Die Erstausgabe des Rudolf Gutachtens auf vho.org/D/rga1
Vgl. auch die revidierte Fassung dieses Abschnittes, Stand Frühjahr 1999

3.4.2.5. Kapazität von Schutzfiltern
Filtergeräte zum Schutz vor gesundheitsgefährdenden und/oder lebensgefährlichen Gasen und Dämpfen werden unterteilt a) in Typen nach der Art des herauszufilternden Gases und b) in Klassen nach der Aufnahmekapazität. Filter der Klasse 3 mit großer Aufnahmekapazität sind in extern, meist seitlich zu tragenden Behältern untergebracht, da sie zum Tragen an der Maske zu schwer sind. Die Verbindung zur Maske wird per Schlauch hergestellt. Filter der Klasse 2 werden auf die Masken aufgeschraubt und bilden das Gros der verwendeten Filtertypen. Filter der Klasse 1 sind häufig Steckfilter.

Die Gebrauchsdauer von Gasfiltern ist abhängig von:

Das Deutsche Institut für Normung hat freilich auch für Filter Mindestwerte der Durchbruchszeiten unter Standardprüfbedingungen bestimmt. Die Bedingungen sind:

In Tabelle 11 sind die Werte für verschiedene Filtertypen mit dazugehörigen häufigen Schadgasen angegeben.
Die Blausäure-Schutzmasken der Alliierten aus damaliger Zeit waren von der Klasse 3 mit extern zu tragenden Filtern. Die Tragedauer solcher Filter wird bei schwerer Arbeit und 0,05 Vol.% Blausäure mit 3 bis 5 Stunden angegeben. Bei Konzentrationen über 1 Vol.% bricht selbst durch diese Geräte das Gas schnell durch[212].

Tabelle 10: Höchstzulässige Schadstoffkonzentration von Schutzfiltern[210]

Gasfilterklasse

höchstzulässige Schadstoffkonzentration

1

0,1 Vol.%;

1000 ml m–3 (ppm)

2

0,5 Vol.%;

5000 ml m–3 (ppm)

3

1,0 Vol.%;

10000 ml m–3 (ppm)

Kurzzeitiges Überschreiten der Tabellenwerte bis zum Doppelten ist zulässig.

Für die deutschen Filtergeräte, die während des Zweiten Weltkrieges in der Entlausung mit Blausäure zum Einsatz kamen, gibt es einen Erfahrungsbericht von R. Queisner[213]. Die seinerzeit eingesetzten Filtereinsätze »J« und »G« waren speziell für den Einsatz in blausäurehaltiger Atmosphäre entwickelt worden und hatten nach Lieferangaben eine Haltbarkeit von 30 min. bei einer Spitzenbelastbarkeit von 1 Vol.%. Da der Maskenträger bei Entlausungsaktionen nur geringen Blausäuremengen ausgesetzt ist (bei Präparateauslegung und nach Beendigung der Aktion ist die Blausäurekonzentration jeweils sehr niedrig), hat die Erfahrung gezeigt, daß eine mehrstündige Verwendung dieser Filter möglich ist.
Nach Schmidt[214] atmet der in Ruhe befindliche Mensch ungefähr 14 Liter Luft pro Minute. Bei starker körperlicher Anstrengung kann der Luftbedarf bis auf Werte von 50 bis 60 Liter pro Minute ansteigen, im Extremfall auch auf 100 - 120 Liter.
Wenn nach Pressac und in Übereinstimmung mit den Zeugenaussagen bei den Vergasungen mit einer theoretischen Endkonzentration von 1 Vol.% gearbeitet wurde, so müßten die Gefangenen des Sonderkommandos die Leichen aus den nicht lüftbaren 'Gaskammern' der Krematorien IV und V sowie den Bauernhäusern I/II mit Gasmasken herausgetragen haben. Ausgestattet mit Gasfiltern der Klasse 2 wären sie damit über lange Zeiträume bei schwerer körperlicher Arbeit einer hohen Giftgaskonzentration ausgesetzt gewesen. Dies hätte mit Sicherheit zu Vergiftungserscheinungen geführt, da Blausäure besonders gut über die schweißnasse Haut aufgenommen wird.

Tabelle 11: Mindestdurchbruchszeiten von Filtern
nach DIN 3181 Teil 1 in Minuten[211].

   

Durchbruchs-

Klasse 1

Klasse 2

Klasse 3

Typ

Prüfgas

kriterium

Prüfkon-

Prüfkon-

Prüfkon-

   

(ppm)

zentration

zentration

zentration

     

0,1 Vol.%

0,5 Vol.%

1,0 Vol.%

A

CCl4

10

80

40

60

B

Cl2

1

20

20

30

 

H2S

10

40

40

60

 

HCN

10*

25

25

35

E

SO2

5

20

20

30

K

NH3

25

50

40

60

* bezogen auf HCN + (CN)2

Die Mindestdurchbruchszeit für die heutigen entsprechenden Gasfilter der Klasse 2, Typ B (für Blausäure) beträgt für 0,5 Vol.% 25 min. bei einem Luftdurchsatz von 30 Liter pro min. Bei entsprechend harter körperlicher Arbeit wird sich diese Zeit rasch auf die Hälfte oder ein Viertel verringern. Somit kann unter den betrachteten Bedingungen ein heutiger Filter der Klasse 2 nur einige Minuten Sicherheit bieten. Die Atmungsbehinderung mit Filter wäre groß gewesen (max. 5,6 mbar Druckdifferenz bei 95 l pro min. nach heutiger DIN), damit sogleich das Arbeitstempo klein und der Bedarf nach Erholungs- sowie Zwangspausen durch Gasvergiftungen groß. Da die damaligen Filter durch ihre spezielle Auslegung auf Blausäure eine höhere Kapazität hatten, wird bei ihnen die Belastbarkeit entsprechend höher gewesen sein, mit einer dadurch verlängerten Benutzbarkeit.
Pressac schreibt[209], daß eine Blausäure-Konzentration von 1 Vol.% auch mit Filtermaske nicht tolerierbar sei und nur in Notfällen bis zu einer Minute Aufenthaltszeit gewährt werden könnte, und zwar ohne große körperliche Belastung!
Eine Vergiftung durch die schweißnasse Haut schließlich wäre nur dann zu verhindern gewesen, wenn die Arbeiter in den 'Gaskammern' unter diesen Bedingungen mit Schutzanzug gearbeitet hätten, was von keinem Zeugen je bekundet wurde und was die Leistungsfähigkeit zusätzlich enorm vermindert hätte. Die Angaben einiger Zeitzeugen bezüglich der eingesetzten Konzentrationen und der schnellen Kammerräumung nach der Exekution ohne Schutzanzug und Maske, auf die sich auch Pressac beruft, schließen einander aus und sind somit mit Sicherheit nicht richtig.
Nicht vergessen werden soll hier, daß Blausäure ein Kontaktgift ist. Das Transportieren von Leichen, auf deren feuchter Haut große, eventuell tödlich wirkende Blausäure-Mengen absorbiert sind, hätte bei den mit den Leichen hantierenden Sonderkommandos das Tragen von Schutzkleidung erfordert. Die Wachmannschaft schließlich hätte sich ebenso wie die Sonderkommandos bei den bezeugten Anwendungskonzentrationen zumindest in Gesundheitsgefahr begeben. Dies trifft auf alle 'Gaskammern' zu.

Anmerkung
  1. Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Atemschutz-Merkblatt, Carl Heymanns Verlag, Köln 10.1981.
  2. War Department, Hydrocyanic-Acid-Gas Mask, US Government Printing Office, Washington 1932; War Department, Technical Manual No. 3-205, US Government Printing Office, Washington 1941.
  3. DIN 3181 Teil 1, Entwurf, Atemfilter für Atemschutzgeräte. Gas- und Kombinationsfilter der Gasfilter-Typen A,B,E und K. Sicherheitstechnische Anforderungen, Prüfung, Kennzeichnung, Beuth Verlag GmbH, Berlin Mai 1987.
  4. R. Queisner, »Erfahrungen mit Filtereinsätzen und Gasmasken für hochgiftige Gase zur Schädlingsbekämpfung«, Zeitschrift für hygienische Zoologie und Schädlingsbekämpfung, 1943, S. 190-194.
  5. Robert F. Schmidt, Biomaschine Mensch, Piper, München 1979, S. 124.


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