Die Erstausgabe des Rudolf Gutachtens auf vho.org/D/rga1
Vgl. auch die revidierte Fassung dieses Abschnittes, Stand Frühjahr 1999
4.4. Zusammenfassung der
Analysenergebnisse
Die bis ins tiefe Mauerwerk hineinreichenden extrem hohen Cyanidrückstände (1000 bis
10000 mg pro kg) in den Wänden der Entlausungsbaracken Bauwerk 5a und 5b sowie die schon
nach einmaliger Begasung im Experiment deutlich nachweisbaren Cyanidrückstände (50 bis
100 mg pro kg) bestätigen die These, daß eisenhaltige Wandmaterialien, die Blausäuregas
ausgesetzt werden, leicht große Mengen an Eisenblau bilden.
Die Existenz der bis heute blau gefärbten und mit Cyaniden angereicherten Außenwände
der Entlausungstrakte der BW 5a und b beweist letztendlich die vorher schon theoretisch
hergeleitete und im britischen Langzeittest bestätigte, dem Laien erstaunlich hoch
erscheinende Umweltresistenz komplexer Eisencyanidverbindungen, besonders des Eisenblaus.
Leuchters und Prof. Dr. J. Roths These[9] von
der annähernden Unzerstörbarkeit des Pigments ist also vollkommen zuzustimmen. Diese
Beständigkeit hat zur Folge, daß praktisch auch heute noch Eisenblauvorkommen, selbst
wenn sie damals nur oberflächlich entstanden sind und vollkommen der Witterung ausgesetzt
waren, fast ungemindert nachweisbar sind.
Ziegelstein hat eine besonders hohe Reaktivität gegenüber Blausäure, wenn das Eisen an
der Oberfläche durch Umwelteinflüsse und Feuchtigkeit aktiviert wird.
Der Nachweis von Cyanidspuren in den Zwischenwänden der Heißluftanlage von BW 5a bei
gleichzeitiger Bildung von Eisenblau an Eisenrost an Stellen, die erst nach dem Umbau
eingefügt wurden, führt zu der Schlußfolgerung, daß durch einfache Raumentlausung
Cyanidmengen im Mauerwerk gebunden werden können, wie sie in der gleichen Größenordnung
auch in den normalen Barackengebäuden zu finden sind. Es wurde jedoch nachgewiesen, daß
Cyanidwerte bis zu 10 mg pro kg kaum zu reproduzieren sind und auch auf allgemeines,
natürliches Vorkommen zurückgeführt werden können. Damit sind alle positiven
Analysenergebnisse aus allen angeblichen 'Gaskammern', die ohne Ausnahme Cyanidwerte nahe
der Nachweisgrenze ergaben, wegen mangelnder Reproduzierbarkeit als unsignifikant zu
bewerten, wie auch die Werte aus den übrigen Gebäuden. Selbst wenn man die geringen
Spuren ernsthaft interpretieren wollte, beweist z.B. der Nachweis merklicher Cyanidspuren
in dem ehemaligen Waschraum von Krematorium I, daß die dortigen Cyanidspuren nicht von
Menschenvergasungen herrühren. Würden die Cyanidrückstände in der Leichenhalle
('Gaskammer') des Krematoriums I von Menschenvergasungen herrühren, so müßten in den
Wänden der Leichenkeller I ('Gaskammern') der Krematorien II und III wegen deren
ungefähr zwanzigfach intensiveren Begasung (weniger als 10000 Menschen bei 500 bis 700
Menschen pro Vorgang im Krematorium I gegenüber 400000 bei 800 bis 1200 Menschen pro
Vorgang im Krematorium II, siehe Abschnitt 3.4.1., S.
65), die Werte
der Cyanidrückstände entsprechend höher liegen.
Die Analysenbefunde der Proben aus dem Leichenkeller I ('Gaskammer') der Krematorien II
und III sind aber denen der Leichenhalle ('Gaskammer') des Krematoriums I ähnlich,
allerdings nicht reproduzierbar. Es ist daher eine wohlbegründete Annahme, daß auch hier
die (nicht reproduzierbar) geringen Cyanidspuren als natürlich vorkommende Spuren oder
als Analysenfehler zu gelten haben, nicht aber von Menschenvergasungen verursacht wurden.
Bei den angeblichen 'Gaskammern' (Leichenkeller I) der Krematorien II und III handelte es
sich um ungeheizte, unterirdische Räume, deren Mauerwerk ohnehin mehr Feuchtigkeit besaß
als ein oberirdischer, geheizter Raum. Die Körperausdunstungen der eingepferchten
Menschen hätten die Luftfeuchtigkeit in den Kammern mit großer Eigenfeuchtigkeit schnell
zur Übersättigung ansteigen lassen. Der Feuchtigkeitsüberschuß wäre am kühlen
Mauerwerk kondensiert. Darüber hinaus soll der Boden des Raumes regelmäßig mit Wasser
abgespritzt worden sein[73], was die Feuchtigkeit im
feuchtigkeitsisolierten Bauwerk gegenüber einem fiktiv ungenutzten Raum nochmals hätte
ansteigen lassen.
Solche Wände haben gegenüber stark aufgeheizten (Wandtemperatur größer 15°C, geringe
rel. Luftfeuchtigkeit) eine um einen Faktor größer als 10 höhere Tendenz zur Adsorption
bzw. Absorption von Blausäure. Schon in Abschnitt 2.5.4.
(S. 51) wurde in einer rechnerischen Simulation gezeigt, daß die quasistationäre
Blausäure-Konzentration im Mauerwerk einer feuchten 'Menschengaskammer' mit
realistischer, mittlerer Kontaktzeit des Gases von ca. 24 min. zumindest ähnlich hoch ist
wie die in einer warmen, trockenen Entlausungskammer mit wesentlich höheren
Kontaktzeiten. Es muß zusätzlich bedacht werden, daß mit der Feuchtigkeit u.a. auch die
Reaktivität im Mauerwerk in ähnlicher Größenordnung, also um den Faktor 10, ansteigt
(siehe allgemein Abschnitt 2.3. S. 45). Man kann also von einer
mindestens um den Faktor 10 erhöhten Bildungreaktivität von Eisenblau gegenüber
geheizten, trockenen Räume ausgehen (Entlausungstrakte). Es ist also unter den damals
angeblich herrschenden Bedingungen in den kühlen, feuchten Wänden der Leichenkeller I
('Gaskammern') der Krematorien II und III mindestens mit ebenso intensiver Pigmentbildung
zu rechnen wie in den trockenen, warmen Wänden der Entlausungskammern, wenn das Produkt
aus Kontaktzeit und -konzentration der Blausäure in den
trockenen Kammern um den Faktor 10 größer war als in den Kammern mit kühlen, feuchten
Mauern.
Man kann für die zu erwartende Pigmentkonzentration CE eine Gleichung
aufstellen:
CE = Tk · ck · n · R (19)
Tk = tägliche
Kontaktzeit
ck = Kontaktkonzentration HCN
Die Betriebszeit des Entlausungstraktes BW 5a dauerte von Frühjahr-Sommer
1942 (Inbetriebnahme des Lagers Birkenau) bis zum Sommer-Herbst 1943 (siehe Abschnitt 1.4.,
S. 32), also ungefähr 1½ Jahre. Die Massenvergasungen in den Leichenkellern I ('Gaskammern') der Krematorien II
und III sollen vom Frühjahr 1943 bis Herbst 1944 erfolgt sein mit annähernd
täglichen Vergasungen, was einer Betriebsdauer von 1½ Jahren entspricht.
Damit ist der Faktor n (Anzahl der Begasungstage) in obiger Gleichung in beiden Fällen
ungefähr gleich.
Wenn es Massenvergasungen unter den bezeugten Bedingungen gegeben hätte (schneller Tod),
so müßten große Zyklon B-Mengen eingesetzt worden sein, die in kurzer Zeit zu ähnlich
hohen Blausäure-Konzentrationen geführt hätten wie bei den Sachbegasungen (ck
ebenfalls gleich). Dabei hätte die Atmung der Opfer bei der bezeugten
Hinrichtungsgeschwindigkeit von wenigen Minuten die Blausäurekonzentration höchstens auf
50% herabsetzen können (Abschnitt 3.4.2.2., S. 67, ck(Vergasung)
ca. ½ck(Entlausung)).
Die gegenüber dem BW 5a um den Faktor 1000 bis 10000 niedrigeren Cyanidkonzentrationen im
Mauerwerk der Leichenkeller I ('Gaskammer') der Krematorien II und III wären bei
zehnfacher Bildungsreaktivität (Faktor R) des Mauerwerks (s.o.) nur dann erklärbar, wenn
die Kontaktzeit des Gases mit der Wand hier um den Faktor 5000
bis 50000 niedriger lag als in den Sachentlausungskammern. Dort sei sie großzügig auf
5 Szunden konstante Konzentration (18000 Sekunden) täglich angesetzt (siehe
Abschnitt 2.5.4., S. 51).
Das ergäbe für die 'Gaskammern' (Leichenkeller I) der Krematorien II und III eine
maximal zulässige Kontaktzeit von 3,6 Sekunden.Dies ist technisch vollkommen
unmöglich. Selbst mit den Annahmen, daß bei den Menschenvergasungen entgegen den
Zeugenaussagen nur 1/10 der Konzentration der Sachentlausungen
verwendet wurde, kommt man nicht einmal in den Bereich einer Minute, die das Gas während
eines Exekutionsvorganges die Wände hätte kontaktieren dürfen. Gerade bei Einsatz
geringerer Mengen Blausäure würde sich der Exekutionsvorgang aber in die Länge gezogen
haben, wodurch diese Betrachtung zum selben Ergebnis führt: technisch vollkommen
unmöglich.
Es sei hier auf die Grenzen der obigen Gleichung hingewiesen. Da sie von einer konstanten
HCN-Konzentration ausgeht, muß besonders bei längeren Begasungszeiten eine effektive
Zeit eingesetzt werden, da im Laufe langfristiger Begasungen die Konzentration durch
Adsorptionseffekte bis auf Null abnehmen kann. Eine einmalige Begasung des Leichenkellers
I der Krematorien II und III mit 5 kg HCN (ca. 1 Vol.%) über 24 Stunden würde nach
obiger Formel zu Cyanidgehalten führen, die ungefähr um den Faktor 20 bis 50 unter den
Werten der Entlausungsbaracken liegen (10-faches R, 5-faches Tk, 1/500 n, gleiches ck = 1/50
CE), also im Bereich 100 - 1000 mg CN- pro kg Gestein. Rechnet man
andererseits, daß die ersten 2 cm des Wandmaterials 10% bis 20% (0,5 bis 1 kg) der
eingesetzten Blausäure dauerhaft aufnehmen, was bei einer Oberfläche der Keller von ca.
600 m2 einem Volumen von etwa 12 m3 Gestein entspricht oder bei
einer Dichte von ungefähr 1,6 g pro cm3 (siehe Tabelle
17, S. 93) einer Masse von ca. 20000 kg, so kann das Mauerwerk nach einer 24stündigen
Begasung nicht mehr als 25 bis 50 mg Cyanid pro kg Gestein dauerhaft aufweisen. Wie die
Begasungsversuche gezeigt haben, wird tatsächlich innerhalb einer 24stündigen Begasung
die Blausäurekonzentration in der Kammer durch Adsorption in der Wand fast vollständig
auf Null herabgesetzt. Damit liegt die effektive Begasungszeit mindestens um den Faktor 4
niedriger als bei Annahme einer über 24 Stunden gleichen Konzentration. Die
Versuchsergebnisse von 50 bis 100 mg pro kg (2 Vol.% HCN) wiederum zeigen, daß eine
einmalige, 24stündige Begasung tatsächlich zu Cyanidrückständen in der Größenordnung
der oben überschlagsweise errechneten Werte führt. Die oben angenommene
Begasungszeit von 5 Stunden für eine Entlausungskammer entspräche somit einer
realen Begasung mit schwankender Konzentration (niedrige Start- und Endkonzentration) von
mindestens 20 Stunden, also einem realen Betrieb rund um die Uhr.
Ähnliches gilt für die bei den vermuteten Menschenvergasungen eingesetzten
Kontaktzeiten. Zu beachten ist also, daß hier die Betriebszeit der Entlausungsanlagen
unrealistisch hoch angesetzt wurde. In Wirklichkeit werden diese Anlagen nicht täglich
und nicht rund um die Uhr gearbeitet haben. Zur Ansammlung der in diesen Mauern auffindbaren
Cyanidkonzentrationen werden also schon weitaus geringere Begasungszeiten ausgereicht
haben als hier angenommen wurde.
Weiterhin muß berücksichtigt werden, daß besonders im Entlausungstrakt des Bauwerks 5b
annähernd alles Eisen zum Eisenblau umgesetzt wurde, zumindest aber das dem
Blausäure-Gas leicht zugängliche, an der Materialoberfläche befindliche Eisen. Damit
ist aber eine Aussage nicht mehr möglich, wie lange eine Anlage benötigt, bis sie diesen
Sättigungsgrad erreicht. Es ist durchaus möglich, daß dieser Punkt schon weitaus
früher erreicht wurde als hier angenommen, nämlich schon bei einer wesentlich kürzeren
Betriebszeit als der der angeblichen 'Menschengaskammern' (1 - 1½ Jahre).
Schließlich ist hier bei der Feststellung des Reaktivitätsfaktors R bewußt nur ein mit
Zahlen sicher belegter Effekt eingeflossen: Die ca. zehnfach erhöhte Adsorption von
Blausäure in feuchtem Mauerwerk. Unberücksichtigt blieb die eventuell höhere
Blausäure-Anreicherung im Zementmörtel der Leichenkeller gegenüber dem Kalkmörtel der
Entlausungskammern wegen höherer spezifischer Oberflächen und höherer Basizität, die
höhere Löslichkeit von Blausäure in Wasser bei tieferen Temperaturen, die allgemein
erhöhte Reaktivität feuchten Wandmaterials usw...
Man erkennt aus den hier gewonnenen Erkenntnissen außerdem, daß eine einmalige oder
mehrmalige ganztägige Begasung der kühl-feuchten Leichenkeller der Krematorien II und
III in Birkenau zur Entlausung zu deutlichen Cyanidspuren hätte führen
müssen. Man kann daher davon ausgehen, daß diese Räumlichkeiten nie mit Zyklon B begast wurden.
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