationellen Zeugenaussage des jüdischen Schriftstellers J.G. Burg in dem Stanislaus-Prozeß in Münster. Burg, der in seinem Werk "Schuld und Schicksal" für eine ehrliche Bewältigung der Vergangenheit und für eine Revision der gegenwärtigen Geschichtsauffassung eintritt, kämpft seit Jahren vergebens für eine Versöhnung der Juden und des deutschen Volkes. Wir haben J.G. Burg gebeten, uns seinen Eindruck von dem Prozeß zu vermitteln. Burg, der nicht nur Volljude ist, sondern auch der mosaischen Glaubensgemeinschaft angehört, wurde wegen seiner wahrheitsgetreuen Zeugenaussage bereits von manchen Seiten scharf angegriffen. Die bundesdeutsche Presse aber schwieg wie ein Mann über die Tatsache, daß ein Jude nicht nur die Wahrheit sucht, sondern auch den Mut hatte, die Wahrheit auszusagen. Nahezu eine Stunde lang beriet das Gericht über den Antrag des Staatsanwaltes, die Öffentlichkeit von dieser Zeugenaussage auszuschließen und die Journalisten aus dem Saal zu entfernen. Das Gericht entschloß sich aber schließlich, die Öffentlichkeit nicht auszusperren. Was nachstehend J.G. Burg berichtet, ist eine erschütternde Bestätigung dessen, was wir über die Praktiken der belastenden Zeugenaussagen in den sogenannten Kriegsverbrecherprozessen schon lange wußten. Hier wird die Wahrheit aus dem Munde eines mutigen Juden bestätigt. J.G. Burg schreibt:

In vielen Großstädten der Bundesrepublik finden in ständiger Folge Kriegsverbrecherprozesse statt, auch in Münster (Westfalen). Im Schwurgerichtssaal des Landgerichts dieser Stadt geht zur Zeit ein Prozeß über die Bühne, nach dem Auschwitzprozeß der größte, mit internationalem Echo. Offiziell wird dieser Prozeß nach der Anklage gegen Krüger und andere genannt oder der Stanislauer. Den Angeklagten wird Mord an der jüdischen Bevölkerung der in Galizien liegenden Stadt Stanislaus und deren Umgebung während des zweiten Weltkrieges vorgeworfen. Der Prozeß begann im April 1966. Ich erfuhr von ihm erstmals im August des vergangenen Jahres durch schweizerische und israelische Presseberichte. Damals schon wirbelte dieser Prozeß Staub auf, weil es Zusammenstöße zwischen Angeklagten und Zeugen gegeben hatte. Gegen einen Teil der Zeugen wurde der Vorwurf erhoben, wahrheitswidrige Aussagen gemacht zu haben, anderen wurde vorgeworfen, daß sie selbst Kollaborateure der SS und der Gestapo gewesen wären.

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Diese Vorwürfe sollen Tränen und Ohnmachtsanfälle bei den betroffenen Zeugen hervorgerufen haben.

Dies nahm die internationale zionistische Presse zum Anlaß, sich mit dem Münster-Prozeß zu befassen. Unberufene schrieben, was besser in der Schreibmaschine geblieben wäre; allein es erhoben sich auch erfreulich objektive Stimmen. Eine Meinungsäußerung kam sogar aus Israel: Leider gebe es auch jüdische Zeugen, die durch ihr Verhalten andere, anständige jüdische Zeugen in Mißkredit brächten.

Manche drängen sich als Zeugen auf, um dadurch gratis in die Bundesrepublik und zurück fahren zu können. Sie erledigen in der Bundesrepublik bei dieser Gelegenheit Persönliches oder Geschäftliches auf Kosten des deutschen Steuerzahlers statt auf eigene Kosten, wie es ohne die erlangte Eigenschaft als Zeuge notwendig gewesen wäre.

Andere wiederum jammerten und verurteilten nicht nur das Verhalten der Angeklagten, sondern gingen sogar so weit, die Objektivität und Befähigung des Schwurgerichtsvorsitzenden zu bezweifeln. Es wurde auch gefordert, daß die Zionisten in der Bundesrepublik sich dem gesamten Problemkomplex intensiver widmen müßten; man solle sogenannte Betreuer oder Berater ernennen, welche die jeweiligen Zeugen aus dem In- und Ausland vor "ungerechter" Behandlung zu schützen hätten.

Schließlich erhielt ich zu Beginn dieses Jahres eine Zeugenvorladung zu dem erwähnten Prozeß in Münster für Ende März.

Vor meiner Einvernahme trat man in der Wandelhalle des Gerichtsgebäudes auch an mich heran, erteilte mir Ratschläge und " Verhaltungsmaßregeln " und stellte mir anheim, mich, sollte etwas passieren, an diesen und jenen zu wenden, die mich unter ihre Fittiche nehmen würden.

Als ich dann zu meiner Vernehmung auf dem mir angebotenen Zeugenstuhl Platz genommen hatte, vermochte ich nichts von alledem festzustellen, was ich Monate zuvor in tendenziösen Berichten über diesen Prozeß gelesen hatte. Die Angeklagten benahmen sich ruhig wie alle anderen auch; der Vorsitzende erschien mir als erfahrener Richter, der sich nach Kräften um Objektivität bemühte, der souverän über allen Vorkommnissen stand, die Angeklagten belehrte, die Zeugen väterlich zurechtwies, zu weit gehende Anträge des Staatanwaltes nicht genehmigte und mit einem Wort im besten Sinn den Begriff Richter verkörperte.

Ich war Zeuge und Sachverständiger, und es ging in der Hauptsache um zwei Kardinalangelegenheiten: um das Zeugenproblem und um Statistik.

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Die erste Angelegenheit konnte an Hand von Beweisen geklärt werden, die zweite natürlich nicht. In dieser Richtung wird man wohl kaum je zufriedenstellende Ergebnisse erzielen.

Wenn jüdische Zeugen vor deutschen Gerichten bewußt falsche Aussagen machen (die Falschaussage im guten Glauben sei hier selbstverständlich ausgeklammert), womöglich noch den traurigen Mut haben, sie zu beeiden, also einen Meineid zu leisten, dann ist solches Tun verwerflich Sie begehen ja nicht nur ein Verbrechen gegen die Heiligkeit des Eides, sondern ein Vergehen gegen die Wahrheit überhaupt und bringen zudem Schande über ihr eigenes Volk.

Ein solcher Zeuge verstößt nachweisbar gegen die mosaischen Gesetze und Vorschriften sowie gegen die talmudische Lehre wie auch gegen die Meinung der weltlichen Autoritäten unseres Volkes.

Es liegt mir fern, zu verallgemeinern; aber leider kamen solche beeidete Falschaussagen vor.

Kol Nidre und das Recht Gottes

Peinlich berührt war ich - und ich fühlte mich in meiner Haut nicht mehr wohl -, als man mir einen inzwischen aus dem jüdischen Gebetsleben entfernten, aus dem Aramäischen übersetzten Text vorlas, den ich einst mit Entsetzen in meiner Jugend gehört hatte und der bei mir das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erreichte.

Dieser Gebetstext besagt sinngemäß, daß ein Jude eine nichtjüdische Gerichtsinstanz nicht als vollberechtigt anzusehen brauche und sich demgemäl'3 verhalten dürfe. Es handelt sich um das Gebet Kol Nidre (alle Gelübde), ursprünglich eine Gebetsformel, mit der ein Jude die eigene Person betreffende Gelöbnisse widerrief - also auch vor einem nichtjüdischen Gericht gemachte Aussagen.

Dieses Gebet leitet den Gottesdienst am Abend des Jom Kippur (= Tag der Sühne, Versöhnungstag) ein, ist jedoch im reformierten Gebetsritus nicht mehr enthalten.

Im Bereich des Ostblocks, aber auch im Westen, namentlich in den USA, wurde von der Mehrheit der Betenden dieser unglücklich formulierte Text längst aus den Gebetbüchern herausgenommen, da er mit der Thora und der modernen Talmuddeutung nicht mehr zu vereinbaren war. Dieser Text hat uns Juden in der Vergangenheit viel Leid gebracht. Jeder Jude, der vor einem nichtjüdischen Gericht steht, muß sich so oder, wenn möglich, noch korrekter verhalten, als wenn er vor einem jü-

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dischen Gericht stehe. Man darf dabei nicht vergessen, daß wir etwa zweitausend Jahre lang nicht in einem nationalen jüdischen Staat lebten, sondern zerstreut in aller Welt. Obwohl das jüdische Gesetz den Zeugeneid nicht kennt, muß der jüdische Zeuge, wenn ein nichtjüdisches Gericht von ihm den Zeugeneid verlangt, diesen ablegen.

So heißt es im Jüdischen Lexikon Band II, daß "auch gegenüber Nichtjuden auf die Heiligkeit des Eides zu achten ist", und im Jüdischen Lexikon, Berlin 1930, Band IV, Spalte 1570, ist zu lesen: "... wird bei dieser Sonderlichkeit des Falschzeugens nach der herrschenden Lehre gerade der Versuch, durch ein falsches Zeugnis einen anderen zu schädigen, zu verbrecherischem Tatbestand." Besonders deutlich ist folgendes Zitat aus dem Talmudbuch Resch Lakisch in Hagiga 5, a: "Wer das fremde Recht beugt, beugt das Recht Gottes." Auch der dem König Zedekia aufgezwungene Vasalleneid, den dieser Nebukadnezar leisten mußte, wird als heilig betrachtet, und der Prophet Ezechiel tadelt die Eidesverletzung Zedekias aufs schärfste (Bibelbuch Ezechiel 17, 13 ff.).

Eine falsche Aussage ist verdammenswert

Um wieviel verdammenswerter ist eine falsche Zeugenaussage oder gar ein Meineid, da doch der Eid von den bundesdeutschen Gerichten in keiner Weise erzwungen wird; der Zeuge leistet ihn in jedem Fall freiwillig. Der jüdische Historiker Dr. Graetz meint in seinem Werk "Volkstümliche Geschichte der Juden", 3. Band, 9. Auflage, Seite 339, "daß der Talmud und die großen Lehrer des Judentums Betrügereien und Übervorteilung von Andersgläubigen fast noch mehr gebrandmarkt haben als gegen Stammesgenossen". Im Kodexbuch Choschen Mischpat 87, 20, heißt es: "Die ganze Welt erzittert bei Ablehnung eines Meineides; alle Sünden werden durch Buße vergeben, nur die Sünde des Meineides nicht ... Für den Meineid müssen noch Kindeskinder leiden usw. "

Es nützt nichts, wenn geschickte Gedankenjongleure an diesen Kernsätzen herumdeuteln wollen. Diese Zitate beseitigen jeden Zweifel daran, daß der jüdische Zeuge ein deutsches Gericht als Gerichtsinstanz voll anerkennen und sich genauso verhalten muß, wie wenn er vor einem jüdischen Gericht oder Rabbinatsgericht steht oder seinen Eid in der Synagoge vor der Thora ablegt.

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Ich wiederhole: Der jüdische, von einem deutschen Gericht vorgeladene Zeuge hat, wenn er nicht seine religiösen und weltlichen Gesetze verletzen will, diese Verpflichtung, nichts als die reine Wahrheit zu sagen, wie jeder Deutsche, vorausgesetzt, daß er der deutschen Sprache mächtig ist.

Das Kol-Nidre-Gebet soll von Maimonides (= Mose ben Maimon = Rambam) sein (1135-1204), was weder bewiesen ist, noch glaubhaft erscheint, da Maimonides einen großen Teil seines Lebens unter Nichtjuden verbrachte und fast alle seine Werke in der arabischen Sprache verfaßte. Er war Philosoph, Arzt und auch Gesetzeslehrer und vermittelte dem Judentum die aristotelische Philosophie.

In Hilchoth Maacholot Issorot 11, 7; Orach Chajim 156; Jore Dea 123 wird folgende bedeutungsvolle Tatsache festgestellt: "Die Völker, unter denen wir wohnen, sind keine Götzendiener." Damit haben die nachtalmudischen Rabbiner alle Satzungen im Talmud, die gegen Heiden gerichtet waren, außer Kraft gesetzt (siehe auch "Worte des Talmud" von Rabbi Goldstein, Heros-Verlag 1963, Seite 110/111).

Dieses abschließende Zitat soll auch beweisen, daß das beanstandete Kol-Nidre-Gebet, das übrigens nicht Gewicht und Bedeutung einer Talmudschrift besitzt, schon vor vielen Jahren außer Kraft gesetzt worden ist. Natürlich kann ich nicht erschöpfend alle Gründe aufzählen, weshalb ein jüdischer Zeuge, der vor einem deutschen Gericht der Wahrheit widersprechende Aussagen macht, gegen die mosaischen Gesetze, gegen Talmudlehre, aber auch gegen nichtreligiöse Vorschriften unseres Volkes verstößt. Er schadet dem jüdischen Ansehen empfindlich; seine Handlungsweise ist unter allen Umständen verächtlich. Soweit zu Punkt

Exakte Ermittlungen über die Zahl der Judenopfer unmöglich

Was Punkt 2, die Statistik, das heißt die zahlenmäßige Erfassung der Judenmorde, betrifft, so sind exakte Ermittlungen nicht möglich. Hier müssen Objektivität und Verständnis walten und ist das Wissen um viele Umstände erforderlich.

Wenn die Angeklagten betonen, daß die ihnen vorgehaltenen Zahlen der umgebrachten Juden unmöglich stimmen können, so ist dies nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.

Der Hauptangeklagte Krüger gibt zwar selbst zu, mit Judenvernichtungen zu tun gehabt zu haben; aber er wehrt sich gegen die vom Ankläger behaupteten Zahlen.

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Man müßte die vorhandenen Ergebnisse der Volkszählung aus der Zeit vor 1939 in Betracht ziehen, dabei jedoch auf keinen Fall außer acht lassen, daß viele während der deutsch-polnischen und polnisch-sowjetischen Auseinandersetzungen von Galizien nach Rumänien gingen, andere von der NKWD von Galizien nach der UdSSR verschickt, andere wiederum zur Roten Armee eingezogen wurden, ein Teil floh in das deutschbesetzte Polen. Andere schlossen sich während des deutsch-sowjetischen Krieges Partisanenverbänden an, wieder andere gelangten glücklich ins rettende Ausland.

Eine geringe Anzahl verblieb auch im Heimatland Galizien - mit "arischen" Dokumenten.

Wenn man all das berücksichtigt, so ergibt sich eine bedeutende Zahl, die von dem Resultat der erwähnten Volkszählung erst einmal abzusetzen ist. Der Wahrheitsfindung wäre nach meiner Meinung ferner sehr dienlich, wenn man sich an die verschiedenen galizischen Landsmannschaften in Israel und vornehmlich in den USA wenden und deren Veröffentlichungen bis heute eingehend studieren würde.

So berichtete die "Deutsche Wochen-Zeitung" am 31. März 1967, Seite 9, in dem Aufsatz "Polnische Judenverfolgungen", "daß Polen 'mehr als 300 000 Juden gerettet' hätten". Auch daraus werden die Schwierigkeiten teilweise ersichtlich, die einer Lösung der Frage "Wie viele?" im Wege stehen. Man vergesse schließlich jene nicht, die überlebt haben!

Man kann doch nicht bereits genügend Schuldiggewordenen fremde, noch imaginäre Schuld aufbürden!

Außerdem kann ich als Laie nicht verstehen, welche Rolle es für das Strafmaß spielen soll, ob einer 100 oder 1000 Juden ermordet hat; denn wenn er für einen Ermordeten zum Beispiel zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt wird und tausend auf dem Gewissen hat, wird man nicht 1000 x 20 Jahre Zuchthaus geben können. Es war bereits ein Verbrechen, auch nur einem Menschen aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen das Leben zu nehmen, einem unschuldigen Menschen also, da doch das fünfte Gebot sogar die Schuldigen schützt.

So ist es verständlich, wenn in Mischna, Sanhedrin 4, 5, gesagt wird, daß "... jeder, der nur ein einziges Menschenleben auslöscht, eine genauso schlechte Tat verübt, als wenn er das ganze Menschengeschlecht getötet hätte".

Wie bereits angedeutet, ich verstehe nichts von juristischen Spitzfindigkeiten, weiß aber, mit welch ungeheurer Erregung das Forschen nach der Zahl der Ermordeten bis jetzt einherging und noch einhergehen

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wird.

Obgleich Jude, ist es für mich ein Jammer, in diesem Prozeß mit ansehen zu müssen, wie ein braves, fleißiges Volk mit masochistischer Wonne physisch, geistig und seelisch Harakiri macht, ein Volk, das zum Fortschritt der Menschheit viel, sehr viel beigetragen hat und heute noch, trotz dunkler Vergangenheit einzelner, hinsichtlich der Zahl seiner Nobelpreisträger führt.

Mögen unter den Preisgekrönten Viertel-, Halb- oder ganze Juden gewesen sein, sie bekamen die Auszeichnung aber als Deutsche!

Diese Kriegsverbrecherprozesse werden dem deutschen Volk nicht zum Segen gereichen. Die Strangulierung der in Nürnberg vom internationalen Militärtribunal zum Tode Verurteilten hätte den Schlußstrich unter dem traurigen Kapitel bilden müssen. Kurzsichtig und sehr schlecht beraten waren die Siegermächte, die der Bundesrepublik dieses grausame Schauspiel auferlegt haben, denn im Generalvertrag wurde der Bundesrepublik die Weiterführung dieser sogenannten Kriegsverbrecherprozesse diktiert. Deutsche sollen gegen Deutsche in dieser unwürdigen Form zu Gericht sitzen. Das ist kein Suchen nach Gerechtigkeit, sondern, wie längst bewiesen, ein antideutsches Politikum.

So kann es zu keiner Aussöhnung kommen.

Denn während man einem deutschen Angeklagten noch zubilligen darf, daß er zu seiner Tat sozusagen erzogen wurde und des Glaubens war, Volk und Vaterland damit zu dienen, kann man diese mildernden Umstände auf keinen Fall jenen Nichtdeutschen zuerkennen, die zu Untermenschen wurden dadurch, daß sie sich freiwillig in den Dienst dieser Ausrottungstätigkeit stellten, wobei viele noch grausamer waren, als ein grausamer deutscher SS-Mann gewesen sein konnte.

Und so mancher von diesen Missetätern darf sich frei bewegen in Staaten, die der Bundesrepublik die deutschen Kriegsverbrecherprozesse befohlen haben; es dürfen solche nichtdeutschen Kriegsverbrecher sich sogar in der Bundesrepublik politisch frei betätigen; einige leben auf Kosten des deutschen Steuerzahlers. Die Namen sind all jenen bekannt, die nur an deutschen Kriegsverbrecherprozessen Interesse haben.

Wie kann man da noch glauben, daß es hier um Recht und Gerechtigkeit gehe? Oder kann man diese Begriffe nach Nationalitätsprinzipien aufteilen? Es geht den Siegermächten und allen anderen interessierten Kreisen darum, daß die kommende deutsche Generation mit schwachen

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Knien, mit verrosteten Gehirnen und verschimmelten Seelen heranwächst, damit sie brave Befehlsempfänger, Golems (Roboter), für ihre Ziele zur Verfügung haben.

Kein Geringerer als der große Friedenspapst Pius XII. führte in seiner Ansprache an die neuen Kardinäle am 20. Februar 1946 unter anderem aus: "Der Imperialismus ... entfaltet sich in die Weite und Breite. Er sucht nicht den Menschen an sich, sondern die Dinge und Kräfte, denen er den Menschen dann dienstbar macht."

So manches Mal haben sich Usurpatoren getäuscht; es wird auch dieses Mal der Fall sein. Es geht nicht um die jetzigen Verurteilten, es geht um deren Kinder und Kindeskinder, Tausende, Hundertausende. Sie werden mit dem Kainszeichen heranwachsen; ich als Jude, der ich durch viel Dunkles und Schweres gehen mußte, weiß, wie ein Kainszeichen brennt. Diese unschuldigen, als Nachkommen von Kriegsverbrechern gestempelten Kinder werden alles andere als Sklaven fremder Interessen sein wollen. Sie werden fragen, protestieren, rebellieren - und was dann? Und. Wie werden die wenigen jüdischen Kinder, die hier doch heranwachsen werden, es tragen können, daß ihre Väter dazu beigetragen haben, den deutschen Kindern das Kainsmal aufzudrücken? Wie soll es da zu einer deutschjüdischen Versöhnung kommen?

In Münster fanden schon im April 193S politische Prozesse statt. Man nannte sie damals Devisenverbrecherprozesse. In Wirklichkeit verurteilte man die besten Töchter und Söhne der katholischen Kirche nur deswegen, weil sie sich für die Rettung von Verfolgten des damaligen Regimes, Juden nicht ausgenommen, eingesetzt hatten. Diese Aktivität suchte man lahmzulegen. Dasselbe Gebäude ist nun wieder Schauplatz politischer Interesse geworden, und wiederum fehlt nicht das pathetische Wort Verbrecher.

Wann wird der Kreis des Hasses gesprengt?

Welche Prozesse werden in 30 Jahren geführt werden, wenn Kinder der heutigen Verurteilten zur Macht kommen? Wahrscheinlich solche gegen die Regisseure der heutigen Kriegsverbrecherprozesse. Man muß fürchten, daß wiederum das Wort Verbrecher nicht fehlen wird.

Wann wird man sich einmal ernsthaft anstrengen, den Kreis des Hasses zu sprengen? Wir leben in einem demokratisch regierten Land. Demokratie heißt Regierung durch das Volk im Dienste des Volkes.

Die Tübinger Wickert-Institute veranstalteten im Februar 1965 eine

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Meinungsumfrage, ob die NS-Verbrecherprozesse weitergeführt werden sollen oder nicht. Befragt wurden nur Erwachsene. 63 Prozent aller Männer und 76 Prozent aller Frauen waren für eine Beendigung der Verfolgung von NS-Taten.

Da nun Volkes Stimme Gottes Stimme ist, wäre es doch recht und billig, wenn Bonn sich danach richten und - sollte eine Aufkündigung des unseligen Generalvertrages nicht möglich sein - eine Generalamnestie erlassen würde. Denn nur so ist es zu verhüten, daß die Selbstzerfleischungstendenz im deutschen Volk wächst.

Wie will man denn eine Versöhnung zwischen Deutschland und der übrigen Welt herbeiführen, wenn die deutschen Menschen untereinander sich nicht versöhnen können und wollen? Wie kann man vom Ausland verlangen, daß es zu Versöhnung und Vergessen bereit ist, wenn es bei jenen Deutschen, die heute am Ruder sind, nicht zum Verzeihen und Vergessen jenen gegenüber reicht, die heute auf der Anklagebank sitzen? Wenn jedoch das heutige Bonn sich genauso wie das gestrige verhält, nämlich nicht gewillt ist, politische Initiativen zu ergreifen, und sich weiter hinter richterlichen Roben verschanzt, wäre es richtig und wegweisend, wenn die Richter in diesen Prozessen jeden ohne Ausnahme freisprächen, so lange freisprächen, bis die Verantwortlichen, aus ihrer Lethargie aufgerüttelt, sich zu einer segensreichen Generalamnestie entschließen.

Daß ich mich nicht ganz so benehme, wie man glaubte nach den "Belehrungen" und "Anweisungen" vor meiner Einvernahme von mir erwarten zu können, nimmt man mir genauso übel wie das Bemühen, mit meiner schwachen Kraft zu einer deutschjüdischen Versöhnung beizutragen. Ein dünnes zionistisches Blättchen, das großmäulig gegen jedwede deutschjüdische Versöhnung zu Felde zieht und sich oft zum Tummelplatz völkerverletzender Agitationen macht, beehrte mich da unlängst mit einem seitenlangen Leitartikel. In diesem wird von der Vorstandschaft der Israelitischen Kultusgemeinde mein Ausschluß aus dieser verlangt. (Er ist übrigens inzwischen tatsächlich erfolgt.) Begründung: Meine Tätigkeit verstoße gegen jüdische und israelische Interessen. Es heißt da, daß der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde sich in Kürze mit dem "Fall Burg" befassen werde.

Ich nehme an, daß die zuständigen Gemeindevorsteher, obwohl einige zionistische Aktivisten sind, Objektivität und Vernunft walten und sich nicht zu politischen Auseinandersetzungen verleiten lassen, zu denen ihnen auch jede Kompotenz fehlt. Denn Kultus hat mit Politik nichts

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zu tun.

Sollten sie aber dennoch der Aufforderung des zionistischen Orgänchens Folge leisten, so würden sie gegen die deutsche Verfassung verstoßen, die Freiheit für politische Äußerungen und politische Tätigkeit garantiert. Die Konsequenz wird der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde zu tragen haben. Den Helden zu spielen liegt mir fern, aber zum Drückberger fehlt mir jedes Talent.

Was immer auch geschehen mag, ich werde mich weiterhin bemühen, so sehr ich kann, im Dienste der Wahrheit und der Gerechtigkeit für eine deutschjüdische Versöhnung ebenso wie für ein friedliches Zusammenleben aller Völker zu wirken.


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